Länderberichte
Wenige Wochen vor den Wahlen am 27. Dezember herrscht Hektik in Nairobis zahlreichen Redaktionsstuben. Dass es stressig werden würde, wussten alle. Doch dass die politischen Ereignisse die Reporter schon fast im Stundentakt mit Neuigkeiten erfreuen, damit hatte niemand gerechnet. „Ich musste auswärtige Termine absagen und habe alle verfügbaren Mitarbeiter mobilisiert“, meint lakonisch Wangheti Mwangi, Redaktionsdirektor der Nation Media Group, Nairobi. Von Kollegen in anderen Verlagen weiß er, dass es denen nicht besser ergeht.
Wer hätte auch damit gerechnet, dass so viele Minister aus dem Kabinett von Kenias Präsident Daniel arap Moi fahnenflüchtig werden. Acht Minister haben seinen Kabinettstisch verlassen, seit Moi seinen Kopf durchsetzte und Uhuru Kenyatta, den Sohn des ersten keniaschen Präsidenten nach der Unabhängigkeit, zum Präsidentschaftskandidat der KANU Partei kürte. Mit diesem Schritt hat Moi, seit 24 Jahren im Amt und bislang als gewiefter Taktiker und Stratege bekannt, die eigene Partei gespalten.
Ein gefundenes Fressen für die Journalisten. Jeder Rücktritt wird in all seinen Facetten beleuchtet, zumal einige langjährige Freunde Mois auch noch kurzerhand ins Oppositionslager wechselten. „Da macht die Arbeit doppelt Spaß“, freut sich Mwangi. Trotzdem ist er vorsichtig mit den Berichten. Erst im August ist ein Kollege zu sechs Monaten Haft verurteilt worden. Der hatte über Mois Verwicklungen in ethnisch motivierte Auseinandersetzungen im Vorfeld der Wahlen 1992 berichtet. Damals starben 1500 Menschen.
So operieren Mwangi und seine Kollegen vorsichtig im schwierigen Feld der Berichterstattung. Trotzdem ist der Leiter der Nation Group überzeugt, dass es den Medien in Nairobi sowohl in Bezug auf die Rechte der Presse, als auch wirtschaftlich gut geht. Trotz hoher Arbeitslosigkeit im Land und rasant schrumpfender Wirtschaft existiert noch immer eine lesehungrige Mittelschicht, die den Fortbestand der Zeitungsvielfalt in der Hauptstadt garantiert. „Unsere Anzeigenkunden sind zwar sparsamer geworden, aber noch ist unser Überleben gesichert“, erläutert Mwangi. Allerdings beschränkt sich dies auf die Hauptstadt. Hier können die Leser in Vielfalt schwelgen, gibt es private Radio- und TV-Sender. Außerhalb Nairobis ist es mit der Vielfalt schlagartig vorbei.
Wer kaum die paar Schillinge für ein bisschen Maismehl oder etwas Gemüse zusammenkratzen kann, gibt sein Geld nicht für Zeitungen aus. So erreichen nur wenige unabhängige Zeitungen die Provinz. Dafür findet sich die staatliche Presse hier breit vertreten. Und es wird viel Radio gehört, allerdings auch zumeist die staatlichen Sender, die sich im Gegensatz zu den privaten Sendern um die eigene Profitabilität nicht sorgen müssen.
„Unsere Kollegen von den staatlichen Medien machen natürlich hemmungslos Werbung für die regierende KANU Partei“, meint Mwangi schulterzuckend. Trotzdem dringen die Nachrichten über den desolaten Zustand des KANU-Lagers in die Provinz. Kleine Community-Radiosender scheuen sich nicht und verbreiten fleißig die desaströsen Neuigkeiten aus der Hauptstadt. Den Rest erledigt Mund-zu-Mund-Propaganda. Und so spricht sich jeder neue Rücktritt in Windeseile bis in den hintersten Winkel des Landes herum.
„Natürlich tragen auch unsere Korrespondenten in den verschiedenen Provinzen dazu bei, dass sich die News schnell verbreiten“, erläutert Mwangi stolz. Dabei übersieht er geflissentlich, dass die so genannten Korrespondenten keine fest angestellten Mitarbeiter der Zeitungen sind. In Kenia hat sich eine Art journalistischer Sklavenmarkt entwickelt. Ein Großteil der Journalisten sind freie Mitarbeiter, die „Korrespondenten“ genannt werden. Viele von denen hangeln sich mühsam von Auftrag zu Auftrag und werden für ihre Recherchen und Berichte mit wenigen Schillingen abgespeist. Die Telefonate zur Übermittlung der Neuigkeiten, Faxkosten oder den Internetanschluss müssen sie aus der eigenen Tasche finanzieren. Was dann am Ende übrig bleibt, reicht oft gerade zum Überleben.
„Das ist nicht gesund“, kritisiert Daniel Otunge, der sich lange als „Freier Journalist“ durchschlug. Immerhin sind die Tageszeitungen, Magazine oder auch die TV- und Radiosender auf Mitarbeiter in der Provinz angewiesen. Doch der Konkurrenzdruck ist groß und so wagt es kaum einer, das karge Einkommen durch Kritik an den Brötchengebern zu gefährden.
Wichtigster Maluspunkt aus Sicht von Otunge ist, dass diese extreme Abhängig von zumeist nur einem Arbeitgeber dazu führt, nur noch zu berichten, was in die Linie des Auftraggebers passt. „Das führt doch fast automatisch zu Selbstzensur.“
Obendrein stehe der Journalist dann auch schon mal ganz allein da, wenn kritisierte Politiker vor Gericht ziehen und den Autor verklagen. Da nützt es ihnen oft gar nichts, dass sie ihre Recherchen belegen können. Vor Gericht auch Recht zu bekommen, ist bekanntermaßen Glückssache.
Natürlich gibt es Gewerkschaften und Journalistenvereinigungen, aber das Vertrauen der Mitglieder in diese Institutionen ist gering. Und bei Gerichtstreitigkeiten fühlen sich die organisierten Journalistenvertreter lediglich als moralische Stütze gefordert.
Trotz aller Kritik stützen Kenias Journalisten ihre Interessenvertreter. Schließlich sind es die Journalisten- und Medienvereinigungen, die der Regierung Paroli bieten, wenn diese der Presse Fesseln anlegen will. Doch auch die Medienvertreter konnten ein neues Gesetz nicht verhindern, das Verlage nun zum Erweb eine Art Drucklizenz verpflichtet, die durchaus bis zu mehreren hunderttausend Euro teuer ist.
„Diese hohen Gebühren können für einige Verlage existenzgefährdend werden“, erläutert Mwangi. Eine kenianische Nachrichtenagentur zog nun gegen dieses Gesetz vor Gericht. Ihr Vorwurf: Das neue Gesetz gefährde das Recht auf Meinungs- und Redefreiheit und verstoße damit gegen die kenianische Verfassung.
„Sie sehen, wir wehren uns“, grinst Mwangi und stürzt sich wieder in die Arbeit. Bis zum 27. Dezember werde sicher noch einiges passieren. Und wenn dann vielleicht sogar die Opposition ans Ruder käme, ginge ihnen der Stoff bestimmt nicht so schnell aus.