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Der neu gewählte Gouverneur ist ein junger, dynamischer und erfolgreicher Geschäftsmann, der vor seiner Nominierung seitens der „Democrats“ zum Kandidaten für die Gouverneurswahlen Vorsitzender der Marketing Association eines großen thailändischen Mobiltelefonunternehmens war. Er ist seit 1993 Mitglied der Democrat Partei, allerdings erst seit 2001 aktiv in der Ausschussarbeit. Unter dem Slogan „Our Bangkok“ und mit Aussagen wie „I’m determined to serve the people of Bangkok. I ask everyone to join me in turning it into a better city“ hat der neue Managertyp von Politiker die Wählergunst gewonnen.
Noch bis zwei Wochen vor den Wahlen war Pavena Hongsakul als einzige Frau unter den Kandidaten, die vor ihrer Kandidatur von der Chart Pattana Partei (Koalitionspartner der Regierungspartei Thai Rak Thai, TRT, die sich Anfang August aufgelöst hat und in die TRT integriert wurde) ausgetreten war und als „unabhängig“ kandidierte, die Favoritin – alle Umfragen deuteten auf ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit Apirak, aber dennoch deutlichen Aussichten auf einen Sieg für Pavena. Im Gegensatz zu Apirak verfügt Pavena über lange politische Erfahrung als Parlamentsabgeordnete und ist Vorsitzende einer Stiftung, die sich für Frauen- und Kinderrechte einsetzt; bereits bei den Wahlen vor vier Jahren war sie gegenüber dem damaligen Gewinner Samak Sundarevej unterlegen.
Der thailändische Premierminister Thaksin Shinawatra, der Mitte Mai noch verlautbart hatte, dass seine Partei offiziell keinen Kandidaten für das Gouverneursamt nominieren würde - mit der Begründung, dass man sich gänzlich auf die Parlamentswahlen im Februar nächsten Jahres konzentrieren wolle („we try to concentrate on the national level“), bei denen er mit seiner Partei beabsichtigt, 400 von 500 Parlamentssitzen zu gewinnen - hat Anfang August (damals war Pavena bei den Meinungsumfragen noch in Führungsposition) kurzfristig Pavena die Unterstützung seiner Partei zugesagt. Ab diesem Zeitpunkt zeigen die Umfragewerte, dass die bis dahin aussichtreichste Kandidatin drastisch an Popularität verlor.
Mit dem Sieg Apiraks gewinnt ein Kandidat der Oppositionspartei die Position des höchsten Verwaltungsamtes der Stadt Bangkok, genau zu dem Zeitpunkt, an dem sich die Partei - von Abwanderungen ihrer Mitglieder und Fragmentierung gezeichnet - in einer geschwächten Position befindet, während die Regierungspartei gänzlich die nationale Politik dominiert.
Alle thailändischen und englischsprachigen Tageszeitungen in Thailand dokumentierten mit ihren Schlagzeilen und ihren Kommentaren am Tag nach der Wahl in einmütigem Konsens, dass der Sieg Apiraks bei den Wahlen am vergangenen Sonntag das Zeichen der Unzufriedenheit der Bangkoker Wähler mit der Politik des thailändischen Premiers und seiner Partei sei.
Premierminister Thaksin, der sich nach aussen unberührt von dem Sieg der Democrats zeigte, gratulierte Aprirak zur Wahl und versprach ihm alle Unterstützung, warnte allerdings gleichzeitig, dass der Mangel an Kooperation seitens des neu gewählten Gouverneurs zu größeren Problemen führen würde. Thaksin wies jegliche Spekulationen von sich, dass die Wahlniederlage bei den Gouverneurswahlen seine schwindende Popularität bei den Bangkoker Wähler demonstriere und möglicherweise Auswirkungen auf die bevorstehenden Parlamentswahlen im Februar 2005 habe. Er sei sich des öffentlichen „concerns“ der Wähler in bezug auf die wachsende Dominanz seiner Partei bewußt: „People fear me too much. They are afraid that I will get too much power“. Dies sei auch der Grund gewesen, warum Thai Rak Thai von Anfang offiziell keinen Kandidaten für die Bangkoker Wahl nominiert habe.
Führende Politikwissenschaftler und Wahlanalysten interpretieren die Wahl Apiraks als deutliche Absage der Bangkoker Wähler an die Regierungspolitik Thaksins; Bangkoker Wähler, die als diejenigen Wähler mit dem höchsten Bildungsniveau in Thailand sowie als politisch kritisch und unabhängig gelten, würden sich nicht der absoluten Kontrolle der Regierungspartei fügen wollen. Der Sprecher der Regierungspartei Thai Rak Thai, Suranand, hofft indes auf die Differenzierung der Wähler zwischen Kommunalpolitik und nationaler Politik; die Wahl am Sonntag habe seiner Auffassung nach keinerlei Auswirkungen auf die Parlamentswahlen.
Die Gründe für die Wahl Apiraks, die einer „stillen Revolution“ gleichkommt, lassen sich in mindestens drei Aspekten zusammenfassen und bedürfen einer differenzierten Analyse:
- In erster Linie wollten die Bangkoker Wähler einen Gouverneur, der seine Versprechen hält und vor allem die Alltagsprobleme der Stadt (Verkehrschaos, Umweltverschmutzung, illegaler Drogenhandel etc.) zu lösen vermag; im Vergleich zu den anderen 20 Kandidaten besitzt Apirak buchstäblich alle Attribute, die die Bangkoker Wähler von einem Politiker erwarten: Jugend, Enthusiasmus, Eloquenz, einen beeindruckenden Werdegang und Integrität; Apirak war auch der einzige Kandidat, der Transparenz und Verantwortung gegenüber der Öffentlichkeit auf seine Wahlagenda geschrieben hatte und beabsichtigt, ein unabhängiges Evaluierungskommittee zu etablieren, das kontinuierlich die Arbeit des neuen Gouverneurs und seines Teams an noch zu determinierenden Indikatoren mißt.
- eindeutige Protestwahl gegenüber Premierminister Thaksins autokratischem Führungsstil und seiner offensichtlichen Ignoranz gegenüber Rechtsstaatlichkeit und Transparenz sowie seiner mangelnden Verantwortung gegenüber der Öffentlichkeit – so die Einschätzung der Thaksin-Kritiker.
- Apiraks Zugehörigkeit zu den „Democrats“, derjenigen Oppositionspartei im politischen Parteienspektrum Thailands, die sich kontinuierlich um ein Gegengewicht zur Regierungspartei bemüht; damit zeigen die Bangkoker Wähler, dass sie Vertrauen in die Demokratie haben, in ein System der „checks and balances“, wie es - nach Expertenmeinung - einmal das Wahrzeichen der thailändischen Politik vor der Regierungsübernahme Thaksins gewesen war.
Seine Agenda bezieht sich auf fünf Kernbereiche:
- Verkehr: Förderung der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel sowie Erweiterung des neuen U-Bahn-Netzes;
- Umwelt und Lebensqualität - insbesondere die Felder Luft- und Wasserverschmutzumg sowie Abfallbeseitung aber auch der Bereich der persönlichen Sicherheit (Bekämpfung von Kriminalität und terroristischer Bedrohung);
- Effiziente Stadtplanung und Konservierung historischer Gebäude und Plätze;
- Good Governance: Einbeziehung der Bevölkerung und der Zivilgesellschaft im allgemeinen vor allem im Hinblick auf die Schaffung eines Bewußtsein zur öffentlichen Partizipation der Bangkoker Bevölkerung an den Projekten;
- kommunale Wirtschaftspolitik: Schaffung von Möglichkeiten der Teilnahme der Bevölkerung an Berufs-Fortbildungsmaßnahmen der Bangkok Metropolitan Administration (BMA) und Förderung der Zusammenarbeit der BMA mit der Privatwirtschaft, um Arbeitsplätze und Investitions-Beratungszentren sowie Absatzmärkte zu schaffen.
Dennoch sei davor gewarnt, das „Apirak Phänomen“, d.h. das Ergebnis der Gouverneurswahlen überzubewerten, es ist mitnichten ein Indikator für einen drastischen Umschwung im politischen Klima Thailands; die Wahlen repräsentieren ausschließlich das Stimmungsbild in Bangkok, nicht aber die Wählerstimmung in den Provinzen außerhalb der Hauptstadtmetropole, in denen die populistische Politik der Regierungspartei eindeutig dominiert und auch auf fruchtbaren Boden fällt.
Der Sieg der von der Regierungspartei favorisierten Kandidatin wäre allerdings von essentieller Bedeutung für die Konsolidierung der politischen Macht der Thai Rak Thai in der Hauptstadt gewesen, die traditionell eine Hochburg der „Democrat“-Wähler ist. Die Wähler haben sich indes für denjenigen Kandidaten entschieden, von dem sie annehmen, dass er die Übermacht der Regierungspartei am besten ausbalancieren könne – wiederum ein Zeichen dafür, dass man die Bangkoker Wähler nicht unterschätzen sollte. Premier Thaksin hat dem neuen Gouverneur öffentlich seine Unterstützung versprochen; die Zukunft wird zeigen, ob es sich bei dieser Äußerung um politischen Eigennutz und Taktik oder tatsächlichen politischen Willen handelt. Thaksin würde gut daran tun, sein Versprechen wahrzumachen, um das Vertrauen der Hauptstadt-Wähler vor den Parlamentswahlen zurückzugewinnen, vor allem jedoch im Hinblick auf die drängenden Probleme der thailändischen Metropole.