Länderberichte
Der Manantali-Staudamm, der 1988 unter Leitung der gemeinsam gegründeten „Organisation pour la Mise en Valeur du Fleuve“ (OMVS) fertiggestellt wurde, staut den Senegalfluss in Mali, etwa 1200km flussaufwärts. Zu dem Großprojekt gehört noch ein weiterer Staudamm, der Diama-Staudamm, der sich in der Nähe der senegalesischen Küste befindet und 1987 betriebsfertig wurde.
Die Anlage besteht aus einem Süßwasserreservoir, das die Bewässerung der umliegenden semiariden Gebiete mit einer Fläche von 375 000 ha dient, und einem Wasserkraftwerk, das sowohl den Strom für die Bewässerungspumpen liefert, als auch eine Leistung von 66 Megawatt an die Stromnetze der drei Länder liefern soll. Der Anteil am Gesamtstrom im senegalesischen Netz soll nach dem Hochlauf 15% betragen.
Macky Sall, der senegalesische Minister für Bergbau, Energie- und Wasserwirtschaft, erhofft sich von der zusätzlichen Energiequelle eine Stärkung der Industrie. Bis heute ist Senegal bei der Stromerzeugung völlig von Öl-Importen abhängig. Der Maschinenpark der staatlichen Stromgesellschaft Senelec (Sénégalaise de l'électricité) besteht zudem hauptsächlich aus veralteten Gasturbinen, die ausschließlich mit den teuren Treibstoffen Diesel oder Kerosin betrieben werden. Die Kosten für eine KWh aus in diesen Anlagen ist dreimal so hoch wie der von Strom aus Anlagen, die mit Schweröl betrieben werden.
Fraglich bleibt jedoch, ob die Verbraucher von den zusätzlichen günstigen Stromkapazitäten des Manantali-Kraftwerks profitieren werden. Denn der Bau des Staudamms, der unter anderem von der Weltbank und der Europäischen Union mit Krediten unterstützt wurde, muss sich in den nächsten Jahren amortisieren, so dass die Auswirkung auf den Strompreis noch nicht vorhersehbar ist. Darüber hinaus strebt die Regierung seit einiger Zeit eine Privatisierung der Senelec an, die jedoch zweimal in den Vertragsverhandlungen stecken geblieben ist. Der Energiewirtschaft des Landes steht vermutlich noch eine unruhige Zeit bevor.
Auch in den politischen Beziehungen der Länder, vor allem zwischen Senegal und Mauretanien, kommt es des öfteren zu Unstimmigkeiten, die die Zusammenarbeit blockieren.
Die politischen Konflikte, die um die wirtschaftliche Nutzung des Senegalflusses entbrannten, führten bereits 1989 nach Fertigstellung des Staudamms zu einem Projektstopp, so dass sich der Bau des dazugehörigen Wasserkraftwerks um einige Jahre verzögerte.
Neuen Zündstoff bekamen die Konflikte im Jahr 2000, als der neugewählte Präsident Senegals, Abdoulaye Wade, ohne Konsultation der beiden anderen Länder seinen Plan vorstellte, Wasser des Senegalflusses in die „vallées fossiles“ (Urstromtäler) seines Landes umzuleiten, um diese zu bewässern. Dieser Vorstoß stellte einen Bruch der Abkommen von 1972 dar und veranlasste den mauretanischen Präsidenten, eine Ausweisung senegalesischer Staatsbürger aus Mauretanien anzuordnen. Eine Charta, die im Mai dieses Jahres verabschiedet wurde, soll das Vertrauen nun dauerhaft wiederherstellen.
Obgleich sich immer wieder Investoren fanden, die von der positiven Einflüssen des Staudamms auf die Entwicklung des Landes überzeugt sind, häuft sich die Kritik an dem Projekt.
Die Effizienzsteigerung in der Landwirtschaft hinkt den Erwartungen hinterher. Bis heute kann die eigene Ernte nur 20-25% des Reiskonsums im Senegal decken. Damit bleibt Senegal Afrikas zweitgrößter Reisimporteur. Darüber hinaus scheint es vielen fragwürdig, ob die Bewässerung derart verschwenderisch für den Anbau ein Getreides verwendet werden sollte, das besonders feuchten Boden braucht.
Vor allem NGOs beklagen die sozialen und ökologische Folgen der neuen landwirtschaftlichen Großproduktion. Viele ehemals selbständige Bauern wurden in die Abhängigkeit oder Arbeitslosigkeit getrieben. In der Mündungsregion gehen zudem die Fischbestände zurück und bedrohen den traditionellen Fischfang.
Der Diama-Staudamm, der gebaut wurde, um zu verhindern, das bei Flut Meerwasser flussaufwärts gespült wird, hat nun zu dem verheerenden Nebeneffekt einer sprunghaften Vermehrung der Bilharziose übertragenden Schnecken geführt. Die WHO hat bereits mehrere Projekte und Studien durchgeführt, um dieser Entwicklung zu begegnen. Weiterhin ist zu befürchten, dass die intensive Nutzung der durch Brandrodung ausgeweiteten Ackerflächen, die vorher ausschließlich im Überflutungsanbau bestellt wurden, der Desertifikation weiteren Vorschub leistet.
Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass der Manantali-Staudamm wie viele andere Entwicklungsprojekte auch mit einer Reihe negativer Konsequenzen behaftet ist. Es bleibt abzuwarten, ob es den beteiligten Ländern Senegal, Mali und Mauretanien gelingen wird, die Ressourcen sinnvoll einzusetzen, und ob flankierende Reformen in der Industrie, Energie- und Landwirtschaft folgen werden.