Länderberichte
Nach ersten Hochrechnungen kam der PP zunächst nur auf 43% der Stimmen, nachdem kurz nach der Schließung der Wahllokale eine Prognose den PP auf 48% gesehen hatte. Der Madrider Fernsehsender „Telemadrid“ sendete bis zur Auszählung aller Wahlkreise durchgehend bis 24 Uhr, da die Ergebnisse zeitweilig sehr schwankten. Sehr spät kamen die Ergebnisse aus den PP-Hochburgen herein, die dem PP zur absoluten Mehrheit verhalfen.
Mit 48,45% der Stimmen – bei einer Wahlbeteiligung von 64% - erzielte der PP sein dritt bestes Ergebnis seit 1983. Die Sozialisten unter dem PSOE-Spitzenkandidaten Rafael Simancas büßte im Vergleich zu den Regionalwahlen am 25. Mai 2003 nur 1% ein und landete auf 38,96%. Die Linkspartei Izquierda Unida (IU) konnte ihr Stimmergebnis von vor fünf Monaten zwar leicht um 0,8% verbessern, aber auf die Anzahl der Abgeordnetenmandate hatte dieses Ergebnis keine Auswirkung. Insgesamt errang der PP von 111 zu vergebenden Mandaten 57 (Mai 2003: 55) und damit die absolute Mehrheit. Der PSOE rutschte von 47 auf 45 Mandate ab, während die IU ihre neun Mandate beibehielt.
Gegen 23 Uhr traten Wahlsiegerin Esperanza Aguirre und Mariano Rajoy, PP-Generalsekretär und designierter Nachfolger von José Maria Aznar, flankiert von der gesamten PP-Parteispitze auf den Balkon der PP-Parteizentrale, um den Wahlsieg zu verkünden. In lauten Rufchören spottete die PP-Anhängerschaft „Ätsch, Simancas, Madrid ist unser!“. In einer ersten Stellungnahme versprach Frau Aguirre eine „Regierung der Mitte und der Dialogbereitschaft“. Diese Regierung werde für alle Madrilenen da sein, fügte sie an. Mariano Rajoy, der „heimliche“ Sieger dieser Wahl, hob die „bundespolitische“ Bedeutung hervor mit den Worten: „Wir wollen eine stabile Regierung, weil es wichtig für Madrid und für Spanien ist; nun wollen wir an die Arbeit gehen, dafür sind wir gewählt worden.“
Für die Sozialisten gestand Simancas seine Niederlage ein, versprach aber eine „faire und verantwortungsvolle Opposition“. Die Niederlage sei ein Ergebnis der niedrigen Wahlbeteiligung, so Simancas. PSOE-Vorsitzender, José Luis Rodríguez Zapatero, sichtlich niedergeschlagen, erklärte, er wolle von nun ab seine ganze Kraft dazu einsetzen, dieses Ergebnis wieder umzukehren und das Vertrauen der Wähler wieder zu gewinnen. „Heute Nacht bin ich mir sicher, dass wir unser Ziel erreichen werden,“ rief Zapatero seinen Anhängern mit Blick auf die Nationalwahlen im kommenden März 2003 zu. Die IU machte den PSOE für die Wahlniederlage verantwortlich. Der PSOE habe nicht erkannt, wie wichtig es gewesen wäre, Seite an Seite in diesem Kampf zusammen zu stehen, um eine Alternative zum PP darzustellen. IU-Generalkoordinator Gaspar Llamarares streckte jedoch dem PSOE die Hand entgegen und rief die „Genossen“ für die nächsten Wahlen auf, gemeinsam die Niederlage der Rechten herbeizuführen.
Die Aufmachungen in den spanischen Medien am Tag nach der Wahl fielen relativ nüchtern aus. Die linksgerichtete Tageszeitung „El País“ schrieb auf der Titelseite „Der PP hat die absolute Mehrheit zurückgewonnen, die sie am 25. Mai verloren hatte“. In Kommentaren wurde die niedrige Wahlbeteiligung von 64% für die PSOE-Niederlage verantwortlich gemacht, die im Mai 2003 noch 69% betragen hatte. Diese Tendenz und die damit verbundene positive Auswirkung auf das PP-Ergebnis hatten bereits Meinungsforschungsinstitute vorhergesagt. Die PP-freundliche Tageszeitung „El Mundo“ schrieb in doppeldeutiger Absicht: „Gobernará Esperanza“, was übersetzt sowohl „Esperanza wird regieren“ als auch „Die Hoffnung wird regieren“ heißen kann.
„El Mundo“ nimmt damit Bezug auf den emotional geführten Wahlkampf in der Hoffnung, dass Esperanza Aguirre ihr Versprechen einhält, eine Regierung für alle Madrilenen zu bilden. In einem Kommentar schreibt „El Mundo“, der PSOE habe einen „Wahlkampf der Spaltung“ geführt, indem die Partei versucht habe, den Wählern einzureden, der PP habe eine Verschwörung inszeniert, um die Wiederholung der Wahl zu erreichen. Der PSOE sei aber mit seiner Strategie in die eigene Falle getappt, denn damit habe er den Wählern gezeigt, dass er nicht fähig sei, für alle Madrilenen da zu sein.
Auch die monarchistisch angehauchte Tageszeitung „ABC“ kommt in einem Kommentar mit dem Titel „Die Wahl und die Hypothek“ zu dem Schluss, dass der PSOE letztendlich seine Niederlage selbst verschuldet habe. Die Partei habe den Wähler nicht überzeugen können, dass die Differenzen innerhalb des PSOE beseitigt wurden, die eklatant nach der letzten Wahl am 25. Mai 2003 durch das Verhalten zweier PSOE-Abgeordneter, Simancas die Gefolgschaft bei seiner Wahl zum Ministerpräsidenten von Madrid zu verwehren, zum Vorschein getreten waren.
Polemisch kommentierte die rechts gerichtete Tageszeitung „La Razón“ den Wahlsieg mit der Überschrift: „Die Demokratie gewinnt“. Sie nimmt damit Bezug auf den Wahlslogan des PSOE „Damit die Demokratie gewinnt“, aus dem ein „Fiasko“ wurde. In ihrem Kommentar „Sieg für die Demokratie“ schreibt „La Razón“, der PSOE habe eine „Strategie der Luftlöcher“ verfolgt. Mit „demagogischen und aggressiven Vorschlägen“ habe PSOE-Kandidat Simancas den Wähler täuschen wollen, dafür jetzt aber die Quittung erhalten. Für Zapatero sei der Urnengang ein „Schlag ins Kontor“. Als Parteivorsitzender sei er der Hauptverantwortliche für die Niederlage, denn er habe durch seine fehlgeleitete Personalpolitik von oben, durch die er Simancas ersetzt sehen wollte, zur Parteikrise in Madrid heftig beigetragen und damit den Kandidaten politisch beschädigt.
„La Razón“ lobt Spitzenkandidatin Aguirre, da sie es vermocht habe, ihren Wahlkampf mit „Ruhe und Ausgeglichenheit“ zu führen, ohne auf die permanenten Beleidigungen seitens des PSOE einzugehen. Mit ihrem Wahlslogan „Garantie für eine gute Regierung“ habe sie den Wählern vermitteln können, dass die Krise vom 25. Mai 2003 von den Sozialisten ausgegangen sei. Als eigentlichen Sieger stellt „La Razón“ den PP-Generalsekretär Rajoy dar. Mit diesem ersten „Wahltriumph“ in seiner Eigenschaft als PP-Spitzenkandidat für die Wahlen im kommenden Frühjahr habe er sich den Wählern empfohlen und damit den Weg für eine erneute absolute Mehrheit bereitet.
Esperanza Aguirre Gil de Biedma, 1952 in Madrid geboren, ist die erste Frau, die das Amt der Ministerpräsidentin in Madrid ausübt. Die Mutter zweier erwachsener Kinder, die mit einem Grafen verheiratet ist, startete ihre Karriere zunächst als Beamtin im Bereich Information und Tourismus. Sechs Jahre lang saß sie für die Liberale Partei (eine Partei, die später im PP aufging) auf der Oppositionsbank im Madrider Stadtrat.1989, mit 37 Jahren, kam sie erstmals in Madrid in die Regierungsverantwortung, wo sie für Umweltpolitik und später für Kultur zuständig war. Durch ihre kämpferische Art hat sie sich in dieser Zeit den Spitznamen „Thatcher en la Puerta del Sol“ (Madrider Rathaus) erworben. Mit der Regierungsübernahme durch José Maria Aznar im Jahre 1996 wurde sie Bildungs- und Kulturministerin. 1999 wurde sie als erste Frau Präsidentin des Senats. Aus dieser Position heraus avancierte Frau Aguirre zur Spitzenkandidatin des PP für die Regionalwahlen im Madrid Anfang 2003, die sie knapp verlor. Der Tatsache, dass PSOE und IU wegen zwei PSOE-Abweichlern keine Regierung in Madrid bilden konnten, verhalf ihr zu einer zweiten Chance, die sie jetzt am 26. Oktober 2003 zum Wahlsieg führte.
Wahlanalytisch ist festzustellen, dass während Frau Aguirre die Gunst der Stunde für sich genutzt hat, indem sie einen äußerst bedächtigen und sachorientierten Wahlkampf führte, ihr PSOE-Gegner Simancas polemisch vorging und somit von der inneren Krise des PSOE ablenken wollte. Die Wählerinnen und Wähler in Madrid haben diese Strategie nicht honoriert und blieben den Urnen fern. Der PP zeigte äußerste Geschlossenheit und nutzte die Wahl als geeignetes Mittel, den Nachfolger Aznars, Mariano Rajoy, der Öffentlichkeit vorzustellen und – umringt von der gesamten Parteispitze – als den Kandidaten für die Nationalwahlen im März 2004 zu präsentieren, der die volle Unterstützung seiner Partei erfährt. Dies ist nicht nur den Wählerinnen und Wählern in Madrid aufgefallen, sondern ebenso der breiten Öffentlichkeit außerhalb Madrids.
Frau Aguirre profitierte nicht zuletzt von der prognostizierten geringeren Wahlbeteiligung. In absoluten Zahlen im Vergleich zur Maiwahl verlor der PP knapp 96.000 Wähler, während der PSOE 150.000 Wähler einbüßte. Etwa 1.500 Wähler weniger verzeichnete die IU. Als klarer Sieger der Wahl in Madrid geht Mariano Rajoy vor. Für ihn und den PP war dieser Wahlsieg ein deutliches Zeichen dafür, dass der von Aznar seit Ende der achtziger Jahre dominierte PP auch eine Wahl ohne den großen „Übervater“ erfolgreich bestehen kann.
Mit der nächsten Regionalwahl in Katalonien am 16. November diesen Jahres müssen sowohl Rajoy als auch Zapatero die nächste Hürde nehmen. Der PP als spanische Zentralpartei kann im nationalistisch orientierten Katalonien höchstens einen Achtungserfolg erringen, wobei jedes Ergebnis über 10% reichen würde. Zapatero jedoch muss bei dieser kommenden Wahl einen Sieg davon tragen, wenn er sich nicht selbst der Kritik seiner eigenen Anhängerschaft aussetzen will. Seine politische Zukunft steht auf dem Spiel. Mit dem überaus populären ehemaligen Oberbürgermeister Maragall als Spitzenkandidat der Sozialisten stehen die Chancen zwar gut, aber der Spitzenkandidat der Liberalkonservativen, Artur Mas, hat stark aufgeholt, so dass ein Wahlsieg der Sozialisten zwischenzeitlich nicht mehr selbstverständlich ist. Insgesamt ist zu diesem Zeitpunkt eine Trendwende zugunsten des PSOE noch in weiter Ferne.
Anhang:Wahlergebnisse im Überblick | ||||||
Partei | 26.10.2003 | 25.05.2003 | 1999 | |||
% | Mandate | % | Mandate | % | Mandate | |
PP | 48,45 | 57 | 46,67 | 55 | 51,07 | 55 | PSOE | 38,96 | 45 | 39,99 | 47 | 36,43 | 39 | IU | 8,80 | 9 | 7,68 | 9 | 7,69 | 8 | Andere | 2,35 | 0 | 3,68 | 0 | 2,71 | 0 | Summe | 100 | 111 | 100 | 111 | 100 | 102 |