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Länderberichte

Neue Epoche in den Japan-ASEAN Beziehungen

von Dr. Colin Dürkop
Zwischen dem aufstrebenden Indien im Westen und der wirtschaftlich dynamischen Region China/Japan/Korea im Nordosten sieht sich ASEAN zunehmend in einer erdrückenden „Sandwich-Position“. Um langfristig wettbewerbs- und überlebensfähig zu bleiben, laufen derzeit parallel mehrere Integrations- und Öffnungsprozesse. Auf der einen Seite strebt die südostasiatische Staatengemeinschaft die Bildung einer Wirtschaftsgemeinschaft ASEAN Economic Community (AEC) bis zum Jahr 2020 an. Auf der anderen Seite findet zurzeit regelrecht ein Wettlauf an Verhandlungen zum Abschluss von sich gegenseitig überlagernden Freihandelsabkommen und weiteren Kooperationsvereinbarungen in der Region (ASEAN Freihandelszone AFTA bis 2015; bilaterale Economic Partnership Agreements (EPA); ASEAN+3 Cooperation) statt. Einen besonderen Stellenwert nehmen dabei die engen und umfassenden „speziellen“ Beziehungsgeflechte zwischen Japan und den Asen-Ländern („ASEAN+1“) ein.

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Der 30 jährige Asean-Japan Jubiläumsgipfel, der im Dezember 2003 in Tokio stattfand und erstmals alle ASEAN Regierungschefs außerhalb ihrer Gemeinschaft mit einem wichtigen „Dialogpartner“ zusammenbrachte, hat - nicht nur symbolisch - gezeigt, dass Japan entschlossen handeln möchte, um weiterhin einen gewichtigen Faktor in den asiatischen Märkten darzustellen und künftig eine noch wichtigere Rolle in Asiens Zukunft spielen zu können.

Liest man die Tokyo Declaration for the Dynamic and Enduring ASEAN-JAPAN Partnership in the New Millennium einmal genau, verstärkt sich dieser Eindruck. Das Dokument ist ganz deutlich auf das Ziel einer stärkeren regionalen Integrationsförderung in Südost- und Ostasien hin ausgerichtet („Deepening East Asia Cooperation for an East Asian Community“). Wie ein roter Faden zieht sich das Streben nach verstärkter regionaler Integration durch, angefangen von der Förderung einer „umfassenden wirtschaftlichen Zusammenarbeit“ bei den vergangenen ASEAN Gipfeltreffen in Phnom Penh (2002) und in Bali (2003) bis hin zum Asean-Japan Gipfel in Tokio als eine logische Ergänzung zu den derzeit laufenden multiplen Verhandlungen zu Freihandelsabkommen in der Region. Durch die Ausweitung der Freihandelszonen wird der Weg hin zu einer Comprehensive Economic Parntership (CEP) in einem zeitlichen Rahmen von 10 bis 15 Jahren und letztlich zu einer künftigen East Asian Economic Community vorgezeichnet.

Mit Singapur hatte Japan bereits sein erstes, viel beachtetes Freihandelsabkommen unterzeichnet, welches trotz erheblicher Widerstände der japanischen Agrarlobby zustande kam. Ähnliche Verhandlungen mit Thailand, Malaysia und den Philippinen werden in Kürze aufgenommen, wenngleich sich deren konkrete Ausgestaltung als nicht einfach erweisen dürfte. Selbst mit Indonesien ist ein künftiges bilaterales Freihandelsabkommen im Gespräch.

Mit der Realisierung einer kompletten Japan-ASEAN Freihandelszone käme es letztlich zu einem gemeinsamen Wirtschaftsraum von über 700 Millionen Menschen. Japan hat mit dieser Kehrtwende seiner Handelspolitik die Konsequenzen aus dem Scheitern des WTO Gipfeltreffens von Cancún gezogen und möchte nun offensichtlich eine Lokomotivfunktion bei den weiteren Integrationsprozessen in Ostasien übernehmen.

Etliche Kommentatoren bewerten den Japan-ASEAN Pakt auch als eine Art „Aufholjagd“ mit Chinas aufstrebendem politischen und wirtschaftlichen Einfluss in der Region. In einer bemerkenswerten „Goodwill-Offensive“ hatte China bereits zuvor die Initiative zu Verhandlungen mit ASEAN zwecks Schaffung eines Freihandelspakts ergriffen, wodurch es seinerseits in 10 bis 15 Jahren zu einer riesigen gemeinsamen Freihandelszone kommen würde. Es wird interessant sein, die weiteren politischen Schritte und Reaktionen Chinas auf den kürzlichen japanisch-südostasiatischen Schulterschluss weiter zu verfolgen.

Inwieweit es durch diese vielschichtigen Freihandelsabkommen in absehbarer Zeit im Endeffekt zum Entstehen einer funktionierenden ostasiatischen Freihandelszone gigantischen Ausmaßes führen könnte, ist derzeit schwer abzuschätzen. Bei all diesen Verhandlungen steckt der Teufel noch im Detail. Zu viele „sensible“ Sektoren (Personenfreizügigkeit, Intellectual Property Rights, technische Handelsbarrieren) müssen berücksichtigt werden.

Käme es allerdings dazu, würde theoretisch die größte Freihandelszone der Welt mit über zwei Milliarden Menschen entstehen und die bisherige Wirtschaftsordnung auf den Kopf stellen. Ostasien wäre dann noch vor Nordamerika und der Europäischen Union das dritte dominante globale wirtschaftliche Gravitationszentrum.

Obwohl der Asean-Japan Commemorative Summit kein „Gipfel der Entwicklungszusammenarbeit“ war, ist Japan in Tokio nicht mit leeren Händen aufgetreten und hat sich wahrlich nicht lumpen lassen. Die ASEAN Gemeinschaft behält auch in Zukunft ihren prioritären Status bei der japanischen offiziellen Entwicklungshilfe (ODA). Neben einer Unterstützung der von Singapur initiierten sog. Initiative for ASEAN Integration (IAI) werden Projekte zur Entwicklung der Greater Mekong Sub-region (GMS) gefördert und es kommt zu einer weitreichenden sicherheitspolitischen Kooperation (u.a. bei Antiterrormaßnahmen, der maritimen Sicherheit und bei der transnationalen Kriminalitätsbekämpfung).

Immerhin hat Japan insgesamt drei Milliarden Dollar EZ-Gelder in den nächsten drei Jahren zugesagt. Davon sollen 1,5 Mrd. $ für Human Resource Development (Bildung, Job-Training in den ASEAN Ländern und Austauschprogramme für 40.000 Personen) verwendet werden. Der Rest kommt zahlreichen Entwicklungsvorhaben im Indochina Raum zugute (insbes. in den neuen, ärmeren ASEAN-Mitgliedsländern Vietnam, Kambodscha, Laos und Myanmar).

Für die ASEAN Länder war es aber ebenso wichtig, dass sich schließlich auch Japan auf dem Gipfeltreffen in Tokio zur Unterzeichnung des Treaty of Amity and Cooperation in Southeast Asia bereiterklärt hatte. Auf dem ASEAN Gipfeltreffen in Bali (2003) waren bereits China und Indien diesem südostasiatischen Freundschaftspakt aus dem Jahr 1976 beigetreten. Darüber hinaus diente der Jubiläums-Gipfel auch der Ausformulierung neuer, gemeinsamer Ziele und Ideale: ganz konkret wird z.B. der weitere Ausbau des „Rule of Law“, der Menschenrechte und der individuellen Freiheitsrechte explizit angesprochen. Des weiteren wird auf die Weiterentwicklung der Markwirtschaft und die Förderung von KMU eingegangen.

In dem Japan-Asean Plan of Action, einem voluminösen Dokument von 19 Seiten, werden über 100 Projektvorhaben („concrete activities and flagship projects“) zur politischen, wirtschaftlichen, entwicklungspolitischen und sicherheitspolitischen Zusammenarbeit näher beschrieben. Interessant in diesem Kontext ist auch die Aufnahme des Forum for East Asia-Latin America Cooperation (FEALAC) in den Katalog der gemeinsamen Entwicklungsvorhaben.

Japan und ASEAN geht es also nicht nur um die interregionale Integration in Asien, sondern ganz offensichtlich auch um transkontinentale Integrationsansätze. Auch die Schaffung von sog. „caring societies“, einem derzeit sehr populären Konzept in der gesellschaftspolitischen Diskussion im ASEAN Raum, wurden in die „Common Strategies for Action“ aufgenommen.

Fazit: Im Gegensatz zu vielen europäischen Ländern hat Japan somit ASEAN noch lange nicht abgeschrieben. Im Gegenteil: der Japan-ASEAN Schulterschluss nimmt Form an. Japan sieht in der südostasiatischen Staatengemeinschaft verstärkt einen vitalen Partner bzw. eine wichtige strategische Größe und wird sich dort auch künftig in erheblichem Umfang engagieren. ASEAN wiederum sieht in Japan nach wie vor einen gewichtigen, strategischen Partner mit Modellcharakter für seine eigenen Modernisierungs- anstrengungen, mit dem es seit 30 Jahren beständige und gewachsene Bande verbindet.

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Stefan Samse

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Leiter des Rechtsstaatsprogramms Asien

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