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Geheimdienstaffären und Verschwörungstheorien sorgen weiter für Verunsicherung

von Frank Spengler, Christoph Thanei
Nach einem langen Machtkampf gelang es Premierminister Mikuláš Dzurinda Anfang Oktober im zweiten Anlauf, Ján Mojžiš als Chef des "Nationalen Sicherheitsamtes" (NBÚ) abzusetzen. Im Zuge einer undurchsichtigen Geheimdienstaffäre hatten sich Dzurinda und Mojžiš gegenseitig den Missbrauch von Geheimdienstinformationen vorgeworfen, ohne jeweils eindeutige Beweise vorlegen zu können. Dzurinda bezeichnete Mojžiš wiederholt als Kopf eines „Grüppchens", das systematisch den Geheimdienst SIS und die von Dzurinda geführte größte Regierungspartei "Slowakische Demokratische und Christliche Union" (SDKÚ) international zu diffamieren versuche, um eigene, vor allem wirtschaftliche, Interessen durchzusetzen.

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Der Machtkampf hatte bereits große internationale Wellen geschlagen: Das angesehene britische Magazin "Janes Intelligence Digest" verbreitet sogar ein - später offiziell dementiertes - Gerücht, der scheidende Nato-Chef George Robertson habe die Blockade des slowakischen Nato-Beitritts verlangt. Das Scheitern von Dzurindas erstem Versuch zur Absetzung von Mojžiš Anfang September hatte zur Absetzung von Verteidigungsminister Ivan Šimko geführt.

Šimko hatte sich nämlich ebenso wie zwei der vier Koalitionsparteien der Absetzung des NBÚ-Chefs widersetzt Šimkos Entlassung und der Eintritt des ehemaligen Medienmagnaten Pavol Rusko als Wirtschaftsminister in die Regierung sicherten Dzurinda dann aber im Kabinett eine knappe Mehrheit für seinen umstrittenen Schritt.

Rusko ist Parteichef der liberalen „Allianz des Neuen Bürgers" (ANO). Er folgte als Wirtschaftsminister erst Ende September einem parteiinternen Rivalen, dessen Absetzung er zuvor durchgesetzt hatte. Während die ANO ebenso wie Dzurindas SDKÚ die Absetzung von NBÚ-Chef Mojžiš unterstützten, verweigerten die „Partei der Ungarischen Koalition" (SMK) und die "Christlich-Demokratische Bewegung" (KDH) erneut ihre Zustimmung. SMK-Vorsitzender Béla Bugár kritisierte nach der Abstimmung gegenüber Journalisten, Mojžiš sei „ohne Beweise" für nur angebliche Verfehlungen entlassen worden. Das Verhältnis seiner Partei zu Dzurindas SDKÚ habe sich durch die Vorgangsweise des Premiers verändert. Man werde nun „vorsichtig" im Umgang mit der SDKÚ sein, deutete Bugár sein Misstrauen gegenüber der stärksten Regierungspartei an. Zuvor hatte Bugár ebenso wie der KDH-Vorsitzende und Parlamentspräsident Pavol Hrušovský den Premier in Zusammenhang mit der Mojžiš-Affäre mehrfach scharf attackiert. Beide warfen Dzurinda u.a. vor, mit zweifelhaften Methoden eine Machtkonzentration zugunsten seiner Partei anzustreben und damit die Koalition zu gefährden.

Das „Nationale Sicherheitsamt" (NBÚ) ist zuständig für die Überprüfung der Vertrauenswürdigkeit aller Personen, die mit Nato- und Staatsgeheimnissen in Berührung kommen können. Ján Mojžiš war im Jahr 2001 von der SDKÚ nominiert worden. Er verlor zuletzt aber das Vertrauen Dzurindas. Der Premier warf ihm öffentlich vor, dubiosen Interessengruppen zu dienen und an der Diskreditierung der SDKÚ und des slowakischen Geheimdienstes SIS, sowie der Slowakei im Allgemeinen beteiligt zu sein.

Dzurinda geriet wiederum selbst in Verdacht, illegal vertrauliche Geheimdienstinformationen über Mojžiš erhalten zu haben. Im Zuge von innerparteilichen Auseinandersetzungen in der SDKÚ, vor allem aber in der ANO, hat die Mitte-Rechts-Regierung ihre Parlamentsmehrheit verloren. Nur mehr 74 statt bisher 78 Abgeordnete fühlen sich noch an Koalitionsbeschlüsse gebunden, während sich zwei entlassene Minister nach ihrer Rückkehr ins Parlament ebenso wie zwei andere Abtrünnige „nur mehr ihrem Gewissen" verantworten wollen. Für Gesetzesbeschlüsse sind aber mindestens 76 der 150 Abgeordnetenstimmen notwendig.

Ende Oktober gab die Staatsanwaltschaft Dzurinda in einer wichtigen Detailfrage des Konflikts Recht: Sie bestätigte, dass er nicht, wie ihm vorgeworfen worden war, illegal Einsicht in den so genannten „Überprüfungsakt" von Mojžiš genommen habe. Dzurinda habe lediglich Informationen des Geheimdienstes SIS über Mojžiš erhalten, die parallel dazu auch in den „Überprüfungsakt" geflossen seien, erkannte die Staatsanwaltschaft. Dies aber sei keine Gesetzesverletzung. Politiker der Opposition, aber auch Innenminister Vladimír Palko (KDH) und mehrere Medien, allen voran die Tageszeitung „Sme“, kritisierten Dzurinda und Geheimdienstchef Ladislav Pittner aber auch nach der Entscheidung der Staatsanwaltschaft weiterhin wegen ihres Vorgehens.

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Matthias Barner

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Leiter des Auslandsbüros Vereinigtes Königreich und Irland

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6. November 2003
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