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Das Saakaschwili-Drama: Dritter Akt

Um die Welt gingen am 5. Dezember die Bilder von Michail Saakaschwili, dem ehemaligen Präsidenten Georgiens und bis 2016 Gouverneur des Oblast Odessa, wie er von ukrainischen Sicherheitskräften aus seiner Wohnung in Kiew abgeführt und später aus einem Polizeiwagen von seinen Anhängern herausgezogen wurde. Diese hatten zuvor den Wagen blockiert und dessen Reifen aufgeschlitzt, sodass er zum Stehen kam. Chronologisch wäre dies wohl das Ende des „Zweiten Aktes“ mit Szenen aus dem ukrainischen Wirken von Michail Saakaschwili.

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Mikheil Saakashvili-Graffiti in Tiflis, Georgien | © Marco Fieber / Flickr / CC BY-NC-ND 2.0 © Marco Fieber / Flickr / CC BY-NC-ND 2.0
Mikheil Saakashvili-Graffiti in Tiflis, Georgien | © Marco Fieber / Flickr / CC BY-NC-ND 2.0

Saakaschwilis Wandel vom Gouverneur zum Revolutionär. Poroschenko reagiert hilflos

Vorausgegangen waren nach seinem Weggang aus Odessa die Gründung der politischen Partei „Bewegung der neuen Kräfte“, die Aberkennung seiner ukrainischen Staatsbürgerschaft während einer Reise in die USA im Juli sowie sein illegaler Grenzübertritt als Staatenloser am 17. September. Seit Mitte Oktober unterhält Saakaschwili ein Protestzeltlager mit Anhängern vor der Verchovna Rada, dem ukrainischen Parlament. Das Zeltlager blockiert eine wichtige Verkehrsader in der Innenstadt, was seit Wochen zu erheblichen Staus führt. Was Mitte Oktober als Protestbewegung verschiedener Oppositionsparteien und der Zivilgesellschaft begann, wurde sehr schnell zur alleinigen Sache von Saakaschwili gegen Präsident Poroschenko. Anfangs ging es bei den Protesten noch um die Verabschiedung eines neuen Wahlrechts, die Einsetzung eines Antikorruptionsgerichts und die Aufhebung der Immunität von Abgeordneten. Die ersten beiden Forderungen werden bereits seit Mitte 2014 von der Zivilgesellschaft und westlichen Geberorganisationen erhoben. Seit einigen Wochen aber steht nur noch die Forderung nach der Einleitung eines Amtsenthebungsprozesses gegen den ukrainischen Präsidenten im Raum. Dieser ließ seinen ehemaligen Weggefährten all die Wochen gewähren und nahm sogar das Protestlager an einem sehr sensiblen Standort in Kauf. Offensichtlich hat Saakaschwili aber letzten Sonntag eine „rote Linie“ überschritten, als er seine Anhänger zur Blockade vom Amtssitz des Präsidenten aufrief.

Generalstaatsanwaltschaft erhebt schwere Vorwürfe gegen Saakaschwili

Wie geht es nun weiter im Dritten und voraussichtlich letzten Akt? Noch am Nachmittag des 5. Dezember wurden Vorwürfe seitens der Staatsanwaltschaft gegen Saakaschwili laut, er habe 500.000 USD von dem derzeit in Russland lebenden Oligarchen Kurtschenko erhalten, hierzu wurden Audiomitschnitte in der Verchovna Rada präsentiert. Die Anschuldigungen sind erheblich, die Rede ist von Verrat an der Ukraine, welche sich in einem Krieg mit Russland befindet. Die Mitschnitte und weitere Dokumente müssen noch, so verlangen es die Botschafter der G7, verifiziert werden. Saakaschwili selbst hat dazu bisher nur geäußert, er kenne Herrn Kurtschenko nicht.

Niedrige Zustimmungswerte für die „Bewegung der neuen Kräfte“

Am 6. Dezember kam die Meldung, Saakaschwili habe einen Raum im Hotel „Kiew“ in der Nähe des Parlaments in Beschlag genommen und ließe sich dort von kampfbereiten Anhängern bewachen. Seine enge Anhängerschaft wird für das ganze Land mit einigen Hundert Personen angegeben. Die Zustimmung für ihn und seine Partei liegt nach neuesten Umfragen allerdings nur bei 1,7 Prozent und ist seit Mai 2017 lediglich um 0,5 Prozent gestiegen. Das ist wenig vor dem Hintergrund dessen, dass er spätestens seit Mitte September sehr präsent in den Medien war. Als Oppositionspolitiker ist er häufiger Gast in ukrainischen Talkshows.

Was will Saakaschwili?

In seinen Auftritten geht es vor allem um eins: Poroschenko muss weg. Er, Saakaschwili, wäre der richtige an der Macht. Unklar bleibt dabei immer, welche Alternativen er anzubieten hat. Hierzu passt ein mittlerweile häufig zitierter Satz aus einem am 4. Dezember gegebenen Interview: „Ein revolutionärer Erfolg ist für einen Politiker besser als Sex“. Der Journalist Vitalij Portnikov nennt ihn einen „ewigen, brennenden Revolutionär“.

Wie die Ukrainer Saakaschwili sehen. Neueste Umfragewerte zu den Parteien

Saakaschwili wird in der Ukraine noch immer als „Fremder“ wahrgenommen, außerdem habe man „genug eigene Hitzköpfe“ in der Politik. Er würde es also schwer haben, sich weiter zu etablieren. Einen dritten „Maidan" (nach 2004 und 2013/14) würde die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung auch nicht unterstützen. Es besteht der starke Wunsch nach klaren Verhältnissen zur Fortsetzung der zaghaft begonnenen Reformen. Ein erneuter Umsturz hätte unkalkulierbare Risiken. Dazu kommt, dass das Vertrauen der Bevölkerung in die Politik, egal ob Regierung oder Opposition, generell auf einem historischen Tiefstwert angelangt ist. Hohes Vertrauen genießen an erster Stelle die Kirche, die Armee, freiwillige Helfer und Organisationen der Zivilgesellschaft. Gleichzeitig zeigen aktuelle Umfragen von vier renommierten Meinungsforschungsinstituten unter 20.000 Befragten, dass die etablierten Parteien BPP (Poroschenko) und Batkiwschtschina (Timoschenko) mit jeweils 15,4 Prozent und 16,0 Prozent sich bei Parlamentswahlen weiter an der Spitze halten würden.

Anti-Korruptionsermittlungen werden behindert.

Das Vorgehen von Poroschenko gegen Saakaschwili wirft gleichermaßen viele Fragen auf. Die Aberkennung der Staatsbürgerschaft war ein Akt der politischen Willkür. Andere Oppositionspolitiker und „zwielichtige Gestalten“ wie der Bürgermeister von Odessa werden trotz massiver Proteste nicht angetastet.

Die Auseinandersetzung mit Saakaschwili fällt auch in eine Zeit, in der die Generalstaatsanwaltschaft gegen das Nationale Antikorruptionsbüro (NABU) vorgeht. Unabhängige Ermittlungen durch NABU sollen eingeschränkt werden. In der Nacht vom 6. auf den 7. Dezember konnte gerade noch verhindert werden, dass ein Gesetzentwurf auf die Tagesordnung kam, welcher NABU einer verstärkten Kontrolle durch Parlament und Präsident unterworfen hätte. Dem Präsidenten wird seit langem vorgeworfen, viel zu wenig im Kampf gegen die Korruption zu tun und sich im Gegenteil während seiner Präsidentschaft weiter bereichert zu haben.

Fazit

Momentan befinden sich Poroschenko und Saakaschwili, zwei alte Freunde aus Studienzeiten, in einer lose-lose-Situation. Beide haben in dieser Auseinandersetzung an Ansehen verloren. Die Politik in der Ukraine diskreditiert sich weiter und läuft Gefahr, Vertrauen im Westen zu verlieren und Schadenfreude im Osten zu erzeugen. Die ukrainische Politik muss endlich zu einer neuen Nüchternheit kommen, mit überzeugenden Strategien die Menschen für sich einnehmen und somit den allgegenwärtigen Populisten die Grundlage entziehen. Saakaschwili ist einer davon, andere stehen in den Startlöchern. Der „Dritte Akt“ wird noch gespielt, das politische Drama um Saakaschwili ist noch nicht zu Ende.

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Gabriele Baumann

Gabriele Baumann

Leiterin des Projekts Nordische Länder

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