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Bei den französischen Regionalwahlen droht Premierminister Raffarin eine Niederlage

von Dr. Norbert Wagner
Noch vor ein bis zwei Wochen konnte Premierminister Jean-Pierre Raffarin mit einem einigermaßen guten Ergebnis bei den am 21. und 28. März anstehenden Regionalwahlen rechnen. Seitdem haben sich die Wahlaussichten für das von ihm geführte bürgerliche Lager deutlich eingetrübt.

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Protestwahl?

Rund die Hälfte der Wähler äußerte in einer Umfrage vor wenigen Tagen den Wunsch, dass Raffarin sein Amt als Premierminister aufgibt. Nicht einmal 20% wünschten, dass er in seinem Amt verbleibt. Rund die Hälfte der Wähler weiß noch nicht, ob sie am nächsten und übernächsten Sonntag überhaupt wählen wird und, falls doch, wem sie die Stimme geben will. Ein großer Teil der Wähler gedenkt offenbar, die Regionalwahlen zur Bekundung ihres Protests gegen die Regierung Raffarin zu nutzen.

Stimmungsumschwung

Dieser Stimmungsumschwung ist nur schwer zu erklären. Die anhaltenden Proteste der Wissenschaftler dürften eine gewisse Rolle spielen. Ebenso das weiterhin ungünstige wirtschaftliche Klima. Doch hat Premierminister Raffarin in den vergangenen Wochen keine gravierenden Fehler gemacht. Aber selbst er scheint nicht mehr mit einem günstigen Ergebnis bei den Regionalwahlen zu rechnen. In der Ausgabe von Le Figaro vom 15. März erklärt er vorsichtshalber die Regionalwahlen zu einem Ereignis, das regionale Bedeutung habe und die nationale Ebene weniger berühre.

Gleichwohl hängt vom Ausgang der Regionalwahlen die Zukunft des Premierministers und seiner bürgerlichen Mehrheit ab. Maßstab dürfte dabei nur am Rande das zusammengefasste nationale Ergebnis in den einzelnen Regionen sein. Das kann ohnehin nur schwer auf die nationale Ebene hochgerechnet werden.

Ausschlaggebend für die Beurteilung des Wahlergebnisses dürften vielmehr folgende Faktoren sein:

  • Wahlbeteiligung

    Das Desinteresse an den Regionalwahlen ist noch sehr hoch. Mit 35-40% Wahlenthaltung muss gerechnet werden. Wer sich in letzter Minute dennoch entschließt, zur Wahl zu gehen, dürfte die Absicht hegen, der Regierung eine Lektion zu verpassen. Listen, welche die Möglichkeit bieten, eine Proteststimme abzugeben, gibt es ausreichend, von extrem Links bis extrem Rechts.

  • Front National

    Der Front National könnte von dieser Stimmungslage profitieren. Die Umfragen sehen den FN zwischen 10 und 15%. Gewöhnlich unterschätzen Umfragen aber die tatsächliche Bereitschaft der Wähler, FN zu wählen. Für den FN zählt indes, wie auch für die übrigen kleineren Parteien, weniger das durchschnittliche Ergebnis auf nationaler Ebene. Für ihn ist es viel wichtiger, in einer oder in zwei Regionen im ersten Wahlgang in die zweite oder gar erste Position zu gelangen und im zweiten Wahlgang möglichst eine Region zu gewinnen.

    Dies könnte am ehesten möglich sein in der Region Provence-Alpes-Côtes d’Azur (PACA). Aber auch in der Region Ile-de-France oder im Elsass ist es denkbar, dass der FN zumindest im ersten Wahlgang an die zweite oder dritte Stelle gelangen kann. Der Gewinn auch nur einer Region und/oder ein zweiter Platz in einer der Schlüsselregionen wäre für den FN das „Traumergebnis“.

  • Bruderkampf UMP – UDF

    Während es die Wahlkämpfer schwer haben, regionale Themen im Wahlkampf in den Vordergrund zu rücken, ist die Auseinandersetzung zwischen UMP und UDF zum interessantesten Thema dieses Wahlkampfes geworden. Denn nur in sechs der 22 Regionen Frankreichs treten UMP und UDF im ersten Wahlgang mit einer gemeinsamen Liste an. Zwei Regionen, in denen beide mit getrennten Listen antreten, haben dabei das größte Interesse auf sich gezogen: die Region Ile-de-France und die Region Aquitaine.

    In der Region Ile-de-France tritt Regierungssprecher Jean-François Copé von der UMP gegen den populären UDF-Politiker André Santini an. Nach dem Eindruck in den Medien geht es im Großraum Paris um eine Auseinandersetzung zwischen diesen beiden Politikern. Der sozialistische Kandidat tritt kaum in Erscheinung. Dennoch kämpfen Copé und Santini lediglich um den zweiten Platz im ersten Wahlgang und damit um den Anspruch, im zweiten Wahlgang die beabsichtigte gemeinsame Liste UMP/UDF anführen zu dürfen. Ob sie dann aber noch Aussichten haben, den weit voran liegenden sozialistische Kandidaten abzufangen, ist mehr als fraglich.

    Auch die Region Aquitaine wird von einem Bruderkampf UMP gegen UDF beherrscht. Aber auch hier haben zwei getrennte Listen gegen den sozialistischen Amtsinhaber praktisch keine Chance. François Bayrou hat sich seine Heimatregion jedoch auserkoren, um seinen Anspruch auf höhere Ämter, die in nächster Zeit zu vergeben sein werden, wieder einmal zu testen. Nach recht gutem Start scheint die Unterstützung für Bayrou in der Aquitaine in den letzten Wochen etwas an Schwung verloren zu haben. Es könnte gut sein, dass er sich dort mit dem dritten Platz zufrieden geben muss.

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8. März 2004
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