Länderberichte
1. Arbeitsbesuch Präsident Karimow in Indien
Anfang Mai, vom 01. bis 03., hielt sich Präsident Karimow zu einem Arbeitsbesuch in Indien auf. Dabei standen Fragen der Handels- und Wirtschaftsbeziehungen sowie die regionale Sicherheit und Bekämpfung des internationalen Terrorismus im Mittelpunkt. Die Aktionen der afghanischen Taliban beurteilten beide Seiten als äußerst gefährlich für die Stabilität der gesamten Region.
Weiterhin wurde der usbekische Vorschlag, Zentralasien zur atomwaffenfreien Zone zu erklären, besprochen.
In einem abschließenden Dokument wurden Vereinbarungen zur Förderung von 'Joint Ventures' bei kleinen und mittleren Unternehmen, im Landwirtschaftssektor, über ein Zoll- und Kreditabkommen, zum Informationsaustausch sowie bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus und religiösen Fundamentalismus von beiden Präsidenten unterzeichnet.
Kurzbewertung
Die wirtschaftlichen und politischen Beziehungen zu Indien werden von Usbekistan auch deswegen als so wichtig eingeschätzt, weil das Verhältnis zu Pakistan wegen dessen Unterstützung der Taliban problematisch ist.
Der gemeinsame Hinweis auf die Gefährdung regionaler Sicherheit durch die Taliban ist ein deutlicher Indikator dafür.
2. Internationale Konferenz zur Verstärkung der Sicherheit und Stabilität in Zentralasien
Mitte des Monats fand eine mehrtägige Sicherheitskonferenz statt, zu der die Akademie des usbekischen Verteidigungsministeriums und der 'German Marshall Fund' in Oberammergau eingeladen hatten. Es nahmen Experten aus den fünf zentralasiatischen Staaten teil sowie aus den USA, aus Rußland, Großbritannien, Deutschland, Frankreich und der Schweiz. Die Konferenz hatte das Ziel einer Beurteilung der regionalen Sicherheit im Lichte der Ereignisse, die sich im Ferganatal zugetragen hatten. Hier hatten im letzten Jahr bewaffnete Kräfte, aus Tadschikistan kommend, vier japanische Meteorologen als Geiseln genommen und nach Kämpfen mit kirgisischen Regierungstruppen gegen eine hohe Lösegeldsumme wieder freigelassen. Bei Winteranbruch hatten sie sich nach Tadschikistan zurückgezogen. Ein Teil von ihnen hält sich jetzt im Norden Afghanistans auf.
Kurzbewertung
Die Konferenz ist ein klarer Indikator, daß sich sowohl die USA als auch Rußland der Brisanz der sicherheitspolitischen Entwicklung in dem bevölkerungsreichen, durch eine willkürliche Grenzziehung ethnisch zerissenen Ferganatal bewußt sind. Es könnte die Keimzelle für einen Flächenbrand in Zentralasien sein, dessen beitragende Faktoren religiöser Fundamentalismus und Jugendarbeitslosigkeit sind.
3. Usbekisch - Russische Beziehungen
Präsident Putin besuchte bereits zum zweiten Male innerhalb eines halben Jahres Usbekistan. Es war die erste Auslandsreise, die Putin als gewählter Präsident unternahm. Sein zweitägiger Arbeitsbesuch galt den Themen: Regionale Sicherheit, dabei besonders der Bekämpfung des internationalen Terrorismus, und religiösem Extremismus sowie der Verstärkung der Wirtschaftsbeziehungen.
Putin betonte wiederum, daß Rußland auch zu militärischer Hilfe bereit sei, wenn diese von Usbekistan gewünscht werde. Er schloß den Einsatz von Luftstreitkräften gegen die Taliban nicht aus, falls diese die Tschetschenen unterstützten. Konkret wurden fast dreißig Projekte durch Abkommen vereinbart.
Ein Handelsabkommen im Wert von 1,5 Milliarden Dollar wurde unterzeichnet. Es betrifft besonders den Baumwoll- und Textilbereich.
Der Besuch verlief in einer sehr harmonischen Atmosphäre. Präsident Putin wurde bei seinem Besuch der Islamischen Universität in Taschkent als 'Ehrenstudent' immatrikuliert. Er sagte zu, daß er die Examina gewissenhaft ablegen werde.
In der abschließenden Pressekonferenz betonte Putin, daß Rußland und Usbekistan gemeinsame geopolitische und strategische Interessen hätten und die Zusammenarbeit intensiviert werde.
Kurzbewertung
Die kurz aufeinander folgenden Besuch in Usbekistan haben politischen Symbolcharakter. Wenn Zentralasien von politischen oder gar kriegerischen Unruhen heimgesucht wird, dann betrifft das die Sicherheit Rußlands in verstärktem Maße.
Die engen persönlichen Beziehungen Putins zu Usbekistan dürften auch von seiner fünfjährigen Tätigkeit im Taschkenter Büro des KGB herrühren.
4. Besuch Bundestagspräsident Thierse in Usbekistan
Zu einem eintägigen Kurzbesuch hielt sich Bundestagspräsident Thierse in Taschkent auf. Gespräche mit seinem usbekischen Kollegen, Parlamentspräsident Hallilow, sowie mit Staatspräsident Karimow und eine Festansprache während eines Stipendiatentreffens des DAAD bildeten das Programm.
Kurzbewertung
Die Gespräche - kurz vor der Sitzung des usbekischen Parlaments - über den deutschen Parlamentarismus hatten offensichtlich die Grundsatzrede des Präsidenten beeinflußt. Eine engere Zusammenarbeit zwischen den beiden Parlamenten wurde von beiden Seiten als wünschbar bezeichnet.
5. Auswertung der Zweiten Plenarsitzung des usbekischen Parlaments
Drei Themen standen im Mittelpunkt der Grundsatzrede des Präsidenten:
Innerhalb der Legislaturperiode sei eine Parlamentsreform durchzuführen. Ein Zwei-Kammersystem sei einzurichten. Die Volksvertretung solle von einem professionellen Parlament gestellt werden. Dabei solle die Vermischung der Funktionen von Exekutive und Legislative beendet werden. Der Einfluß der Provinzgouverneure sowie der Bürgermeister (Hokime) auf den Wahlprozeß müsse vermieden werden.
Die Tätigkeit der Parteien im Parlament lasse noch viel zu wünschen übrig. Sie hätten kein Profil und kämpften nicht für die Interessen ihrer jeweiligen Wählerschaft.
Die Reform der Streitkräfte solle eine Verstärkung der Defensivoptionen zum Schutz der Grenzen sowie gegen Bedrohungen aus der Luft schaffen. Weitreichende Waffen und solche mit Offensivcharakter sollten nicht beschafft werden.
Das Parlament verabschiedete ein Dokument über die Prioritäten der parlamentarischen Tätigkeit innerhalb der nächsten drei Jahre. Dabei spielten auch die erwähnten Punkte der Rede des Präsidenten eine wichtige Rolle.
Kurzbewertung
Die Grundsatzrede des Präsidenten war, wie zu vernehmen, offensichtlich durch die vorhergehenden Gespräche mit Putin und Thierse beeinflußt. Insbesondere die Forderung nach einer Parlamentsreform ist von großer Bedeutung für die propagierte Entwicklung einer 'Bürgergesellschaft' mit aktiveren Parteien.