Länderberichte
Am 19. und 20. März 2002 hat Bundespräsident Johannes Rau Rumänien besucht. Den ersten Tag verbrachte er in Bukarest, wo er sich unter anderen mit Staatspräsident Ion Iliescu und Premierminister Adrian Nastase traf. Am nächsten Tag fuhr Rau nach Sibiu (Hermannstadt), die Stadt, in der die meisten Rumäniendeutschen leben. Zweck dieses Besuches war, nicht nur "die ausgezeichneten deutsch-rumänischen Beziehungen zu vertiefen", sondern auch die Rumänen zu ermuntern, den eingeschlagenen Reformweg weiterzugehen, denn dieses Land sei ein "fester Bestandteil Europas", es gehöre "zu Zentraleuropa, und da hat es seinen festen Platz", so der Bundespräsident.
Die rumänische Presse hat den 2-tägigen Besuch des Bundespräsidenten Johannes Rau aufmerksam verfolgt und bemerkte, dass es sich in erster Linie um einen Freundschaftsbesuch auf Einladung des rumänischen Staatspräsidenten Iliescu handelte.
Rau wurde am 19. März 2002 von Präsident Iliescu im Cotroceni-Palais mit militärischen Ehren empfangen. Dabei versicherte der Bundespräsident, dass Deutschland den Weg Rumäniens in die europäischen Institutionen unterstützt und "mit Respekt" zur Kenntnis nimmt, wie Rumänien im vorigen Jahr den Vorsitz der OSZE wahrgenommen habe. Dies sei als ein Zeichen der Fähigkeiten der rumänischen Politik und Diplomatie verstanden worden.
Iliescu bedankte sich seinerseits für die Unterstützung Deutschlands bei den Bemühungen seines Landes, sich in die euro-atlantischen Strukturen zu integrieren. Als ein solches Beispiel nannte er die Entscheidung der Bundesregierung, die Aufhebung der Visapflicht für rumänische Bürgerinnen und Bürger ab dem 1. Januar 2002 zu unterstützen.
Außerdem nahmen beide Staatsoberhäupter beim Richtfest des neuen Gebäudes der Deutschen Botschaft in Bukarest teil. Auf dem Treffen mit Premierminister Nastase am Nachmittag desselben Tages betonte dieser, dass sich in den letzten zehn Jahren zwischen Deutschland und Rumänien ein "engmaschiges Netz von Verbindungen" entwickelt habe.
Mit seinem Besuch in Hermannstadt, wo seit etwa zwei Jahren ein deutscher Bürgermeister amtiert, und wo sich der Sitz des Bischofs der Evangelischen Kirche A. B. und des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien befinden, wollte Rau, der die Siebenbürger Sachsen schon aus seiner Amtszeit als Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen kennt, ein Zeichen der Wertschätzung für die Leistungen der deutschen Minderheit in Rumänien setzen. "Es ist uns nicht versprochen worden, dass wir die Mehrheit, sondern dass wir das Salz der Erde sein werden", so sprach der Bundespräsident den Vertretern der deutschen Minderheit Mut zu.
Bürgermeister Johannis versicherte Rau: "Wir sind bereit, nicht nur hier viel zu bewegen, sondern auch die Beziehungen zwischen Rumänien und Deutschland weiter aufzubauen helfen". Er bedankte sich für Raus Bereitschaft, in Deutschland für Hermannstadt als Wirtschaftsstandort für deutsche Investoren zu werben.
Der Besuch des Bundespräsidenten erfolgte übrigens genau 35 Jahre nach Aufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Rumänien und darüber hinaus knapp 10 Jahre nach der Unterzeichnung des deutsch-rumänischen "Kooperationsvertrags für Freundschaft und Partnerschaft in Europa".
Nach Raus eigenen Worten war seine Reise in jeder Hinsicht lohnenswert: "Ich werde ein farbiges, erinnerungsträchtiges Bild mitnehmen". Mit Blick auf die nach Deutschland ausgesiedelten Rumäniendeutschen erklärte er: "Ich wünschte mir, viele kämen zurück, als Besucher, nicht für immer, aber auf jeden Fall als Partner für die hier Lebenden".
Interview der Deutschen Welle (DW) mit Präsident Ion Iliescu, übernommen aus der Tageszeitung "Cronica Româna", 20. 3. 2002:
"Wir geben in der Folge den genauen und vollständigen Wortlaut eines Interviews des rumänischen Präsidenten Ion Iliescu mit der Deutschen Welle wieder. Das kürzlich aufgezeichnete Interview erfolgte vor dem Hintergrund des Besuches von Bundespräsident Johannes Rau in Rumänien.
Reporter (Rep.): Am 19. März ist Bundespräsident Johannes Rau in Rumänien eingetroffen. Nach dem Besuch von Bundespräsident (Roman) Herzog 1995 ist es also zum zweiten Mal, dass ein deutsches Staatsoberhaupt Rumänien besucht. Deutschland ist in vielerlei Hinsicht ein Modell für Rumänien, auf jeden Fall aber im Wirtschafts- und Sozialbereich, wo es gelungen ist, das Rezept für einen in der Europäischen Union vielleicht einzigartigen sozialen Konsens zu entwickeln. Deutschland ist neben Frankreich einer der Staaten, die maßgeblich zur europäischen Entwicklung beitragen, und stellt ein Beispiel für den Erfolg einer staatlichen Wiedervereinigung dar.
Ion Iliescu (I. I.): Damit haben Sie Recht. Ich würde zusätzlich auf die lange historische Tradition unserer Beziehungen zu Deutschland hinweisen und dabei nicht nur die negativen, sondern auch die positiven Momente betonen. Während in den 40er Jahren die Sprache der Intelligenz in Rumänien traditionsgemäß Französisch war, so peilte die technische Elite eher Deutsch an. In den Industrieschulen war die Hauptfremdsprache also Deutsch. Es gibt also eine lange Tradition und ein gewisses Vertrauen. Die deutsche Bevölkerung in Rumänien stand bei den Rumänen schon immer hoch im Kurs, dazu haben gute Eigenschaften wie Fleiß und Effizienz beigetragen. Ich habe lange Jahre im Banat gelebt und unmittelbaren Kontakt zu der deutschstämmigen Bevölkerung der Region, den Banater Schwaben, gepflegt. Es gibt also viele Argumente, die für eine solche Beziehung sprechen, von der Bedeutung Deutschlands als größe Wirtschaftsmacht im europäischen Raum ganz abgesehen. Für uns ist der Besuch des Bundespräsidenten hier in Rumänien besonders wichtig. Wir wollen, dass er als Signal für das gegenseitige Interesse am Ausbau bilateraler Beziehungen und der Wirtschaftskontakte gesehen wird. Deutschland ist für uns ein wichtiger Partner sowohl im Handel als auch in der Wirtschaft generell. Wir würden uns gerne eine massivere Präsenz deutscher Investoren in Rumänien wünschen. Dieses Jahr ist für uns sehr wichtig, was eine Aufnahme Rumäniens in die NATO angeht - und beim Prager Gipfel des Bündnisses wird die Stimme Deutschlands sehr ins Gewicht fallen. In dieser Hinsicht haben wir uns einer konstanten Unterstützung Deutschlands im Rahmen unserer Partnerschaft mit der NATO erfreut, aber auch in den Anstrengungen für den Beitritt zur NATO und zur Europäischen Union. Günther Verheugen (EU-Kommissar für Erweiterungsfragen) ist Deutscher, ... er ist ein treuer Freund, ein Fürsprecher und Unterstützer Rumäniens.
Rep.: In den letzten Jahren gab es bestimmte Vorlieben für den einen oder den anderen wichtigen euro-atlantischen Partner. Man sprach über eine historisch bedingte, verständliche Vorliebe für die Verbindung zu Frankreich, wobei die Verbindung nie zu Amerika vernachlässigt wurde. Deutschland erschien in dieser Konstellation eher als ein höflicher Partner, der die Anstrengungen Rumäniens unterstützt, dabei aber gewisse Reserven anmeldet. Der Eindruck besteht, dass sich in letzter Zeit etwas an diesem Verhalten geändert hat. Würden Sie das bestätigen?
I. I.: Allerdings. Es gab eine vorurteilsgeprägte Situation, nicht nur hinsichtlich Rumäniens, sondern ganz allgemein. Deutschland beschäftigte sich mehr mit Polen, Tschechien, der Slowakei und Ungarn - eine Region mit gewisser traditioneller Relevanz. Die Begründung lautete, dass man sich nicht zu weit ausdehnen konnte und deshalb Prioritäten setzen musste. Die nordischen Staaten, die skandinavischen Länder zeigen ihrerseits eine gewisse Vorliebe für die baltischen Länder. Wir sind an der Unterstützung aller Mitgliedsstaaten interessiert, weil im Endeffekt alle den NATO- bzw. den EU-Beitritt ratifizieren müssen, insofern ist ein Ausbau der bilateralen Kontakte und Beziehungen, des bilateralen Dialogs wichtig. Wir konnten im letzten Jahr für unsere bilateralen Beziehungen zu allen Mitgliedsstaaten der europäischen und euroatlantischen Organisationen neue Impulse geben. Monat für Monat verfolgen wir den Verlauf der Verhandlungen mit der Europäischen Union, auf die Verbesserung der Verhältnisse zur Europäischen Kommission ist schon Bezug genommen worden. In den kapitelweise gestalteten Dialog sind zwar die verschiedenen Ministerien verhandlungsführend, aber die bilaterale Beziehung ist ebenso wichtig. Ich habe dem Außenministerium angetragen, unsere Vertreter in allen Mitgliedstaaten der NATO und der Europäischen Union einer Prüfung auf Herz und Nieren zu unterziehen und die bilateralen Beziehungen zu allen diesen Staaten zu intensivieren. Man hat gesehen, wie wichtig der Besuch des Premierministers in Holland und umgekehrt der Rumänien-Besuch der Königin der Niederlande gewesen sind. Holland ist zwar kein großes Land, aber es ist wegen des wirtschaftlichen Potenzials und der wesentlichen Rolle besonders wichtig für uns. Holland ist einer der dynamischsten Partner Rumäniens - wenn man die Größe des Landes berücksichtigt, ist es schon beachtlich, dass Holland unter den 4-5 größten Investoren und Handelspartner Rumänien rangiert.
Rep.: Deutsche Politiker - rechts oder links - haben im Kalten Krieg nie die Teilung Deutschlands akzeptiert. Kann Rumänien etwas daraus lernen?
I. I.: Natürlich, doch sind hier der Ähnlichkeit bestimmte Grenzen gesetzt. Wenn wir die Geschehnisse aus historischer Sicht betrachten, war es doch der Druck aus dem Osten und nicht aus dem Westen, der die Wiedervereinigung durchsetzte. Dabei war das erfolgreiche westdeutsche wirtschaftlich-soziale Modell der Anziehungsfaktor. So gesehen beschäftigen wir uns nicht damit, die Werbetrommel der Wiedervereinigung geräuschvoll zu rühren, wir sind eher bestrebt, aus Rumänien ein attraktives Land zu machen, das einen tatsächlichen Fixpunkt für die Rumänen jenseits der Grenze und einen Orientierungswert für die zukünftige Entwicklung des gegenwärtigen Moldawiens darstellt." (Rompres)