Länderberichte
Die letzte Regierung war einen Monat nach den Parlamentswahlen am 27. Juli 2003 eingeschworen worden. Ob die neue Regierung, die am 25. Oktober vereidigt wurde, politisch nennenswerte Veränderungen mit sich bringen wird, kann nicht vorausgesagt werden, vor allem auch weil dies im wesentlichen vom Willen des Königs abhängt. Abdullah II., der den Reformprozess im wirtschaftlichen, administrativen und politischen Bereich reaktivieren will, spricht von einer Reformregierung für eine umfassende politische Entwicklung in Jordanien.
In seinem Ernennungsschreiben an den neuen Premierminister Faisal Fayez schrieb der König „Wir wollen diesen Regierungswechsel, weil es Zeit ist unsere Vision in die Praxis umzusetzen.“ Die Vision ist ein starken und prosperierenden Jordaniens, dass ein Modell für arabische und muslimische Demokratie darstellen soll. Wirtschaftliche Entwicklung, Gerechtigkeit und Gleichheit, politischer Pluralismus und Rechtsstaatlichkeit sollen die Bausteine des jordanischen Modells bilden. In diesem Sinne ist laut Abdullah II. das oberste Ziel die politische Entwicklung, wobei der Begriff nicht eindeutig definiert ist. Es ist zu vermuten, dass damit in erster Linie politische Reformen gemeint sind. Schließlich spricht der König von effektiver politischer Partizipation der Bevölkerung, von Meinungsfreiheit und -pluralismus, Reformen im Rechtssystems, Pressefreiheit und modernen Gesetzen.
Auf wirtschaftlicher Ebene stehen die Bekämpfung der Armut und der Arbeitslosigkeit, Reformen in Richtung freie Marktwirtschaft, wirtschaftliche Restrukturierung zugunsten ausländischer Investitionen und Förderung des Privatsektors auf der Prioritätenliste. Allerdings stellt das Vorhaben des haschemitischen Könighauses die neue Regierung vor die schwer zu bewältigende Herausforderung, zwei miteinander kaum kompatible Wirtschaftspolitiken miteinander zu verbinden. Denn wirtschaftliche Umstrukturierung in ressourcenarmen Ländern dient nicht zwangsläufig der Armutsbekämpfung.
Der ehemalige Protokollchef im Königshof Faisal Fayez ist keine Person, dessen Name mit Reforminitiativen assoziiert wird. Aussagen von Faye bis vor einigen Monaten sind mit seiner jetzigen Reformeuphorie nicht unbedingt vereinbar. Er gehörte zu der jordanischen Elite, die demokratische Prinzipien wie unbehinderte politische Rechte und breite öffentliche Partizipation am politischen Leben durch zivilgesellschaftliche Organisationen als Gefahr für die Stabilität ansahen. Es ist angebracht zu behaupten, dass der 51-jährige Faisal Fayez in bedingungsloser Loyalität zum König steht. In diesem Sinne wird er sicherlich als verlässlicher Ministerpräsident die Reformvorhaben des Königshauses versuche, politisch umzusetzen. Hierzu muss er einen Aktionsplan entwerfen. Zuvor muss aber eindeutig geklärt werden, wie weit die Reformen überhaupt gehen dürfen. Erst dann können Prioritäten festgelegt und Umsetzungsstrategien entwickelt werden.
Die Grenzen für die Reformfähigkeit stehen und fallen mit dem politischen Willen des Königshauses. Dieser wiederum hat die Realitäten der außerordentlich traditionell gesinnten Gesellschaft in Betracht zu ziehen. Schließlich hat das im Juni 2003 gewählte Parlament zwei vom König erlassene Gesetze zur Verbesserung der rechtlichen Situation der Frau zurückgewiesen.
Es ist derzeit schwierig zu beurteilen, ob es sich bei den Reformbekundungen um Rhetorik ohne Tiefgang oder um realen politischen Willen handelt und inwieweit die Vorhaben realisierbar sind. Hindernisse für tiefgreifende Reformen sind nicht nur traditioneller, sondern auch struktureller und demographischer Art. Der vornehmlich sicherheitsorientierte politische Ansatz, die überragende Rolle des Sicherheitsapparates, der große Einfluss des Tribalismus auf die nationale Politik, die unvollendete Integration der Jordanier palästinensischen Ursprungs, die Schwäche der politischen Parteien sowie die weitverbreitete Überzeugung, dass die wirtschaftliche Liberalisierung politischen Reformen vorausgehen muss, gehören zu den wesentlichen internen Behinderungsfaktoren.
An dieser Stelle muss allerdings hervorgehoben werden, dass zum ersten Mail seit der Thronbesteigung des König Abdullahs II. im Februar 1999 politische – nicht wirtschaftliche – Reformen an der Spitze der Prioritätenliste der Regierungspolitik stehen. Die klaren Instruktionen des Königs wie ein modernes Parteiengesetz und ein neues Wahlgesetz, das das umstrittene Prinzip one-man-one-vote ablösen soll, werden insbesondere auch von der Opposition, namentlich der Muslimbruderschaft begrüßt.
Fayez hat die vom König diktierten Reformvorhaben bereits in sein Regierungsprogramm aufgenommen. Er will die Entstehung starker und repräsentativer Parteien, die politische Partizipation vor allem der Frauen und der Jugend fördern. Freie und verantwortungsbewusste Medien sollen zum Meinungspluralismus beitragen. Hierzu sollen die Medien privatisiert werden. Wirtschaftliche Entwicklung soll vor allem durch Stärkung des Privatsektors erreicht werden. Rechts- und Verwaltungsreformen sollen der Korruption und Missmanagement entgegenwirken.
Dem neuen Kabinett ist es zunächst positiv zu bescheinigen, dass zum ersten Mal in der Geschichte Jordaniens drei Frauen an Regierungsgeschäften beteiligt werden. Alia Hattough-Bouran, Botschafter des Königsreiches in Brüssel, wurde zum Tourismus- und Umweltminister ernannt. Eine Neuheit ist auch die Einsetzung einer Frau, nämlich Prof. Amal Farhan, als Ministerin für Kommunale Angelegenheiten. Beeindruckend ist vor allem, dass Asma Khader – eine populäre Frauenaktivistin – zur Regierungssprecherin mit ministeriellem Rang ernannt wurde. Das Ministerium für Soziale Entwicklung allerdings ging nach jahrelanger Frauendominanz an einen Mann mit militärischem Hintergrund über.
Erwähnenswert ist auch, dass die Zahl der Kabinettsmitglieder von 29 auf 21 reduziert worden ist. Einige Ministerien wurden zusammengefasst, andere wie z.B. das Informations- und das Kulturministerium wiederum aufgehoben. Es wurde auch ein neues Ministerium für politische Entwicklung eingerichtet, das die politische Arena des Landes wiederbeleben soll, indem es den nationalen Dialog fördert und sich des Parteien- und Wahlrechts annimmt.
Neun Minister vom alten Kabinett behielten ihre Positionen. Dabei handelt es sich vornehmlich um Schlüsselministerien wie z.B. das Innen-, Außen-, Finanz- und Erziehungsministerium. Bei weiteren neun handelt es sich um Newcomer. Acht des 21-köpfigen Kabinetts haben palästinensischen Ursprung. Nach Auffassung politischer Beobachter wird die neue Regierung einen Qualitätswechsel bringen, vor allem, weil der König bei der Auswahl der Minister nicht traditionellen oder geographischen Kriterien folgte.
Das neue Kabinett:
Faisal Fayez
Premierminister & Verteidigungsminister
Mohammad Halaiqa
Stellvertretender Premierminister und Minister für Industrie & Handel
Marwan Muasher
Außenminister
Mohammad Daoudiyeh
Minister für Politische Entwicklung & Parlamentarische Angelegenheiten
Fawwaz Zu'bi
Minister für Informations-, Kommunikationstechnologie & Verwaltungsentwicklung
Bassem Awadallah
Planungsminister & Internationale Zusammenarbeit
Salah Bashir
Justizminister & Staatsminister für Kabinettsangelegenheiten
Samir Habashneh
Innenminister
Khalid Touqan
Erziehungsminister
Ahmad Hilayel
Minister für religiöse Stiftungen und Islamische Angelegenheiten
Hazem Nasser
Minister für Wasser, Bewässerung, Landwirtschaft
Mohammad Abu Hammour
Finanzminister
Amjad Majali
Arbeitsminister
Alia Hattough-Bouran
Ministerin für Tourismus, Altertümer & Umwelt
Azmi Khreisat
Minister für Energie and Bodenschätze
Riyad Abu Karaki
Minister für Soziale Entwicklung
Raed Abu Saud
Minister für öffentliche Bauvorhaben und Wohnungsbau & Transportminister
Issam Zabalawi
Minister für Hochschulbildung & Wissenschaftliche Forschung
Amal Farhan
Ministerin für Kommunale Angelegenheiten
Asma Khader
Staatsministerin & Regierungssprecherin
Saeed Darwazeh
Gesundheitsminister