Zu den Abschnitten springen:
- Bidens Start – mehr als nur Symbolik
- Die Relevanz der Beziehung zwischen Mexiko und den USA
- Mexiko auf Bidens Agenda – konstruktive Signale und drohende Konflikte
- Die Rolle Deutschlands in der wirtschaftlichen Beziehung zwischen Mexiko und den USA
- Mexikos föderale Struktur und ihre Auswirkungen auf das transatlantische Verhältnis
- Fazit
Bidens Start – mehr als nur Symbolik
Am 20. Januar 2021 wurde Joe Biden als 46. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika vereidigt. Nur zwei Tage später führte er erste Telefonate mit seinen Kollegen und Partnern im Ausland. Dass es ihm dabei mit der Verbesserung der Beziehungen zu seinen unmittelbaren Nachbarn im Norden und im Süden ernst war, bewies die Tatsache, dass die beiden ersten Amtsträger auf seiner Liste der kanadische Premierminister Justin Trudeau und der mexikanische Präsident Andrés Manuel López Obrador (AMLO) waren.
Das Telefonat mit Trudeau war weniger überraschend, da die Beziehung des kanadischen Regierungschefs zu seinem US-amerikanischen Amtskollegen schon zu seiner Zeit als Vizepräsident und insbesondere seit Bekanntwerden der Wahlergebnisse aus den USA in den ersten Novembertagen herzlich und freundschaftlich war. Trudeau gehörte zu den ersten Regierungschefs weltweit, die Biden nach seinem Wahlsieg über Donald Trump gratulierten.
Bidens Beziehung zu AMLO ist dagegen problematischer. Im Unterschied zu Trudeau gehörte AMLO weltweit zu den letzten Amtsträgern, die Biden zu seinem Sieg über Trump gratulierten. Darüber hinaus gab er Erklärungen ab, in denen er Trumps Behauptung des Wahlbetrugs zu unterstützen schien. Ebenso kritisierte er die Sperrung von Trumps Social-Media-Accounts nach den Geschehnissen im Kapitol und bot Julian Assange Asyl an, während seine Regierung vertrauliche Beweise der Drug enforcement Agency (DEA) gegen den ehemaligen mexikanischen Verteidigungsminister Salvador Cienfuegos verbreitete – genug Elemente also um einen schwierigen Start und eine weniger freundschaftliche Beziehung zwischen AMLO und Biden zu erwarten. Das hinderte Biden jedoch nicht daran, unmittelbar nach Amtsantritt eine direkte Kommunikation mit seinem mexikanischen Amtskollegen herzustellen, um vor dem Hintergrund der vielfältigen Interdependenz zwischen Mexiko und den USA eine bessere Zusammenarbeit zu begründen als unter seinem Vorgänger Donald Trump.
Die Relevanz der Beziehung zwischen Mexiko und den USA
Mexiko nimmt in der US-amerikanischen Außenpolitik traditionell einen wichtigen Platz ein. Dazu gibt es jenseits der geografischen Nähe beider Länder mit einer 3000 Kilometer langen Grenze mannigfaltige Gründe. Ein ganz wesentlicher Punkt für die Entwicklung dieser tiefgreifenden Beziehungen ist das über Jahrzehnte gewachsene institutionelle Gerüst zwischen der mexikanischen und der US-amerikanischen Administration. Unabhängig davon, wer auf beiden Seiten jeweils die Regierungsgeschäfte führt, bestehen vielfältige institutionelle und auch persönliche Beziehungen auf diversen Ebenen der jeweiligen Administration, die die Fortführung der bilateralen Beziehungen ermöglichen und Kontinuität gewährleisten. Dies erlaubt es, kontinuierlich an der Aufrechterhaltung der in verschiedenen Themen eingegangenen Verpflichtungen, z.B. in der Außen-, Handels-, Migrations- und Sicherheitspolitik, zu arbeiten. Gefährdet werden diese institutionellen Beziehungen allerdings immer dann, wenn die politischen Interventionen auf beiden Seiten tief in diese administrative Ebene eingreifen.
Ein weiterer grundlegender Aspekt dieser Beziehung ist die wirtschaftliche Verflechtung und Interdependenz. Die wirtschaftlichen Beziehungen zu Mexiko sind für die US-amerikanische Politik höchst relevant, sowohl auf Bundesebene, als auch auf lokaler Ebene. Dabei spielen nicht nur die geografische Nähe, sondern v.a. auch die seit 1994 durch das North Atlantic Free Trade Agreement (NAFTA) wesentlich dynamisierten weitreichenden Beziehungen in Handel und Investition eine zentrale Rolle. Der berühmte Satz aus Bill Clintons Wahlkampf aus dem Jahr 1992, “It´s the Economy, Stupid”, trifft heute noch genauso zu wie damals. Ein großer Teil der Wählerschaft in den USA sorgt sich intensiv um seine persönlichen Finanzen, zudem wirken sich globale Wirtschaftsfaktoren direkt auf Gehälter, Beschäftigung sowie Spar- und Renteneinlagen aus. In diesem Zusammenhang war Mexiko im Jahr 2020 der zweitwichtigste Handelspartner der Vereinigten Staaten, übertroffen nur von China, im ersten Quartal 2021 sogar knapp an erster Stelle.
Aber auch für Mexiko sind die Wirtschaftsbeziehungen zu den USA von grundlegender Bedeutung. Obwohl AMLO bei seinem Amtsantritt 2018 das Ende des „neoliberalen Modells” der wirtschaftlichen Öffnung ankündigte, hat sich daran in seiner fast dreijährigen Amtszeit nichts wesentlich geändert. Die wirtschaftliche Verflechtung und Abhängigkeit Mexikos von den USA hat sich seitdem vielmehr sogar noch verstärkt. AMLOs Besuch in Washington im Juli 2020 anlässlich des Inkrafttretens des NAFTA-Nachfolgeabkommens, United States–Mexico–Canada Agreement (USMCA), der in Mexiko wegen der Beleidigungen durch Trump und des in diesem Moment im Nachbarland laufenden Wahlkampfs auf massive Kritik stieß, war ein Beweis dafür. Mexikos Abhängigkeit von der Weltwirtschaft ist erheblich, immerhin werden ca. 72% des mexikanischen BIP durch Außenhandel erwirtschaftet. Von diesem Exportvolumen entfallen aber allein auf die USA satte 80%. Auch hinsichtlich der Importe ist Mexiko auf das Nachbarland im Norden angewiesen – so stammen 50% der mexikanischen Einfuhren aus den USA.
Sich dieser wirtschaftlichen Realität entziehen und die Entwicklung zurückdrehen zu wollen, wäre von daher ökonomisch gefährlich und politisch wenig zielführend. Auch ohne die Pandemie-bedingten Auswirkungen war schon zu Beginn von 2020 erkennbar, dass die von AMLO seit seinem Amtsantritt 2018 verfolgte Politik einer stärkeren Nationalisierung zu einem Anstieg der Arbeitslosigkeit und einem Rückgang des wirtschaftlichen Wachstums geführt hat.
Mexiko auf Bidens Agenda – konstruktive Signale und drohende Konflikte
Im Jahr 2016 stellte Trumps Einzug ins Weiße Haus einen drastischen Einschnitt in der Beziehung der USA zu Mexiko dar. Schon während seines Wahlkampfs hatte Trump alles darangesetzt, Mexiko auf verschiedene Weise zu kritisieren und zu diskreditieren. So stempelte er in seinen Reden in die USA kommende Mexikaner als “Kriminelle” und “Vergewaltiger” ab. Ferner übte er harsche Kritik an der Migrationspolitik der mexikanischen Regierung, führte ihr geringes Engagement bei der Eindämmung der Migrationsströme an und drängte auf den Bau einer Mauer an der Grenze zu Mexiko, die laut Trumps Vorstellung durch Mexiko selbst finanziert werden sollte. Außerdem drohte er damit, aus dem nordamerikanischen Freihandelsabkommen NAFTA auszusteigen, wenn dieses nicht neu (und zu besseren Konditionen für die USA) verhandelt würde. Die konstanten Feindseligkeiten blieben nicht ohne Folgen in Mexiko, wo die Sympathie für den Nachbarn im Norden in Meinungsumfragen drastisch sank. Für die AMLO-Regierung erwies es sich als schwierig, die Beziehung zu ihrem wichtigsten Partnerland gelassen weiterzuführen, und verschiedentlich gab sie dem von Trump ausgeübten Druck nach im Versuch, eine Eskalation des Konflikts zu vermeiden.
Von daher ist es kaum überraschend, dass Bidens Amtsantritt in Mexiko bislang mehrheitlich positiv bewertet und mit zahlreichen Erwartungen verknüpft wird, was im Wesentlichen auf zwei Faktoren zurückzuführen ist: Erstens hat sich Biden bis dato deutlich freundlicher zu Mexiko geäußert als Trump, sowohl während seines Wahlkampfs, als auch in seinen ersten Tagen im Amt, was Hoffnungen weckt, dass die Beziehungen zwischen den beiden Ländern in den nächsten Jahren unkomplizierter und institutioneller werden. Die mexikanische Diplomatie befand sich angesichts der Art und Weise, wie die Beziehungen zu den USA während der Trump-Regierung geführt werden mussten, in einer Art „Schockzustand“, und setzt nun nach dem Wechsel im Weißen Haus auf eine substantielle Normalisierung. Ob das angesichts des geringen Stellenwertes der Außenpolitik allgemein in der AMLO-Administration der Fall sein wird, bleibt abzuwarten, der jüngste Botschafterwechsel in Washington war in diesem Zusammenhang ein eher ernüchterndes Signal.
Und zweitens enthält die Agenda zur Zusammenarbeit mit Mexiko, die Biden in seinen ersten Tagen angekündigt hat, Anzeichen darauf, dass sich die Beziehung von nun an auf mehr Freundlichkeit und Institutionalität gründen soll.
Auch in der Einwanderungspolitik hat Biden die Absicht geäußert, die von seinem Vorgänger eingesetzten Reformen rückgängig zu machen, die er als “drakonisch” bezeichnete. Möglicherweise greift die Biden-Regierung einige strategische Punkte aus der Amtszeit von Barack Obama auf mit dem Ziel, im Nördlichen Dreieck Zentralamerikas (Guatemala, Honduras und El Salvador) funktionsfähige und weniger korrupte Institutionen aufzubauen und die wirtschaftliche Entwicklung und Maßnahmen zum Abbau von Ungleichheit und zum Kampf gegen Armut zu unterstützen, um die Migrationsströme aus diesen Ländern zu verringern. Diese Strategie deckt sich mit der mexikanischen Zentralamerikapolitik, so dass in diesem Bereich Chancen auf eine Zusammenarbeit mit einer gemeinsamen Strategie zu erkennen sind.
Ein weiteres aktuelles Thema für die bilateralen Beziehungen zwischen den USA und Mexiko ist die Corona-Pandemie. Diese kann auch in den USA nicht ohne die Einbeziehung Mexikos eingedämmt werden. Die über 3000 Kilometer lange Grenze zwischen den beiden Ländern und die Grenzübergänge, die von so vielen Menschen überquert werden wie wenig andere auf der Welt, machen die Zusammenarbeit zu einem wichtigen Faktor, um die Ausbreitung von COVID-19 in der Region aufzuhalten. Auch wenn die Bitte Mexikos nach Impflieferungen in erster Instanz von der Biden-Administration abgeschmettert wurde, kam es im weiteren Verlauf dann doch zu einer (vielleicht eher symbolischen) Lieferung des AstraZeneca-Impfstoffes aus den USA.
Auch für die wirtschaftliche Erholung nach der Pandemie ist die Beziehung zu den USA wie schon erläutert prioritär. Es müssen Anreize für Kooperationsmechanismen geschaffen, und damit nach der partiellen Grenzschließung seit März 2020, im Jahr 2021 wirtschaftliche Blockaden verhindert werden.
Doch trotz der aus mexikanischer Sicht mehrheitlich positiven Einschätzung von Bidens Einzug ins Weiße Haus könnte es auch gewichtige Differenzen zwischen beiden Regierungen geben. So hat Biden substantielle Veränderungen in der Energie- und Umweltpolitik der USA angekündigt. Der vorgesehene Ausstieg aus der Erdölnutzung und die Orientierung hin zu erneuerbaren Energiequellen steht im diametralen Gegensatz zur mexikanischen Energiepolitik. AMLO hat seit seinem Amtsantritt das nationale Erdölunternehmen PEMEX und den staatlichen Stromversorger Comisión Federal de Electricidad (CFE) in den Vordergrund seiner Energiepolitik gestellt und priorisiert fossile Brennstoffe mit großen Projekten wie dem Bau einer Raffinerie in Dos Bocas im Bundesstaat Tabasco. Dieser fundamentale Kontrast birgt politischen Sprengstoff, da er sich mit hoher Wahrscheinlichkeit auch auf die wirtschaftlichen und politischen Beziehungen auswirken wird.
Ein weiteres relevantes Thema für die USA und Mexiko ist die Zusammenarbeit im Bereich Sicherheit, wozu vorrangig die Bekämpfung und Zerschlagung der immer mächtigeren mexikanischen Drogenkartelle gehört. Die Biden-Regierung wird sich angesichts der sprunghaft ansteigenden Mordraten und der Unsicherheit darum bemühen, die Rechtsstaatlichkeit, die Polizeireform und die Anti-Korruptions-Maßnahmen in Mexiko zu stärken. Bislang ist dieses Thema nicht Gegenstand der bilateralen Gespräche gewesen, da auch hier Kontroversen zu erwarten sind. Das wiederum zeigt, wie sehr man derzeit vor allem darum bemüht ist, atmosphärische Verbesserungen in den bilateralen Beziehungen zu erzielen und von daher vorerst konfliktträchtige Punkte ausklammert. Allerdings ist dies nur eine Momentaufnahme, die schwierigen Themen sind derzeit nur vertagt, nicht gelöst.
Die Rolle Deutschlands in der wirtschaftlichen Beziehung zwischen Mexiko und den USA
Die Expansion des Handels zwischen den USA und Mexiko im Zuge der Implementierung des NAFTA-Abkommens zog die Schaffung vertikaler Lieferketten nach sich, hauptsächlich entlang der Grenze zwischen Mexiko und den Vereinigten Staaten. Dank dieser Entwicklung lag Mexiko 2019 weltweit an neunter Stelle bei der Warenausfuhr. Der Fluss von in den USA produzierten Zwischenprodukten, die nach Mexiko exportiert, dort fertiggestellt und wieder in die USA exportiert werden, hat die Bedeutung der Grenzregion als Produktionsstelle für die US-amerikanische Fertigungsindustrie enorm gesteigert. Derzeit hängen für die USA bedeutsame Branchen wie die Automobil- oder Elektronikindustrie, Maschinenbau oder Zubehör allesamt von der Unterstützung durch die mexikanische Industrie ab. Dadurch ist ein hoch integrierter Produktionsraum entstanden, dessen Funktionsfähigkeit in hohem Maße von der Aufrechterhaltung und Effizienz der bilateralen Kooperation abhängt. Das erklärt u.a. warum z.B. der US-Kongress ein dezidiertes und dauerhaftes Interesse an der Neuverhandlung des NAFTA-Abkommens und dem Inkrafttreten des seit dem 1. Juli 2020 bestehenden United States–Mexico–Canada Agreement (USMCA) gezeigt hat.
Durch die Wirtschaftsbeziehung mit den USA und Kanada ist Mexiko zu einem global führenden Exporteur von Fertigprodukten geworden, wobei die Automobil-, Elektronik- und Raumfahrtindustrie an erster Stelle zu nennen sind. Es muss in diesem Kontext berücksichtigt werden, dass die mexikanischen Fertigungskapazitäten in hohem Maße von ausländischen Direktinvestitionen (ADI) abhängen, die sich im Land niederlassen, um in diese Exportketten für den nordamerikanischen Markt einzusteigen. Dabei werden die meisten dieser ADI in der verarbeitenden Industrie getätigt. Im Jahr 2019 konzentrierten sich 46% aller im Land erhaltenen ADI allein auf diesen Sektor. Neben US-amerikanischen Unternehmen sind es vor allem Investitionen aus Japan oder Deutschland, die in den letzten zwanzig Jahren den zweiten bzw. dritten Platz bei ADI im verarbeitenden Sektor erreichten.
Allein Deutschlands Anteil an ADI in der Manufaktur in Mexiko addierte sich von 1999 bis 2020 auf 22,2 Billionen US-Dollar. 2019 und 2020 übertraf Deutschland sogar Japan und wurde zum zweitgrößten Investor in Mexiko – lediglich die Vereinigten Staaten verzeichneten noch mehr ADI in Mexiko als Deutschland. Mexiko ist damit als Markt und Investitionsstandort für deutsche Unternehmen immer bedeutsamer geworden. Das so aufgebaute Vertrauen, das deutsche Unternehmer in Mexiko setzen, kam auch bei verschiedenen gemeinsamen Initiativen zum Ausdruck. So war Mexiko 2018 offizielles Gastland bei der Hannover-Messe und dort mit über 110 ausstellenden Unternehmen vertreten, wodurch Investitionsprojekte in einem Volumen von über 700 Millionen US-Dollar vereinbart werden konnten. Nach dem Erfolg der mexikanischen Beteiligung in Hannover entschied die Deutsche Messe AG, diese Messe erstmals in Lateinamerika durchzuführen. Mit durchschlagendem Erfolg fand diese bedeutende Industriemesse unter dem Label „Industrial Transformation Mexiko“ (ITM) in den Jahren 2019 und 2020 in León, Guanajuato, statt, was die Bedeutung des Industriestandortes Mexiko nochmal verstärkte.
Allerdings sind diese Investitionen nicht gleichmäßig über das mexikanische Staatsgebiet verteilt, sondern werden hauptsächlich in den Bundesstaaten im Zentrum und Westen des Landes getätigt. Die Bundestaaten, die diese Region bilden, (Guanajuato, Aguascalientes, Querétaro, San Luis Potosí und Jalisco), haben mit der sogenannten “Alianza Centro-Bajío-Occidente” einen formalen Rahmen zur Zusammenarbeit geschaffen, der sich zum Ziel gesetzt hat, diese Region zu einem führenden Standort, was Wettbewerbsfähigkeit und Investitionsattraktivität angeht, zu entwickeln.
Bereits im Jahr 2019 trug diese Region einen Anteil von 36,4% zu den Gesamtexporten Mexikos bei. Besonders bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass bei der Entwicklung der dazu notwendigen Produktionszentren deutsche Investitionen eine Schlüsselrolle gespielt haben. Neben den Automobilherstellen Audi, Mercedes, VW und BMW ist ein weiteres Beispiel dafür die 120 Millionen US-Dollar umfassende Investition der Bosch AG im Staat Guanajuato für die Herstellung elektronischer Bauteile für die Automobilindustrie, wodurch eine der modernsten Produktionsanlagen in Nordamerika geschaffen wurde. Ein weiteres jüngeres Beispiel ist die für 2021 angekündigte Investition der Continental AG über 72 Millionen US-Dollar für die Erweiterung seines Automobilzulieferwerks in San Luis Potosí.
Mexikos föderale Struktur und ihre Auswirkungen auf das transatlantische Verhältnis
Mexiko ist ebenso wie Deutschland und die USA ein föderal strukturiertes Land mit unterschiedlichen Zuständigkeiten und Befugnissen zwischen Nationalregierung und Bundesstaaten bzw. Kommunen. In diesem Kontext ist es wichtig, zwischen der Politik der mexikanischen Nationalregierung und den von 32 mexikanischen Gliedstaaten durchgeführten Politiken zu differenzieren, da diese zum Teil erheblichen Unterschiede und Akzentsetzungen aufweisen. Auch in den USA waren nach Trumps Amtsantritt deutliche Unterschiede zwischen der Politik des Weißen Hauses und der Politik der Teilstaaten erkennbar. Das beste Beispiel dafür sind die unterschiedlichen Reaktionen einzelner Bundesstaaten nach dem Austritt der USA aus dem Pariser Klimaabkommen: So entschieden einige Staaten wie Kalifornien, im Abkommen zu verbleiben und ihre eigene Klimapolitik auf lokaler Ebene fortzusetzen.
So haben auch in Mexiko verschiedene Bundesstaaten ihre Diskrepanz mit den von Präsident AMLO auf Bundesebene verfolgten Politiken deutlich gemacht. Insbesondere die von ihm immer wieder betonte Strategie, das bisherige Modell der Investitionsförderung hin zu einer auf globalen Märkten wettbewerbsfähigeren Wirtschaft beiseite zu lassen und sich in Richtung eines assistenzialistischen Modells zu bewegen, hat in den erwähnten Bundesstaaten des Bajío und den dort ansässigen Unternehmen für erhebliche Unruhe gesorgt. Die Landesregierungen der in der Alianza Centro-Bajío-Occidente zusammengeschlossenen Staaten haben deshalb z.B. eine Technologie-Plattform lanciert, durch die Exporte gefördert und Investitionen angelockt werden sollen. Dadurch sollen die durch den Handelsaustausch mit den USA und Kanada entstandenen Produktionsketten weiter gestärkt werden, was auch für die bereits erwähnte europäische Komponente von großer Bedeutung ist.
Mexiko hat diese subnationale politische und wirtschaftliche Dynamik mit den USA verstanden und dafür ein Modell einer mehrstufigen Diplomatie entwickelt, mit dem das politische System der USA auf allen Ebenen erreicht werden kann. Diese auf mehreren Ebenen angelegte Strategie hat es im Laufe der Jahre ermöglicht, jenseits der vom Weißen Haus verfolgten Politik Anknüpfungspunkte und Initiativen zu schaffen und dadurch die strategische Reichweite Mexikos in den USA auszuweiten. Auch für Deutschland und die deutschen Bundesländer läge hier eine Chance, gegenüber ganz Nordamerika eine solche mehrstufige Strategie umzusetzen, die die USA, Kanada und Mexiko einschließt. Diese Strategie könnte das Spektrum der Zusammenarbeit und Deutschlands Möglichkeiten zur Einflussnahme in der Region erweitern und Akteure in Mexiko auf subnationaler Ebene einbinden, zu denen bereits eine Verbindung besteht. Neben bilateralen Kooperationsmöglichkeiten deutscher und mexikanischer bzw. US-Amerikanischer Bundesstaaten könnten auch Kooperationsmodelle mit Region (wie im Bajío, aber auch in den Grenzregionen USA-Mexiko) für Investitionen und Kooperationen weiterentwickelt werden.
Fazit
In den Beziehungen zwischen Mexiko und den USA stehen einige akute Themen ganz oben auf der bilateralen Agenda, so z.B. der Umgang mit der Corona-Pandemie, die Migrationsströme in der Region und der wirtschaftliche Wiederaufschwung nach der Pandemie. Während es bei diesen Aspekten noch relativ einfach ist, Gemeinsamkeiten zu definieren, werden sich mittel- und langfristig bei anderen Themen entscheidende Unterschiede zeigen, beispielsweise bei der Energie- und Sicherheitspolitik für die Region.
Die Wirtschaftsbeziehung zwischen Mexiko und den USA beruht auf starken gegenseitigen Abhängigkeiten und wurde über Jahre hinweg aufgebaut. Es haben sich fest etablierte Produktionsketten herausgebildet, die es relativ unwahrscheinlich erscheinen lassen, das bisherige erfolgreiche Modell der intensiven Integration aufzukündigen, trotz des von der derzeitigen mexikanischen Regierung beabsichtigten ideologischen Richtungswechsels. Diese Produktionsketten beinhalten auch die Beteiligung von Akteuren aus anderen Regionen, wie z.B. Deutschland, dessen wachsende Beteiligung im mexikanischen Exportmarkt in die USA immer bedeutender geworden ist. Dabei ist aber hervorzuheben, dass sich diese Beteiligung nicht auf das gesamte mexikanische Staatsgebiet erstreckt, sondern sich hauptsächlich auf die Teilstaaten konzentriert, deren politischer Kurs signifikant von dem der mexikanischen Bundesregierung abweicht, in erster Linie die Staaten der sogenannten Alianza Centro-Bajío-Occidente.
Für Deutschland liegt hier eine Chance aber auch die Notwendigkeit diese Unterschiede zu erkennen und mit einem vielschichtigen Beziehungsgeflecht internationaler Partnerschaften auf Bundes-und Landesebene und unter Einbeziehung der Privatwirtschaft sowie weiterer internationaler Akteure (zu denen auch die deutschen politischen Stiftungen gehören) zu agieren. Dabei ist der Verbund von USA, Kanada und Mexiko als ein integrierter nordamerikanischer Wirtschaftsraum zu verstehen. Unter aktiver Beteiligung der mexikanischen Akteure und Partner kann so eine neue Dimension der transatlantischen Partnerschaft geschaffen werden.
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