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Länderberichte

Besuch von US-Präsident Clinton

von Prof. Dr. Gert W. Kück

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  • Teststopabkommen (CTBT) und Nichtweitervergabe von Kernwaffen sowie eine Vermittlerrolle der USA im Kashmirkonflikt nicht im Mittelpunkt

  • Allgemeine politische Atmosphäre zwischen den USA und Indien verbessert

  • Verstärkung der wirtschaftlichen und technischen Zusammenarbeit vereinbart

  • Premier Vajpayee von Clinton in die USA eingeladen

Ergebnisse des Besuches

Angesichts des enormen finanziellen und personellen Aufwands für den Besuch scheinen die realen Ergebnisse des Besuches von US-Präsident Clinton eher mager. Nach der Rückkehr in die USA machte er auf einer Zusammenkunft der Demokratischen Partei seinem Unmut Luft, indem er die Republikaner beschuldigte, ihn wegen mangelnder Ergebnisse seiner Südasienreise jetzt zu kritisieren, vorher aber durch ihre Verweigerungshaltung im US-Senat im Hinblick auf die Ratifizierung des Atomteststopabkommen seine Bemühungen um die Durchsetzung des CTBT und die Verminderung der Spannungen zwischen Indien und Pakistan unterminiert zu haben.

Obwohl somit die von den Vereinigten Staaten gewünschten zentralen Themen - wie der Beitritt Indiens zum CTBT und Probleme der Nichtweitervergabe von Kernwaffen sowie eine Vermittlerrolle der USA im Kashmirkonflikt - während des Staatsbesuches von US-Präsident Clinton in Indien nicht im Mittelpunkt der Gespräche standen, sollte die Wirkung des Besuches keinesfalls unterschätzt werden:

  • Ohne Zweifel setzte der Besuch ganz neue Akzente im Hinblick auf die allgemeine politische Atmosphäre zwischen den USA und Indien,

  • gab der Schaffung besserer Voraussetzungen für die wirtschaftliche und technische Zusammenarbeit - insbesondere auf dem Gebiet der Informationstechnologie und im Energiesektor - wichtige Impulse,

  • legte den Grund für amerikanisch-indische Initiativen zur Bekämpfung von Tuberkulose, Malaria und AIDS,

  • und wird - mit Ausnahme bestimmter strategisch wichtiger Technologien - den weiteren schrittweisen Abbau der im Gefolge der indischen Nukleartests vom Mai 1998 ausgesprochenen amerikanischen Wirtschaftssanktionen zur Folge haben.

Als weitere wichtige Ergebnisse sind zu nennen:

  • daß regelmäßig Gipfeltreffen der Spitzenpolitiker beider Länder sowie jährliche Dialoge über Außenpolitik und Fragen der internationalen Sicherheit stattfinden sollen,

  • daß die derzeitige indische Haltung zum CTBT von den USA als gegeben akzeptiert wird, jedoch die USA in ihrem Druck auf Indien nicht nachlassen werden, den CTBT zu unterzeichnen,

  • daß die Line of Control von beiden Seiten als unantastbar angesehen wird, wobei die USA sich der indischen Sicht angenähert haben, daß die Verletzungen der LoC von Pakistan ausgehen,

  • daß die USA, wie im Vorfeld des Besuches bereits mehrfach offiziell erklärt, nicht mehr auf eine Vermittlerrolle im Kashmirkonflikt reflektieren, aber ihre Bereitschaft aufrechterhalten, zur "Erleichterung" eines möglichen Dialogs zwischen Indien und Pakistan beizutragen,

  • daß die indische Besorgnis über terroristische Aktionen von den USA geteilt wird und daß die USA eine entsprechende Warnung an Pakistan ausgesprochen haben,

  • daß die USA sich mit umfangreichen Krediten an der Milderung der Umweltprobleme Indiens, insbesondere zur Reduzierung der Luftverschmutzung, beteiligen wollen.

Von indischer Seite wird der Besuch Clintons überwiegend als Triumph konsequent an den nationalen Interessen orientierter außen- und sicherheitspolitischer Grundsätze und als Beweis der Richtigkeit der Politik der BJP-geführten Koalitionsregierung unter Premier Vajpayee gewertet. Möglich geworden sei dies infolge des durch die Nukleartests vom Mai 1998 international und besonders bei den USA ausgelösten Wahrnehmungseffektes zugunsten Indiens, mehr jedoch noch als Folge der Anerkennung der besonnenen Politik New Delhis im Kargil-Konflikt, vor allem der Entscheidung, die Line of Control nicht zu überschreiten.

Während des Besuches von Präsident Clinton wurden ein sogenanntes "Vision Statement", das als Hauptziel die Herbeiführung engerer Beziehungen zwischen den "beiden größten Demokratien der Welt" nennt, und mehrere Absichtsabkommen zur Verstärkung der wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Zusammenarbeit, insbesondere auf dem Gebiet der Informationstechnologie unterzeichnet.

An Premierminister Vajpayee sprach Clinton eine Einladung zum Besuch der Vereinigten Staaten aus.

Nach anfänglichem, auch offiziell geäußertem Unverständnis über die Absicht des US-Präsidenten, auch in Islamabad Gespräche zu führen, setzte sich schließlich in Indien die Meinung durch, daß die Entscheidung darüber schließlich Sache der USA sei. Wie vor seinem Indienaufenthalt angekündigt, landete Clinton nach Beendigung seines Besuches in Indien auf einem pakistanischen Militärflugplatz in der Nähe von Islamabad, um zu einer lediglich mehrstündigen Unterredung mit General Pervaiz Musharraf, dem Chef des pakistanischen Militärregimes, zusammenzukommen.

Letztlich wurde als großer Erfolg für Indien angesehen, daß Präsident Clinton sich in New Delhi wie in Islamabad sehr kritisch über die derzeitige politische Situation des ehemals einseitig bevorzugten Bündnispartners Pakistan geäußert und General Musharraf eindeutig seine Ablehnung der gegenwärtigen Gegebenheiten und Machtstrukturen in Pakistan demonstriert hat.

Währenddessen wächst die Besorgnis in Indien, daß der nur als Stippvisite zu kennzeichnende Zwischenaufenthalt Clintons in Pakistan, der sowohl von den dortigen Machthabern als auch von einem großen Teil der pakistanischen Öffentlichkeit nicht nur als Brüskierung des Militärregimes in Islamabad, sondern ganz Pakistans aufgefaßt wird, zu einer Zunahme terroristischer Akte an der LoC in Jammu und Kashmir und in anderen Teilen Indiens führen wird.

Grundpositionen Clintons und Vajpayees

Ein am 20. März 2000 in der Times of India unter dem Titel "Restraint, Respect, Dialogue" veröffentlichter Grundsatzartikel Clintons enthält folgende Kernsätze, die auch seine Rede vor dem indischen Parlament am 22. März 2000 bestimmten:

"Mit einem Fünftel der Weltbevölkerung, mit seinen demokratischen Traditionen, mit dem Aufkommen wirtschaftlicher Offenheit und wissenschaftlichen Fortschritts, hat Südasien das Potential, in den nächsten fünfzig Jahren eine der international größten Erfolgsgeschichten zu schreiben. Aber ... in keiner anderen Region überschneiden sich so viele kritische Probleme so dramatisch ... In den 52 Jahren seit der Unabhängigkeit hat Indien eine bemerkenswerte politische, soziale und wirtschaftliche Transformation durchlaufen ...

Es ist ein Land von außerordentlicher Vielfalt, das die Welt gelehrt hat, wie man mit Unterschieden lebt. Hunderte Millionen Inder wählen ihre Führer in freien Wahlen und bestimmen ihre Angelegenheiten durch Organe der lokalen Selbstverwaltung mit. Indiens Wirtschaft ist eine der zehn am schnellsten wachsenden in der Welt ...

Die USA und Indien teilen gemeinsame Werte und Ziele. Mehr als 1,5 Millionen amerikanische Bürger wurden in Indien geboren oder haben dort ihre Vorfahren, sie sind außerordentlich erfolgreich und rangieren hinsichtlich Bildung und Einkommen an der Spitze aller ethnischen Gruppen der USA. Nach 50 Jahren vergebener Chancen ist es Zeit, daß Amerika und Indien bessere Freunde und stärkere Partner werden."

Clinton fuhr dann fort: "Die 1998 von Indien und nachfolgend von Pakistan durchgeführten Kerntests haben die Welt erschüttert und die weltweite Besorgnis über die Ausbreitung und die mögliche Anwendung von Nuklearwaffen verstärkt. Nur Indien und Pakistan können entscheiden, wie sie ihre Sicherheit schützen. Indem sie das tun, hoffe ich, daß sie sich fragen: Sind sie heute sicherer als vor der Erprobung von Nuklearwaffen? Werden sie aus der Ausweitung ihrer Nuklear- und Raketenkapazität Nutzen ziehen, wenn das ihre Nachbarn dazu veranlaßt, dasselbe zu tun? Können sie ihre Ziele der wirtschaftlichen Entwicklung erreichen, wenn sie ständig in die nukleare wie in die konventionelle Rüstung investieren? Werden sie am Ende einer unter Umständen langen, unvorhersehbaren und teuren Reise besser dastehen?...

Ich bin überzeugt, daß die Vereinigten Staaten den Atomtest-Stopvertrag unterzeichnen sollten, weil das unsere nationale Sicherheit stärken wird. Indien und Pakistan sollten den Vertrag aus den gleichen Gründen unterzeichnen. Zu einer Zeit, da die USA und Rußland sich auf eine starke Verringerung ihrer nuklearen Arsenale hin bewegen, sollte Südasien nicht die entgegengesetzte Richtung einschlagen... Ich glaube auch, daß Indien und Pakistan keine wirkliche Sicherheit erreichen können, wenn sie nicht den Dialog zur Lösung ihrer Spannungen wieder aufnehmen. Ich habe nicht die Absicht, im Streit zwischen Indien und Pakistan zu vermitteln. Amerika kann diese Rolle nicht spielen, wenn nicht beide Partner es wollen. Aber ich fordere dringend dazu auf, Zurückhaltung zu üben, die Line of Control zu respektieren und neue Wege der Kommunikation zu finden. ...

Zu General Musharraf und dem pakistanischen Volk werde ich direkt sprechen und die Schritte nennen, die wir für eine hoffnungsvolle Zukunft Pakistans für wichtig halten: eine rasche Rückkehr zur Demokratie, ein scharfes Durchgreifen gegenüber terroristischen Gruppen, Zurückhaltung bei den Nuklear- und Raketenprogrammen und wirkliche Anstrengungen zur Schaffung der Bedingungen für einen Dialog mit Indien. Wenn Pakistan diese Schritte unternimmt, können wir auf den Weg der Partnerschaft (mit diesem Land) zurückfinden."

In seiner ausgesprochen kurzen Antwortrede im Parlament am 22. März 2000 kennzeichnete Premierminister Vajpayee Indien und die USA als "natürliche Alliierte". Weiter unterstrich er, die Entscheidung seiner Regierung, an einer "minimalen nuklearen Abschreckung festzuhalten" beruhe auf einer "realistischen Einschätzung unserer Sicherheitszwänge und -erfordernisse" und ändere nichts an der Entschlossenheit Indiens, seine traditionelle, durch Zurückhaltung und Verantwortung gekennzeichnete Politik fortzusetzen. "Wir haben gelernt, daß Abschreckung nicht allein darin bestehen kann, Zwischenfälle oder Fehleinschätzungen zu vermeiden, und in einem nuklearen Umfeld gibt es nichts gefährlicheres als zu glauben, es bestünde keine Gefahr."

Zum Verlauf des Besuches

Der Besuch Clintons war die erste Staatsvisite eines amerikanischen Präsidenten nach 22-jähriger Unterbrechung. Clinton war am späten Abend des 19. März 2000 in New Delhi eingetroffen und flog am nächsten Morgen, an dem vor allem in Delhi und im gesamten Norden Indiens das Frühlingsfest Holi gefeiert wurde, zu einem eintägigen Staatsbesuch nach Bangladesh weiter. Seine Tochter Chelsea und seine Schwiegermutter nahmen währenddessen an den Holi-Feierlichkeiten des ehemaligen Maharadja von Jodhpur teil, wohin sie von Außenminister Jaswant Singh, anderen indischen Politikern und führenden Mitgliedern der amerikanischen Delegation - wie dem Kopf der Indien-Lobby Senator Garry Ackerman - begleitet wurden.

Der offizielle Teil des Indienbesuches von Clinton fand am 21. und 22. März in Delhi statt (Begrüßung durch den indischen Präsidenten Narayanan, Kranzniederlegung am Verbrennungsplatz Mahatma Gandhis, Gespräche mit Premierminister Vajpayee und der Oppositionsführerin Sonia Gandhi, Ansprache vor beiden Kammern des indischen Parlaments). Danach besuchte er Agra und Jaipur (das Taj Mahal, wo er extra ein umweltschonendes Elektromobil benutzte, eine Milchkooperative, das berühmte Amer-Fort und ein Tigerreservat), die Hi-Tec City von Hyderabad (auf Einladung von N. Chandrababu Naidu, des einflußreichen und aktiven Ministerpräsidenten des Unionsstaates Andhra Pradesh und Vorsitzenden dem einflußreichen Regionalpartei Telugu Desam, eines wichtigen Koalitionspartners der BJP) und schließlich mit Mumbai (Bombay) die Wirtschaftsmetropole Indiens. Die indischen Behörden organisierten umfangreiche Aufräumungsaktionen, um den vielerorts lagernden Unrat zu beseitigen, Straßen zu reparieren und um - zum Teil in der Art Potemkinscher Dörfer - die besuchten Städte und Orte aufzupolieren.

In Begleitung Clintons waren führende Mitglieder seiner Regierung, wie Außenministerin Madeleine Albright und Handelsminister William Daley sowie eine große Gruppe von Politikern, Beamten und Beratern, über 200 Journalisten und zahlreiche Wirtschaftsvertreter.

Nach hier veröffentlichten Berichten amerikanischer und indischer Zeitungen betrugen die Kosten des Clintonbesuches in Indien, Bangladesh und Pakistan rund 50 Mio. US-Dollar. Neben der Präsidentenmaschine Air Force One waren 77 weitere Flugzeuge der US-Luftwaffe im Einsatz, davon 26 Großraumfrachter. Zur gleichen Zeit waren, wie trotz der Euphorie über den Staatsbesuch kritisch vermerkt wurde, nur ein Dutzend amerikanische Militärmaschinen zur Bekämpfung der Flutkatastrophe in Mozambique. Eingeflogen wurde so ziemlich alles, von mehreren Hubschraubern und 30 gepanzerten Autos über mehre hunderte Sicherheitsbeamte und Marinesoldaten bis hin zu Möbeln, Speisen aller Art und Mineralwasser. Zwei Spionagesatelliten überwachten das gesamte Besuchsgebiet.

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Peter Rimmele

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