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Länderberichte

Erster Schritt zur Vollmitgliedschaft in der EU

von Dr. jur. Stefan Gehrold
Seit seiner Unabhängigkeitserklärung und der internationalen Anerkennung (1991-1992) strebte Kroatien die Vollmitgliedschaft in der EU wie auch in anderen westeuropäischen Organisationen (NATO, Europarat, OESS etc.) an.

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Seit seiner Unabhängigkeitserklärung und der internationalen Anerkennung (1991-1992) strebte Kroatien die Vollmitgliedschaft in der EU wie auch in anderen westeuropäischen Organisationen (NATO, Europarat, OESS etc.) an. Ein Großteil der Bürger Kroatiens unterstützte zweifellos diese prowestliche Orientierung der kroatischen Politik. Aus diesem Grund verfolgte die kroatische Öffentlichkeit die Verhandlungen mit der EU von Anfang an mit großem Interesse.

Nach den weniger als sechs Monaten dauernden Verhandlungen über das Abkommen über die Stabilisierung und Assoziierung (SAA) paraphierten Kroatien und die EU das SAA am 14. Mai 2001 in Brüssel. Durch das Abkommen erhielt Kroatien den Status eines potentiellen Kandidaten für die EU-Vollmitgliedschaft.

Abkommen im Schnellverfahren ratifiziert

Fünfeinhalb Monate nach der Paraphierung wurde das Abkommen am 29. Oktober 2001 in Luxemburg von dem kroatischen Premierminister Ivica Racan, den Außenministern der EU-Länder und dem außenpolitischen Beauftragten der Europäischen Kommission unterzeichnet. Das Abkommen wurde schon am 5.Dezember 2001 im Kroatischen Parlament im Schnellverfahren ratifiziert. Für das Inkrafttreten des Abkommens sind noch die Ratifizierungen im Europaparlament und in den Parlamenten der EU-Mitgliedsländer erforderlich. Im Zeitraum bis zum Inkrafttreten des SAA gilt für die Beziehungen zwischen der EU und Kroatien vom 1. Januar 2002 an das Vorläufige Abkommen über Handelsfragen, das im Kroatischen Parlament ebenfalls ratifiziert wurde.

Mit der Unterzeichnung des Abkommens macht Kroatien den ersten bedeutenden formellen Schritt im Rahmen der Institutionalisierung seiner Beziehungen mit der EU. Damit beginnt die umfangreiche Tätigkeit zur Erfüllung der übernommenen Verpflichtungen und zur Prüfung, ob die Republik Kroatien den Voraussetzungen für die EU-Vollmitgliedschaft gerecht werden kann.

Das Abkommen regelt die Beziehungen zwischen Kroatien und der EU in allen drei Hauptbereichen der sogenannten Säulen der Europäischen Union:

  • EG-Vertrag
  • der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik
  • der Zusammenarbeit in der Innen- und Justizpolitik
Das Abkommen verpflichtet Kroatien innerhalb einer Frist von zwei Jahren nach der SAA-Unterzeichnung dazu, mit den anderen südosteuropäischen Ländern und der EU bilaterale Abkommen zu unterzeichnen.

Reicht die absolute Mehrheit zur Ratifizierung?

Die Paraphierung, Unterzeichnung sowie die Ratifizierung des Abkommens lösten eine heftige Auseinandersetzung zwischen der Regierungskoalition und den Oppositionsparteien aus. Es wurde über die Frage diskutiert, wohin das Abkommen führe und auf welche Weise es im gesetzgebenden Organ ratifiziert werden solle. Ähnliche Diskussionen wurden auch in der breiten Öffentlichkeit geführt.

Die Regierungsvertreter hoben hervor, das Abkommen wäre unter den gegebenen Umständen optimal, weswegen es im Schnellverfahren zu ratifizieren sei, und zwar mit der Mehrheit aller Abgeordneten und nicht mit einer Zweidrittelmehrheit.

Gemäß Artikel 139 der kroatischen Verfassung werden nämlich alle internationalen Abkommen und Verträge, mit denen ein Teil der Verfassungsbefugnisse auf ein übernationales Organ übertragen wird, mit der Zweidrittelmehrheit aller Abgeordneten ratifiziert, im Gegensatz zu anderen Abkommen und Verträgen, für deren Ratifizierung die absolute Mehrheit der abgegebenen Abgeordnetenstimmen ausreicht. Die Zweidrittelmehrheit, Verfassungsänderungen und ein Referendum würden erst erforderlich, wenn Kroatien die Phase des EU-Beitritts erreicht habe. Mit dem Abkommen nähere sich Kroatien Europa an.

Es gibt jedoch auch Gegner des Abkommens.

Bewirkt das Abkommen eine "Balkanisierung Kroatiens"?

Die im Parlament vertretenen Oppositionsparteien HDZ, HSP/HKDU wie auch einige andere außerparlamentarische, hauptsächlich rechtsorientierte Parteien kritisierten das Abkommen mit der Begründung, es führte Kroatien auf den Balkan (den Westbalkan) und nicht nach Europa, bzw. in die EU.

HSP und HKDU forderten sogar ein Referendum über die Annahme des Abkommens oder zumindest einen Beschluss darüber im Parlament mit Zweidrittelmehrheit. Entscheidend für den Beitritt sei die Höhe des Bruttosozialprodukts, und es sei fraglich, in welchem Maße Wachstum unter diesen Voraussetzungen möglich wäre. Die vom Abkommen vorgesehene Liberalisierung der Zölle sei für Kroatien schädlich, der Zugang zum EU-Markt fraglich. Einen finanziellen Nutzen von den europäischen Ausgleichsfonds werde Kroatien erst dann haben können, wenn und falls es EU-Vollmitglied werde.

Die stärkste Oppositionspartei, die HDZ, beanstandet, das Abkommen enthalte drei wesentliche Mängel, die der Grund für dessen Ablehnung durch die HDZ seien. Der Parteivorsitzende Ivo Sanader betont, dass das Abkommen über Stabilisierung und Assoziation für Kroatien schlecht sei, da es dem Land keinen individuellen EU-Beitritt ermögliche, die Vermeidung einer institutionellen Verbindung mit den Ländern der Balkanregion nicht gewährleiste und schließlich auch deshalb, weil nicht geregelt sei, dass "das Ziel des Abkommens die EU-Vollmitgliedschaft Kroatiens" sei. Durch das Abkommen, heißt es in der HDZ, sei der Abschluss einer Reihe bilateraler Verträge mit den Ländern des westlichen Balkan und "nach Bedarf, die Schaffung unentbehrlicher institutioneller Mechanismen aufgrund dieser Verträge" vorgesehen. Solche Verordnungen, warnt der HDZ-Vorstand, könnten die Grundlage für eine neue Balkan-Assoziation sein.

Die Parteien der Regierungskoalition unterstützten dagegen alle den Regierungsstandpunkt und setzten sich für die Ratifizierung des Abkommens ein.

Auch das oppositionelle Demokratische Zentrum (DC), unterstützte im Parlament die Ratifizierung. Zwar gab es auch im vom ehemaligen HDZ-Außenminister Mate Granic geführten DC etliche Bemerkungen zum Abkommen, dieser vertrat jedoch die Ansicht, es solle so angenommen werden, wie es ist, da Kroatien keine andere Wahl habe. Die stellvertretende Parteivorsitzende Vesna Skare-Osbolt hob hervor, das Abkommen biete zwar keine Bürgschaft für den EU-Beitritt. Kroatien werde aber trotzdem zu einem Großteil Nutzen davon haben, da sich durch die Umsetzung des Abkommens die Modernisierung und Europäisierung beschleunigen lassen. Sie machte aber auch auf die politischen Bedenken im Hinblick auf die Verpflichtungen zur regionalen Zusammenarbeit aufmerksam.

Im Namen der stärksten Koalitionspartei, der Sozialdemokratischen Partei Kroatiens (SDP) prognostiziert Marin Jurjevic optimistisch, Kroatien könnte bereits in sechs Jahren der EU beitreten, falls es dem Land gelänge, alle 50.000 Vorschriften an die EU-Normen anzupassen, die Inflationsrate niedrig zu halten und eine hohe Wachstumsrate zu erzielen.

Was die kroatische Öffentlichkeit anbelangt, ist hervorzuheben, dass sie in Meinungsumfragen wiederholt bewiesen hat, dass sie die proeuropäische Orientierung insbesondere den EU-Beitritt mit großer Mehrheit unterstützt.

Ob die Befürchtungen der Opposition berechtigt sind, wird sich zeigen. Die Uneinigkeit über die Zustimmung zur Ratifizierung hat jedenfalls manch einen europäischen Konservativen aufhorchen lassen.

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Kontakt

Dr. Michael A. Lange

Dr. Michael A

Kommissarischer Leiter des Rechtsstaatsprogramms Nahost/Nordafrika

Michael.Lange@kas.de +361 1 385-094 +361 1 395-094

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