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In der ersten direkten Auseinandersetzung in „Prime Minister`s Question Time“ am 12. November erwies sich Howard zur Freude seiner Fraktionskollegen zudem als gleichwertiger Gegenspieler zu Tony Blair und verschaffte sich mit guter Vorbereitung, Angriffslust, Witz und Schlagfertigkeit Respekt auch bei seinen politischen Gegnern und den Medien.
Premierminister Blair dürfte diese Opposition noch zu schaffen machen, auf der anderen Seite kann er eine erstarkte Tory-Fraktion zur Disziplinierung seiner in wichtigen Fragen gespaltene Labour Party nutzen.
Die ersten Entscheidungen von Michael Howard galten einer grundlegenden Erneuerung des Central Office, der „Geschäftsstelle“ der Tories, und damit dem strategischen und organisatorischen Brückenkopf der Partei. Vieles von dem Durcheinander, den Intrigen und dem Dilettantismus, bestimmenden Ingredenzien im Erscheinungsbild der Tories in den letzten Monaten, gingen von hier aus.
Seit der Einführung der Position des „Chairman“, vergleichbar dem Generalsekretär, im Jahre 1911, haben viele der einflußreichsten Politiker der Konservativen Partei diese Aufgabe wahrgenommen, darunter Neville Chamberlain, Willie Whitelaw, Norman Tebbit, Lord Hailsham, Lord Carrington oder Chris Patten.
Die erste Frau in diesem Amt war Theresa May, die jetzt von Michael Howard abgelöst und ersetzt wurde durch den bisherigen Schatten-Gesundheitsminister Liam Fox sowie Lord Saatchi, der im Oberhaus für die Tories als Finanzfachmann wirkte und in dieser Zeit enge persönliche und politische Bindungen mit dem damaligen „Schatten-Schatzkanzler“ Michael Howard entwickelte. Beide teilen sich die Aufgabe des Chairman, Fox, der frühere Wahlkampfmanager und Parlamentarische Privatsekretär Howard´s, wird sich dabei vorwiegend um die Aussenwirkung der Partei kümmern, während Maurice Saatchi, der frühere Teilhaber von Saatchi & Saatchi, einer der erfolgreichsten Anzeigen- und PR-Agenturen, sich der professionellen Organisation und des „Innenlebens“ der Tories annehmen wird.
Zu den ersten Entscheidungen dieses neuen Teams gehören der geplante Verkauf des Central Office am Smith Square, das die Partei seit 45 Jahren beherbergt, und der Umzug in ein moderneres Gebäude sowie die Entlassung der drei führenden, für Presse und Kommunikation zuständigen Mitarbeiter.
Eine Überraschung ist Michael Howard bei der Bildung seines neuen Schattenkabinetts gelungen, bei dem er erstmals von der Tradition abweicht, jedem Minister der Regierung einen „Schatten-Minister“ mit gleichen inhaltlichen Zuständigkeiten gegenüberzustellen. Die Entscheidung, die Führungsmannschaft der Opposition um die Hälfte zu verkleinern und nur noch aus zwölf Abgeordneten bestehen zu lassen, geht einher mit der Berufung von 86 der insgesamt 165 Tory MP`s in Funktionen der sogenannten „Frontbench“.
In beiden Fällen war bestimmendes Motiv, einerseits die Partei und ihre diversen Flügel zusammenzuführen und zu disziplinieren, andererseits Entscheidungsfindung, Schlagkraft und Aussenwirkung zu verbessern. Ob dies gelingt, wird man sehen müssen. Kurios wirkt der Umstand, daß es „Schatten-Minister“ gibt, die dem „Schatten-Kabinett“ angehören, und solche, die zu seinen Beratungen und Entscheidungen nicht geladen sind. Ganz erkennbar ist in jedem Fall, daß es Howard mehr um die Zusammensetzung einer kampagnefähigen Mannschaft ging, als um die Präsentation einer künftigen Tory-Regierung.
Ganz frei war er dabei indes nicht, mußte auch innerhalb des „Kernteams“ eine Balance versuchen und jene „Schwergewichte“ berücksichtigen, die seine „Krönung“ durch den Verzicht auf eine eigene Kandidatur erst ermöglicht oder zumindest erleichtert haben. Michael Portillo, der charismatische „Modernisierer“, der zweimal bei dem Versuch abgeblockt worden war, Vorsitzender der Partei zu werden, verweigerte eine Mitwirkung im Schatten-Kabinett mit dem Hinweis, bei den nächsten Wahlen nicht wieder anzutreten. Kenneth Clarke, ebenfalls gescheiterter Bewerber um den Vorsitz, verweigerte eine Mitwirkung mit dem Hinweis auf seine pro-europäische Haltung und die Ablehnung des Irak-Krieges. Er wolle – so sagte er – den Tories eine beständige Kontroverse an der Spitze der Partei ersparen, wie sie bei Labour zwischen Blair und Brown zu beobachten sei. Aber er wird Mitglied eines „Beraterteams“ für Michael Howard, das neben Clarke aus dem früheren Premierminister John Major sowie den früheren Parteiführern William Hague und Iain Duncan Smith besteht.
Maßgebliche Positionen erhielten David Davis als „Schatten-Innenminister“, den viele als Gegenkandidaten vermutet oder erhofft hatten und der den rechten Flügel der Partei repräsentiert. Der 47jährige Oliver Letwin, bisher in dieser Position, rückt in die von Howard freigemachte Aufgabe des „Schatten-Schatzkanzlers“, was eine Anerkennung seiner politischen Fähigkeiten und seiner medialen Wirkung bedeutet. Tim Yeo, ebenfalls ein potentieller Gegenkandidat, erhält eine etwas bizarre Zuständigkeit für Gesundheit und Erziehung, zwei eigentlich selbstständigen Kernbereichen der bisherigen Attacken der Tories gegen die Politik von Labour im Bereich der öffentlichen Dienstleistungen. Michael Ancram behält seine Funktion als stellvertretender Vorsitzender und sieht seine Zuständigkeit als „Schatten-Aussenminister“ erweitert um „Internationale Angelegenheiten“, was Verteidigung, Handel und Entwicklungshilfe umfasst. Die dafür jeweils zuständigen Abgeordneten Nicholas Soames, John Arbuthnot und John Bercow tragen zwar den Titel Shadow Secretary of State, gehören dem „Schattenkabinett“ aber nicht an. Der bisherige Schatten-Verteidigungsminister Bernard Jenkin darf sich künftig um die britischen Regionen kümmern, ebenfalls außerhalb des Kabinetts. Theresa May, die in schweren Zeiten als „Party Chairman“ fungierte, erhält die Verantwortung für Umwelt und Transport und wird dabei – außerhalb des Kabinetts – unterstützt von Caroline Spelman, bislang für Entwicklungspolitik zuständig und nun für Umweltschutz sowie Frauenfragen, und Damian Green, dem erfolgreichen Schatten-Erziehungsminister, der sich – überraschend abgestuft – mit den Problemen des öffentlichen Transports befassen soll.
Mit David Curry als Shadow Secretary of State for Local Government, Wales and Scotland, wird einer der wenigen ausgewiesenen Pro-Europäer ins engere Team berufen. Als früherer Financial Times Redakteur hat er eine besondere Nähe zu vielen Journalisten. Er schied aus Protest gegen die Europapolitik von William Hague aus dessen Schattenkabinett und kultivierte ein „Nicht-Verhältnis“ zu dessen Nachfolger Duncan Smith.
Der „Mann mit den zwei Gehirnen“, wie er häufig genannt wird, David Willetts, behält seine Zuständigkeit für Arbeit und Pensionen und bekommt zusätzlich die Aufgabe der politischen Koordination im Schattenkabinett. Dessen Mitglieder werden schließlich komplettiert mit den beiden Co-Chairman Maurice Saatchi und Liam Fox sowie dem wiederberufenen „Chief Wip“ der Opposition, David Maclean, und dem Oppositionsführer im Oberhaus, Lord Strathclyde.
Gänzlich ausgeschieden und auf die Hinterbänke verwiesen sind der bisherige Schatten-Minister für Nordirland und enge Freund Deutschlands, Quentin Davies sowie Bill Cash, einer der wichtigsten politischen Weggefährten von Duncan Smith, mit dem zusammen er leidenschaftlich und entschlossen gegen eine engere Bindung Großbritanniens an Europa und die Zusammenarbeit der Tories mit der EVP kämpfte.
Diese Stimmen werden indes nicht versiegen, und so bleibt die Frage nach der künftigen inhaltlichen Ausrichtung der Tories und ihrer Positionierung. Während sie schon unter Duncan Smith bemerkenswerte Konzepte zur inneren Sicherheit, Gesundheitspolitik, Pensionen, Schule und Hochschule sowie einer besseren Grundversorgung beim öffentlichen Nahverkehr vorgelegt hat, bleibt ihr Umgang insbesondere mit den Fragen der künftigen Ordnung Europas immer noch bestimmt von einer in Teilen irrationalen und obsessiven Ablehnung.
Solange es Howard und seiner neuen Führungscrew nicht gelingt, sich diesen Themen pragmatischer und gelassener zu nähern, Sprache und Erscheinungsbild zu modernisieren, werden sie zu vielen jungen und urbanen Bevölkerungsteilen nicht durchdringen. Aber gerade sie werden die Tories ansprechen und für sich gewinnen müssen, wenn sie für von Labour enttäuschte Wähler attraktiv werden wollen.
Und so sieht das neue Personaltableau insgesamt aus:
Shadow cabinet
Shadow chancellor - Oliver Letwin
Foreign affairs - Michael Ancram
Home affairs - David Davis
Education and health - Tim Yeo
Transport and environment - Theresa May
Leader in the Lords - Lord Strathclyde
Local and devolved government affairs - David Curry
Joint party chairmen - Liam Fox and ord Saatchi
Head of policy co-ordination - David Willetts
Chief whip - David Maclean
Shadow ministers outside the shadow cabinet
Defence - Nicholas Soames
International development - John Bercow
Trade - James Arbuthnot
Shadow chief secretary to the Treasury - Howard Flight
'
Shadow industry spokesman - Stephen O'Brien
Shadow attorney general - Dominic Grieve
Constitutional affairs spokesman- Alan Duncan
Culture, media and sport spokesman - Julie Kirkbride
Shadow education - Tim Collins
Shadow health - Andrew Lansley
Environment and spokesman for women - Caroline Spelman
Transport spokesman - Damian Green
Agriculture, fisheries and food - John Whittingdale
Shadow Commons leader - Oliver Heald
Local government - Eric Pickles
Regions - Bernard Jenkin
Northern Ireland - David Liddington
Wales - Peter Duncan
Other shadow ministers in the Lords:
Deputy Lords leader - Baroness Blatch
Shadow lord chancellor - Lord Kingsland
Chief whip (Lords) - Lord Cope of Berkeley
Deputy chief whip (Lords) - Baroness Seccombe
Deputy chief whip (Commons) -Patrick McLoughlin
Deputy Tory chairmen
Charles Hendry MP and David Cameron MP
O!ther shadow ministers
Geoffrey Clifton-Brown MP, John Hayes MP, Christopher Chope MP, Greg Knight MP, Anne McIntosh MP, Simon Burns MP, Tim Loughton MP, Tim Boswell MP, Eleanor Laing MP,Jacqui Lait MP, Humfrey Malins MP, Patrick Mercer MP, Andrew Mitchell MP, Laurence Robertson MP and Andrew Tyrie MP