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Länderberichte

Führungswechsel und Namensänderung in der RS-AWS

von Dr. Henning Tewes
Der IV. Parteitag der EVP-Partnerpartei RS-AWS am 27. April 2002 wählte den Senator Krzysztof Piesiewicz zum neuen Parteivorsitzenden und beschloss, den Parteinamen in "Ruch Spoleczne (RS), also "Gesellschaftliche Bewegung", abzukürzen.

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Die Geschichte der RS-AWS war eine der politischen Höhen und Tiefen. Gegründet 1997 als politischer Arm der Gewerkschaft "Solidarität" sollte sie ursprünglich die lose Sammlungsbewegung AWS ("Wahlaktion Solidarität") in einer Partei vereinen. Daher blieb sie ein gutes Jahr unter dem Vorsitz des Gewerkschaftsvorsitzenden Marian Krzaklewskis, der gleichzeitig der Vorsitzende der Wahlaktion Solidarität war. Wegen des Widerstandes der kleinen AWS-Mitgliedsparteien gelang dies aber nicht. Die AWS blieb Sammlungsbewegung und die RS-AWS war zwar die größte ihrer Mitgliedsparteien, aber nicht die alles entscheidende. Im Januar 1999 formierte sich die RS-AWS zu einer wirklichen Partei unter dem Vorsitz des damaligen Premierministers Jerzy Buzek. Die EVP-Mitgliedschaft erfolgte ebenfalls 1999.

Die RS-AWS wurde noch stärker als alle anderen AWS-Mitgliedsparteien mit der AWS identifiziert: Ihr Führungspersonal galt bei den Wahlen 2001 als kompromittiert und abgewirtschaftet. Die Listenverbindung AWSP, die in Vorbereitung auf die Wahlen 2001 von der RS-AWS geführt wurde und bei den Wahlen selbst unter die 5%-Hürde fiel, wurde besonders abgestraft für die Fehlleistungen der RS-AWS Spitzenpolitiker: Jerzy Buzek, Marian Krzaklewski, Janusz Tomaszewski, Macej Rybicki, Krzysztof Janiak.

Nach der Wahlniederlage trat Jerzy Buzek umgehend vom Parteivorsitz zurück; sein Nachfolger wurde der Senator Mieczyslaw Janowski. In der beabsichtigten Distanz zur Regierungszeit 1997-2001 liegt auch der Beweggrund für die Streichung des Kürzels "AWS" (Wahlaktion Solidarität) aus dem Parteinamen.

Die sechs Monate, die seit der Wahlniederlage vergangen sind, ohne dass es zu einer nennenswerten programmatischen oder personellen Erneuerung gekommen wäre, zeigt die wirkliche Schwäche der RS. Der Parteitag am vergangenen Samstag war denn auch eher von der Not als von einer zündenden Idee oder einer einem wirklichen politischen Willen geprägt. Denn die Vorbereitung auf die Regional- und Lokalwahlen im Oktober sind bei allen Kräften angelaufen, ohne dass die RS-AWS eine Idee hätte, welche Rolle sie in der polnischen Politik spielen könnte. Auch weltanschaulich bleibt sie schwer zu fassen.

Das neue Führungspersonal: Krzysztof Marek Piesiewicz ist von Haus aus Künstler (Drehbuchautor einiger Filme Krzysztof Kieslowskis) und in den Wirren 1989-90 eher per Zufall in die Politik gekommen. Er ist seit 1991 Senator. Piesiewicz gilt unter seinen Mitstreitern als populär und ausgleichend; politische Ambitionen werden ihm aber nicht zugeschrieben. Er selbst bestritt noch bis zum Tag seiner Wahl, dass er überhaupt die Absicht habe, für den Parteivorsitz zu kandidieren. Auch um den Aufbau der Parteistrukturen möchte er sich nach eigenen Angaben nicht kümmern.

Den Vorsitz des "Politischen Rates" der RS hat der Marschall (vergleichbar mit dem Ministerpräsidenten) der Wojewodschaften Schlesien, Jan Olbrycht, übernommen. Olbrycht ist in seiner Region bekannt und beliebt. Er interessiert sich sehr für die europäische Politik, auch für die EVP, und beabsichtigt (hinter vorgehaltener Hand), 2004 zum Europäischen Parlament zu kandidieren. Er wird auch von PiS und Bürgerplattform hofiert.

Politische Absichten: Mit wem kann die RS-AWS sich in Vorbereitung auf die Wahlen im Oktober zusammenschließen? Piesiewicz ist zur Zusammenarbeit mit den beiden im Parlament vertretenen Parteien der liberal-konservativen Opposition (Bürgerplattform und PiS) bereit. Diese allerdings zieren sich. Denn laut interner Umfragen hat die RS auch in ihren starken Regionen eine Wählerschaft von nur 2-3%, entfremdet aber gleichzeitig die Wählerschaft von PiS und Bürgerplattform.

Die Strategie von Bürgerplattform und PiS zielt daher darauf ab, die Wählerschaft der drei nicht im Parlament vertretenen Parteien (RS, Freiheitsunion und SKL-RNP) an sich zu binden, mit den Parteien selbst aber nicht zu kooperieren - zumindest nicht sichtbar. Dies würde bedeuten, dass Bürgerplattform und PiS auf Wojewodschaftsebene und in den großen Städten eine Listenverbindung miteinander eingehen und nur auf der Ebene der Kommunen und Kreise mit RS, Freiheitsunion und SKL-RNP zusammenarbeiten würden.

Von den Wahlen im Oktober hängt für die RS alles ab. Noch kann sie auf 14.000 Mitglieder und ihre gewählten Vertretern in den Parlamenten auf allen Ebenen der Selbstverwaltung zählen. Nach den Wahlen wird dieses Potenzial unweigerlich reduziert. Die RS ist mit SKL-RNP und Teilen der Freiheitsunion einig, dass ein breiterer Zusammenschluss der post-Solidarnosc-Kräfte sinnvoll wäre. Bürgerplattform und PiS kooperieren gut untereinander, sehen aber keinen Platz für insgesamt fünf Parteien auf ihrer Seite des politischen Spektrums. Im Gegensatz zu RS, SKL-RNP und Freiheitsunion lautet ihr Credo daher nicht "Rettung durch Zusammenschluss", sondern "Konsolidierung durch Eliminierung".

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Dr. Angelika Klein

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