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Länderberichte

Sommerliche Regierungskrise in Kroatien

von Dr. jur. Stefan Gehrold
Nach mehreren Auseinandersetzungen innerhalb der Regierungskoalition ist diese mit dem Rücktritt des Ministerpräsidenten Ivica Racan am 6.07.2002 nach 28 Monaten Amtszeit endgültig zerbrochen. Anlass zur aktuellen Krise war die im Parlament anstehende Ratifizierung eines zwischenstaatlichen Abkommens mit Slowenien.

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Differenzen zwischen den Sozialdemokraten (SDP) unter Ministerpräsident Racan und der zweitgrößten Koalitionspartei, den Sozialliberalen (HSLS) mit Drazen Budisa an der Spitze, hatten die Regierungskoalition immer wieder belastet und in ihrem Handeln stark eingeschränkt. Das Abkommen mit Slowenien hatte die Konflikte auf die Spitze getrieben und Racan am 6. Juli zum Rücktritt veranlasst.

Begründet hat Racan diesen Schritt mit der fehlenden Handlungsfähigkeit einer 5-Parteien-Koalition. Eine kleine Regierungskoalition sei der einzige Weg, Streitigkeiten zu vermeiden oder zumindest zu verringern. Man solle nicht über ein Ende, sondern vielmehr über einen Neuanfang für die kroatische Regierung nachdenken.

Hintergründe des koalitionsinternen Streits

Im Mittelpunkt der Diskussion zwischen dem Ministerpräsidenten und seinem Stellvertreter stand die Auslieferung kroatischer Militärs an das Haager Kriegsverbrechertribunal. Im Gegensatz zu Budisa sprach sich Ministerpräsident Racan für eine Auslieferung aus. Der Streit spitzte sich so zu, dass Budisa die Abgeordneten seiner Partei zu einem Boykott über das o.g. Abkommen aufgefordert hat. Allerdings waren nicht alle seinem Aufruf gefolgt, und so wurde am 5. Juli 2002 das Abkommen mit Slowenien ratifiziert. Dennoch ließ Ministerpräsident Racan sich nicht von seinem Vorhaben abbringen, sein Amt niederzulegen.

Neuwahlen sind nicht auszuschließen

Politische Beobachter erwarteten nach dem Rücktritt des Ministerpräsidenten, dass Präsident Mesic Racan mit der Bildung einer neuen Regierung beauftragen würde. Racan hatte allerdings eine Minderheitsregierung ausgeschlossen und schlug stattdessen für den kommenden September Neuwahlen vor, falls die Neubildung scheitern sollte.

Am 08. Juli 2002 begannen die Sondierungsgespräche mit den einzelnen Parteivorsitzenden. Es zeigte sich sehr bald, dass die Sozialdemokraten (SDP), ebenso wie ihr konservativer Koalitionspartner, die Bauernpartei (HSS), der Istrische Demokratische Sabor (IDS), und die kleineren Koalitionspartner, die Kroatische Volkspartei (HNS) und die Liberale Partei (LS), eine Koalitionsregierung mit Racan an der Spitze befürworten würden. Die oppositionellen Parteien, u. a die vom ehemaligen Staatspräsidenten Tudjman gegründete Kroatische Demokratische Gemeinschaft (HDZ), sprachen sich (wie die sozialliberale HSLS) dem gegenüber für Neuwahlen aus, um die Bevölkerung an der Bildung einer neuen Regierung mitwirken zu lassen

Parteiausschluss von Dr. Ivic Pasalic aus der HDZ

Noch während der Sondierungsgespräche mit Präsident Mesic sorgte ein Parteiausschluss für politischen Wirbel. Dr. Ivic Pasalic wurde wegen parteischädigender Äußerungen aus der Kroatischen Demokratischen Gemeinschaft (HDZ) ausgeschlossen. Pasalic hatte im April d. J. für den Parteivorsitz kandidiert, damals allerdings gegen den amtierenden Vorsitzenden Dr. Sanader schon im ersten Wahlgang verloren.

Mit Pasalics Ausschluss dürfte das entscheidende Hindernis für Koalitionen mit anderen Parteien ausgeräumt sein. Neben einem Bündnis mit der HSS, HSLS sowie dem Demokratischen Zentrum (DC) wäre sogar eine große Koalition mit der SDP denkbar. In einem solchen Falle könnte der nächste kroatische Premier Dr. Ivo Sanader heißen.

Racan erhält neues Mandat

Am 10. Juli 2002 beauftragte Präsident Mesic allerdings Ivica Racan erneut mit der Regierungsbildung. In einer ersten Stellungnahme betonte Racan, sein wichtigstes Ziel sei momentan, sich den akuten Problemen, wie z. B. der Arbeitslosigkeit, zu widmen. Dazu brauche er eine starke Regierung, die aus Effizienzgründen aus weniger Parteien bestehen solle. Über diesen Umstand war man sich aber auch schon bei der Regierungsbildung im Januar 2000 im klaren. Das einzige Ziel der politisch heterogenen Koalition war damals das Hinausdrängen der bisherigen Alleinregierungspartei HDZ aus der Regierungsverantwortung. Dass auf dieser Grundlage allein noch keine „effiziente“ Politik gemacht werden kann, bewies die unendliche Geschichte der Regierungskrisen in den vergangenen zweieinhalb Jahren.

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Kontakt

Dr. Michael A. Lange

Dr. Michael A

Kommissarischer Leiter des Rechtsstaatsprogramms Nahost/Nordafrika

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