Länderberichte
Pulse Asia (27/03-04/04) | Social Weather Station (10/04-17/04) | |
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GMA (=Gloria Maca- pagal-Arroyo) | 34 | 35.3 |
FPJ | 31 | 30.8 |
ROCO | 12 | 8.4 |
LACSON | 10 | 10.6 |
VILLANUEVA | 3 | 4 |
GIL | - | 0.05 |
UNDECIDED | 7.6 | 10.9 |
No Risk versus Popularität
Die Präsidentin ist nach dem Impeachment Estradas im Januar 2001 aus der Position der Vizepräsidentin aufgestiegen. Es war vor allem die Mittel- und Oberschicht, die sich Ende 2000 im Rahmen der sogenannten EDSA 2 Revolution gegen Estrada gestellt und GMA ins Amt gehoben hat. Die breite Masse hat sie während ihrer Präsidentschaft hingegen nie erreicht.
Der Umgang mit dem bei der einfachen Bevölkerung sehr populären und noch immer unter Hausarrest stehenden Estrada sowie unzählige Kompromisse und unerwartete Flipflops in Sachfragen haben es GMA in den letzten drei Jahren unmöglich gemacht, mit ihrer Person einen Neuanfang zu symbolisieren. Doch trotz der Enttäuschung vieler Philippinos sind die schlimmsten Verwerfungen aus der Amtszeit Estradas immerhin soweit bereinigt, dass das Land wieder nach vorne blicken kann.
Das wirtschaftliche Wachstum beträgt 4,5%, der totalen Politisierung von Justiz, Polizei und Militär sind erst einmal Grenzen gesetzt und mit den unterschiedlichen Rebellengruppen im Land, von den Kommunisten bis hin zur Moro Islamic Liberation Front, hat die Regierung im Rahmen von Friedensverhandlungen den Gesprächsfaden wieder aufgenommen. Außenpolitisch sind die Philippinen durch die rückhaltlose Unterstützung des Irak-Krieges wieder stärker an die USA gerückt. Innenpolitisch versucht die Präsidentin den Schulterschluss mit der starken Civil Society (Demokratiebewegung) und wirtschaftspolitisch vertritt sie eine eher liberale Haltung. Für viele erscheint sie daher als der “No Risk Kandidat”.
Klare Positionsbestimmungen sind bei Hauptherausforderer Fernando Poe Jr. hingegen nicht zu finden. Für den 64 jährigen “The King”, der in vielen Heldenrollen glänzte, ist die Kandidatur zum Präsidenten der erste Ausflug in die Politik. Poe, der eng mit Estrada befreundet ist, soll mit Hilfe seiner Popularität Gloria Macapagal-Arroyo ablösen und die Opposition an die Macht bringen. Doch anders als (der ehemalige Schauspieler) Estrada, der vor seiner Präsidentschaft als Bürgermeister, Senator und Vizepräsident Karriere machte, verfügt FPJ über keinerlei politische Erfahrungen. Er wirbt mit seinem “guten Herzen”.
Auf seinen Wahlversammlungen gibt sich das philippinische Showbiz ein Stelldichein. Doch FPJ hält keine Reden, gibt keine Interviews und lehnt alle Fernsehdebatten mit den Konkurrenten ab. Um den Eindruck von Kompetenz zu verbreiten, schart er unzählige Gruppen von Beratern um sich, die bisher erfolglos versucht haben, ihn in den wichtigen Themen fit zu machen. Ganz offensichtlich läuft seine Kampagne nicht rund. Der Campaign Manager trat zurück und wurde durch den national unerfahrenen PDP-Laban Präsidenten und Bürgermeister von Makati, Jejomar Binay, ersetzt. Dieser musste nun auch noch zugeben, dass die Kampagne unter Geldmangel leidet, was sich vor allem in der Schlussphase des Wahlkampfs negativ bemerkbar machen sollte. Und nicht zuletzt leidet FPJ unter einer Spaltung der Opposition, die mit dem Law-and-Order-Kandidaten Panfilo Lacson, einem ehemaligen mit der Unterwelt verbandelten Polizeiminister, noch über einen weitaus politischeren und charismatischeren Bewerber verfügt.
Rechenspiele
Nach philippinischem Wahlrecht reicht die einfache Mehrheit im ersten Wahlgang aus. Auch ist es möglich, noch alle Kandidaten bis zum Wahltag 12.00 Uhr auszutauschen. Strategische Spielereien, ob nicht etwa Lacson der gemeinsame Präsidentschaftskandidat der Opposition und Poe der gemeinsame Kandidat für das Amt des Vizepräsidenten sein sollte (oder umgekehrt), sind daher an der Tagesordnung. Von hoher Bedeutung ist jedoch in jedem Fall, wie sich die Bewerber Panfilo Lacson, der ehemalige Senator und Bildungsminiter Raul Roco und der Evangelist Brother Eddie Villanueva in der Schlussphase des Wahlkampfes verhalten.
Im Falle eines Verzichts des “Religious Man” Brother Eddie kann davon ausgegangen werden, das sich seine Stimmen etwa gleichmäßig auf die beiden Favoriten verteilen würden, mit leichtem Vorsprung für Poe.
Im Falle vom Panfilo Lacson käme sein Verzicht mehrheitlich Poe zugute. Berechnungen des seriösen Umfrageinstitutes SWS gehen davon aus, dass für diesen Fall der Vorsprung Gloria Macapagal-Arroyos derzeit auf ca. 2% Punkte zusammenschmelzen würde.
Die Auswirkungen eines Verzichtes von Raul Roco sind nur mit hohen Unsicherheiten quantifizierbar. Roco versucht, mit der Aksyon Demokratiko eine sogenannte” dritte Kraft” zu etablieren. Er hat vor allem Zulauf von den höheren Bildungsschichten und unter der jüngeren Bevölkerung (65% der Wähler sind bis 35 Jahre alt). Es hat sich allerdings die Einschätzung durchgesetzt, dass er nicht gewinnen kann. Viele Roco-Anhänger sind daher bereits zu Gloria Macapagal-Arroyo abgewandert, weil sie ihre Stimme nicht verschwenden (und Poe nicht ins Amt verhelfen) wollen.
Im Kern sind die Roco-Anhänger jedoch keine großen Freunde von Gloria Macapagal-Arroyo. Roco selbst ist vor 10 Tagen mit Verdacht auf Prostatakrebs zu Untersuchungen in die USA abgereist und will im Laufe dieser Woche in die Philippinen zurückkehren. Kein Wunder, dass Spekulationen aufkommen, dies sei der Einstieg in den Ausstieg aus seiner Kandidatur. Auf den Philippinen werden Kandidaten oft mit Geld aus ihrer Kandidatur herausgekauft. Im Falle Rocos ist dies jedoch (aufgrund seines Saubermann-Images) schwer vorstellbar. Dennoch: eine Empfehlung zugunsten von Gloria Macapagal-Arroyo würde die Wahl mit hoher Wahrscheinlichkeit entscheiden, und eine (eher unwahrscheinliche) Empfehlung zugunsten von Poe diesen wieder in die Favoritenrolle bringen. Doch 13 Tage vor der Wahl läuft die Zeit für Gloria Macapagal-Arroyo. Das Momentum ist auf ihrer Seite.
Geld und Gewalt
Wahlhandlungen in den Philippinen sind mit vielen demokratischen Defiziten behaftet. Weit verbreitet ist nach wie vor der Stimmenkauf und die gekaufte Stimmenthaltung. Bis zu einem Drittel des Wahlkampfbudgets, so sagen Campaigner, fließen in den direkten Stimmenkauf. Üblich sind ferner “Addierungs- und Übertragungsfehler” im Auszählungsprozess.
Bei dieser Wahl existieren nun erstmalig engmaschigere Kontrollen, um Wahlbetrug vorzubeugen. Gewählt wird in ca. 200.000 Wahllokalen. Dabei zählen die Angehörigen verschiedener Camps gemeinsam aus. Die Ergebnisse werden dann addiert auf der Ebene der Gemeinden, Städte (Landkreise), Provinzen und auf der nationalen Ebene. Die dafür zuständige Behörde ist die Commission on Elections (COMELEC). Der gesamte Prozess wird von einer NGO, der National Movement of Free Elections (NAMFREL), überwacht. NAMFREL erhält auf allen Ebenen eine Kopie des festgestellten Ergebnisses und kann daher “Addierungs und Übertragungsfehler” identifizieren. NAMFREL verfügt ferner über die bessere Kommunikations- und Computer-Technologie und ist daher bei der Feststellung des Gesamtergebnisses eher “on time” als die Regierung.
Was jedoch bis zur Stimmabgabe geschieht, entzieht sich auch dem Einfluss von NAMFREL. Es muss davon ausgegangen werden, dass viele Wählerlisten nicht korrekt erstellt werden. Vielfach wird Stimmenthaltung gekauft. Gegen einen bestimmten Betrag erhalten die Betroffenen Tinte auf den Finger, was sie als Wähler kennzeichnet, und können dann an der Stimmabgabe nicht mehr teilnehmen. Bestimmtes Wahlverhalten (es wird Pausepapier ausgegeben, um dies zu dokumentieren) wird ebenfalls mit Geld belohnt. Ferner existieren “Interpretationsspielräume” bei der Auszählung.
Philippinische Wähler erhalten nur einen Blanco-Wahlzettel. Sie müssen darauf von Hand die Personen eintragen, die sie wählen wollen; und zwar nach den Kategorien: Präsident, Vizepräsident, Senatoren (12), Kongressabgeordneter, Party List, Gouverneur, Vizegouverneur, Member der Provincial Boards (maximal 8), Bürgermeister, Vizebürgermeister, Councilor (maximal 8). Die Wähler schreiben also bis zu 36 Namen auf den Wahlzettel. Viele Politiker legen sich daher Kosenamen zu. Im Zweifel wird eine Stimme dem populäreren Kandidaten zugeschlagen.
Besonders ärgerlich ist, dass ein bereits 1997 verabschiedetes Gesetz, nach dem der Wahlvorgang auf vorgedruckten und maschinenlesbaren Stimmzetteln stattfinden soll (Computerisierung), nach 1998 und 2001 auch im Jahre 2004 zum drittenmal hintereinander nicht umgesetzt wurde.
Aufgrund dieser Gemengelage kommt es während des Wahlkampfes, aber auch am Wahltag und danach immer wieder zu gewalttätigen Auseinandersetzungen. Darin sind meist politische Clans involviert, die in der patriarchisch-oligarischen philippinischen Gesellschaft ganze Regionen unter sich aufteilen und wirtschaftlich wie politisch zu dominieren versuchen. Auf der nationalen Ebene gibt es seit Mitte der neunziger Jahre kaum noch Todesopfer zu beklagen. Auf der regionalen und kommunalen Ebene ist Leib und Leben von Kandidaten, Campaignern und Wahlhelfern jedoch häufig bedroht. Der COMELEC-Bericht zu den Wahlen im Jahr 2001 kommt zu den Ergebnis: ”Die Wahl ist relativ friedlich verlaufen. Es sind nur 72 Todesopfer zu beklagen”. Dreizehn Tage vor der Wahl am 10. Mai 2004 verzeichnet die Polizei 69 wahlkampfbedingte Todesopfer.
Das Risiko eines knappen Wahlausgangs
Aufgrund des üblichen Wahlbetrugs sowie der von Gloria Macapagal-Arroyo vermittelten Botschaft, mit aller Macht die Wahl gewinnen zu wollen, hat die Opposition kommunikativ bereits die Interpretation durchgesetzt, dass ein knapper Wahlausgang zugunsten Gloria Macapagal-Arroyos nur aufgrund von Wahlbetrug zustande kommen kann. Analysten gehen davon aus, dass die Präsidentin einen Vorsprung von wenigstens 1 Million Stimmen (ca. 3 Prozent) benötigt, damit das Ergebnis von der Bevölkerung akzeptiert wird. Ansonsten, so sagen philippinische Experten, drohe ein Militärputsch.
Doch dies ist keineswegs zwingend. Zum einen wird vieles von den Aussagen NAMFRELs abhängen, zum anderen ist das Militär in zweierlei Hinsicht gespalten: Gloria Macapagal-Arroyo hat dort durchaus ihre Verbündeten und nicht alle militärischen Führer betrachten einen Putsch als legitimes Mittel zum Schutz der Verfassung. Trotzdem dürfte ein knapper Wahlausgang zu einer gespannten innenpolitischen Lage führen – mit ungewissem Ausgang.
Statistik
Der 10. Mai ist ein “großer Wahltermin”. Gewählt werden:
- der Präsident (Amtszeit 6 Jahre). Er kann nicht wiedergewählt werden. Gloria Macapagal-Arroyo stellt eine Ausnahme dar, da sie 1998 zur Vizepräsidentin gewählt wurde und nur durch das Impeachment Estradas ins Amt gekommen ist.
- der Vizepräsident (Amtszeit 6 Jahre). Er kann nicht wiedergewählt werden.
- 12 Senatoren (die Hälfte des Senats, Amtszeit 6 Jahre). Senatoren können einmal wiedergewählt werden.
- 223 Kongressabgeordnete (Amtszeit 3 Jahre). Sie können zweimal wiedergewählt werden.
- 53 Kongressabgeordnete durch der sogenannte Party List (gesellschaftliche Organisationen, kleinere Parteien). Sie können zweimal wiedergewählt werden.
- Gouverneuere, Vizegouverneuere und Member des Provincial Boards in 79 Provinzen (Amtszeit 3 Jahre). Sie können zweimal wiedergewählt werden.
- Bürgermeister, Vizebürgermeister, Councilors in 2.258 Städten und Landkreisen (Amszeit 3 Jahre), sie können zweimal wiedergewählt werden.
- Gouverneuere, Vizegouverneuere und Member des Provincial Boards in 79 Provinzen (Amtszeit 3 Jahre). Sie können zweimal wiedergewählt werden.
- Bürgermeister, Vizebürgermeister, Councilors in 2.258 Städten und Landkreisen (Amszeit 3 Jahre), sie können zweimal wiedergewählt werden.
Insgesamt sind 17.729 Positionen zu besetzen. Über 100.000 Kandidaten stehen zur Wahl. Rund 42,3 Millionen Wähler haben sich registrieren lassen, davon 360.000 Over Sea Workers, die zum ersten Mal wahlberechtigt sind. Rund 5 Millionen Wähler gehören der Mittel- und Oberschicht an. Die restlichen Wähler zählen zu den “armen” und “sehr armen” Bevölkerungsschichten. Nicht gewählt wird die zweite Hälfte des Senats (nächster Wahltermins 2007) und die 42.000 Gemeindevorsteher (Wahltermin Mai 2005).
Update
Eine Umfrage unter Wählern am Wahltag hat für die Präsidentschaftswahlen in den Philippinen folgendes Ergebnis erbracht:Gloria Macapagal-Arroyo | 41% |
Fernando Poe, Jr. | 32% |
Panfilo Lacson | 9% |
Raul Roco | 5% |
Eduardo Villanueva | 5% |
keine Angaben | 8% |
Die statistische Fehlerwahrscheinlichkeit wird mit 2% angegeben. Insgesamt wurden 4.627 Wähler befragt. Diese Befragung liegt im Trend der Umfragen. Danach führte GMA unmittelbar vor der Wahl mit ca. 6%-7%.
Aufgrund des Stimmensplittings zwischen Fernando Poe, Jr. und Panfilo Lacson in Metro Manila scheint GMA überraschenderweise sogar in der Hauptstadt zu gewinnen. Die anderen Provinzen der nördlichen Insel Luzon haben mehrheitlich für Fernando Poe, Jr. gestimmt, während GMA die Mehrheit der Stimmen in der Visayas-Region und im südlichen Teil des Landes erreichen konnte.
Bei der Wahl des Vizepräsidenten zeichnet sich ein deutlicher Vorsprung für Noli de Castro ab, den Kandidaten der Administration.
Verlässliche Trends auf der Basis tatsächlich ausgezählter Stimmen sind nicht vor dem Wochenende zu erwarten. Am Mittwoch morgen waren erst ca. 1,7 Millionen der insgesamt rund 33 bis 35 Millionen abgegebenen Stimmen (Wahlbeteiligung rund 80%) ausgezählt. Hochrechnungen gibt es auf den Philipp inen nicht.
Insgesamt scheint es so, dass die Wahlen weitgehend ordnungsgemäß über die Bühne gegangen sind. Dennoch ist damit zu rechnen, dass in verschiedenen Regionen im Laufe der Zeit Unregelmäßigkeiten zu Tage treten. Von diesen Anklagen dürfte die Regierung aufgrund des höheren Organisationsgrades stärker betroffen sein als die Opposition.
Wahlbetrug ist jedoch mittlerweile durch das engmaschige Monitoring der National Movement for Free Elections (NAMFREL), die auch die Ergebnisse eines jeden Stimmbezirks erhält, nach Abgabe der Stimmen stark eingeschränkt. Allerdings existieren vielfältige Manipulationsmöglichkeiten bis zur Stimmabgabe, durch Stimmenkauf, Kauf von Wahlenthaltung oder unverschlossene Urnen.
Kein Wunder also, dass die Opposition unmittelbar nach Bekanntgabe der Wahltagsumfrage die Regierung des massiven Wahlbetrugs bezichtigt hat. Die Kampagne erhält jedoch im Augenblick wenig Unterstützung von der Gesamtbevölkerung und den Medien. Dennoch sind die Sicherheitmaßnahmen in Metro Manila noch einmal erhöht worden. Es wurden die höchsten Warnstufen für die Gefahr eines Coups und für terroristische Attacken ausgerufen.
Die Anzahl der unmittelbar durch die Wahl und den Wahlkampf verursachten Todesopfer ist bis einschließlich Montag auf 116 angestiegen. Man wird auf den Philippinen wieder festhalten, dass die Wahlen “relativ friedlich” verlaufen sind.