Rajapaksa regierte das Land als Präsident von November 2005 bis Januar 2015. In dieser Zeit beendete er den langjährigen srilankischen Bürgerkrieg mit drastischen Mitteln, die ihm Vorwürfe über schwere Menschenrechts-verletzungen einbrachten. Zugleich öffnete er das Land stark für chinesische Investitionen. Sirisena fungierte in beiden Amtszeiten Rajapaksas als hochrangiges Kabinettsmitglied, unter anderem war er Gesundheitsminister. Vor den Wahlen 2015 schloss sich seine Partei dann jedoch mit der UNP zusammen, und er trat als gemeinsamer Präsidentschaftskandidat der Opposition mit der Unterstützung Wickramasinghes gegen Rajapaksa an. Im Wahlkampf erklärte er, das Land vor einer Diktatur durch Rajapaksa retten und offensichtlichen Machtmissbrauch verhindern zu wollen.
Nach dem Wahlerfolg der Opposition, der Sirisena zum Präsidenten und Wickramasinghe zum Premierminister machte, zeichneten sich aber schon früh Schwierigkeiten innerhalb der neuen Regierungsallianz ab. Während Wickramasinghes UNP eine Mitte-Rechts-Partei ist und liberale Wirtschaftspolitik vertritt, ist Sirisena ein populistischer Nationalist, der einer sozialdemokratischen Partei vorsteht. Zunächst konzentrierten sich beide Männer auf den Machtausbau in ihren eigenen Parteien. Währenddessen gelang es der Regierung nicht, die Wahlversprechen umzusetzen – insbesondere die konsequente Verfolgung von Korruption, die Stärkung der Wirtschaft und die Bestrafung der Menschenrechtsverletzungen durch die Vorgänger-Regierung. Die Situation verschärfte sich durch die Niederlage des Regierungs-bündnisses bei den Lokalwahlen im Februar 2018 und durch die Verwicklung von führenden UNP-Mitgliedern in einen Anleihen-Betrug der srilankischen Zentralbank.
Trotz dieser Entwicklung kommen der Koalitionsbruch und die Entlassung des Premierministers zum jetzigen Zeitpunkt überraschend. Unklar ist vor allem, wieso sich Rajapaksa auf dieses verfassungsrechtlich fragwürdige Manöver eingelassen hat, obwohl er im kommenden Jahr beste Chancen gehabt hätte, mit seiner Partei die Wahlen zu gewinnen und die Regierungsverantwortung zurückzuerobern. Noch ist es nämlich alles andere als sicher, dass der Koalitionsbruch auch wirklich das von Sirisena gewünschte Resultat haben wird. In dem Wissen, dass Wickramasinghe immer noch durch die Mehrheit der Parlamentarier unterstützt wird, setzte Sirisena direkt nach dem Koalitionsbruch alle Parlamentsaktivitäten für drei Wochen aus. Beobachter gehen davon aus, dass diese Zeit genutzt werden sollte, um UNP-Abgeordnete mit Bestechung und Versprechungen auf Rajapaksas Seite zu ziehen. Unter dem steigenden innenpolitischen und internationalen Druck tritt das Parlament aber nun immerhin bereits am 7. November wieder zusammen. Es ist momentan äußerst fraglich, ob es dann eine Mehrheit unter den Parlamentariern für den neuen Premierminister Rajapaksa geben wird.
Nach anfänglichen Protesten, bei denen es auch zwei Todesfälle gab, ist die Stimmung in der Hauptstadt Colombo und im Rest des Landes ruhig. Wickramasinghe hat sich in seiner Residenz verschanzt, während die UNP und ihre Anhänger offensichtlich darauf bauen, dass das Parlament und die Verfassungsexperten die Unrechtmäßigkeit des Machtwechsels feststellen werden. Während daher zunächst auch nur wenige Regierungen bereit waren, Rajapaksa als neuen Premierminister anzuerkennen, traf ihn der chinesische Botschafter in Colombo und übermittelte ihm die besten Wünsche von Präsident Xi Jinping. Der Sprecher des Außenministeriums in Peking begründete den Schritt mit der Feststellung, dass China an dem Grundsatz festhalten werde, sich nicht in innenpolitische Angelegenheiten anderer Länder einzumischen.
Die Auseinandersetzung zwischen Rajapaksa und Wickramasinghe dürfte aber in der Tat auch Auswirkungen auf die internationalen Verbündeten Sri Lankas haben. Während Wickramasinghe mit der UNP einen pro-westlichen Kurs fährt und eine enge Bindung zwischen Sri Lanka und Indien vorantreibt, geht Rajapaksas Blick Richtung China. Unter seiner Präsidentschaft wurden wichtige strategische Infrastrukturprojekte an Peking vergeben, einschließlich des Hafens und der Port City in Colombo, des Hafens von Hambantota und des Flughafens Mattala. Vor allem die Entscheidung seiner Regierung, chinesische U-Boote an srilankischen Häfen zu beherbergen, sorgte in Indien und den USA für Unruhe.
Während der sich zuspitzenden Koalitionskrise in Sri Lanka reiste Rajapaksa im September nach Delhi, offensichtlich um dort Unterstützung für seine Rückkehr an die Macht zu suchen. Dennoch regierte Indien nun vorsichtiger und langsamer als China auf die Geschehnisse in Colombo. In einer Erklärung schrieb das indische Außenministerium: „Indien verfolgt die jüngsten politischen Entwicklungen in Sri Lanka aufmerksam. Als ein demokratisches Land und als ein wohlgesonnener Nachbar hoffen wir, dass die demokratischen Werte und der Verfassungsprozess respektiert werden.“ Diese Formulierung darf als vorsichtige Unterstützung für Wickramasinghe gewertet werden.
Vieles hängt nun von der Parlamentssitzung am 7. November ab. Die Tagesordnung für die Sitzung ist noch nicht bekannt gegeben worden, es ist daher unklar, ob es zu einem Misstrauensvotum gegen Rajapaksa kommen könnte. Fünf UNP-Abgeordnete haben bereits das Lager gewechselt, ihnen sind von Rajapaksa Ministerposten zugesagt worden. Unterdessen konnte aber auch Wickramasinghe zwei Abgeordnete des früheren Koalitionspartners vom Wechsel in die UNP überzeugen. Stand jetzt verfügt die UNP damit über 104 von 225 Sitzen im Parlament, Rajapaksa und Sirisena kommen mit ihren Parteien gemeinsam auf 99 Sitze. Die restlichen 22 Parlamentarier werden von Beobachtern eher zu den Unterstützern Wickramasinghes gezählt, ihr Verhalten lässt sich aber letztlich schwer vorhersagen.
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