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Länderberichte

Spanien vor den Wahlen vom 12. März 2000

von Dr. Helmut Wittelsbürger
Nach 14 Jahren sozialistischer Regierungen in Spanien übernahm im Mai 1996 José María Aznar (Partido Popular/PP)die Amtsgeschäfte. Felipe González, der mit absoluter Mehrheit seiner PSOE (Partido Socialista Obrero Español)-Abgeordneten bis 1993 regierte, war in der letzten verkürzten Legislaturperiode (1993 - 1996) angewiesen auf die parlamentarische Unterstützung regionalistischer Parteien aus Katalonien und dem Baskenland.

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Die knappen Mehrheitsverhältnisse als Ergebnis des Urnenganges vom März 1996 zwangen auch José María Aznar, einen Regierungspakt mit der katalanischen CiU (Convergència i Unió), der CC (Coalición Canaria), einem Zusammenschluß bürgerlicher Parteien der Kanarischen Inseln und dem baskischen PNV (Partido Nacionalista Vasco) einzugehen.

Zum ersten Mal in der jüngsten demokratischen Geschichte des Landes wird eine Legislaturperiode (1996 - 2000) voll ausgeschöpft. Die bürgerlichen (Adolfo Suárez, Leopoldo Calvo Sotelo) und die sozialistischen Vorgängerregierungen von Felipe González mußten jeweils zu vorzeitigen Neuwahlen aufrufen. Gerade der PSOE war in den letzten zwei Perioden seiner Amtszeit durch Skandale führender Politiker und illegaler Parteienfinanzierung in Verruf gekommen. Das bürgerliche politische Lager war in Spanien nach der Machtübernahme durch die sozialistische Partei ab 1982 zersplittert. Neben der rechtskonservativen Alianza Popular gab es mehrere Versuche, das Zentrum politisch zu besetzen.

Die Regierungspartei von Adolfo Suárez und Leopoldo Calvo Sotelo, die UCD ( Unión de Centro Democrático), verlor in den achtziger Jahren bei Wahlen erheblich und ist mit ihrer Nachfolgepartei, dem CDS (Centro Democrático Social), von den Wählern zur Bedeutungslosigkeit verurteilt worden. Die spanischen christlichen Demokraten fanden in einem Partido Democrático Popular (PDP) eine neue politische Heimat, die jedoch durch internes Gerangel und persönliche Auseinandersetzungen ihrer Spitzenpolitiker keinen Bestand hatte.

Es ist das große Verdienst von Manuel Fraga Iribarne, dem langjährigen "Caudillo" der Alianza Popular, mit politischer Weitsicht die Parteiführung dem jungen Hoffnungsträger José María Aznar, ehemaliger Ministerpräsident von Kastilien und León 1989, übertragen, sich auf das Amt des Ministerpräsidenten von Galizien zurückgezogen und damit den Weg für eine Erneuerung, Verjüngung und Neuorientierung des 1990 gegründeten PP freigemacht zu haben. Es ist das noch größere Verdienst von José María Aznar, mit Geschick und Beharrlichkeit, die gespaltene konservative Parteienlandschaft zu einer einheitlichen Zentrumspartei umgeformt zu haben. Viele junge, gebildete, liberale, christdemokratische und konservative Frauen und Männer aus allen gesellschaftlichen Schichten fühlten sich vom inhaltlichen und in der Öffentlichkeit erfolgreich vertretenen Wandel des Partido Popular angezogen. Daß dieser Richtungswechsel gelang ohne Abspaltungen am rechten Rand, spricht für die errungene Integrationskraft der Partei und die Führungskompetenz ihres damals 37jährigen Vorsitzenden.

Die Konsolidierung konservativer, liberaler und christlich demokratischer Kräfte innerhalb der Volkspartei (PP) führte zu einem kontinuierlichen Wachstum in der Wählergunst. Schon bei den vorgezogenen Parlamentswahlen im Juni 1993 errechnete sich Aznar gute Chancen für einen Regierungswechsel und eine Ablösung von Felipe González. Bei den ein Jahr später, im Juni 1994, stattgefundenen Europawahlen besiegte der Partido Popular mit 40 Prozent der gültigen Stimmen zum ersten Mal die Regierungspartei. Die Landtags- und Gemeinderatswahlen von Mai 1995 bestätigten den aufstrebenden Trend. Mit 44 Prozent lag die größte Oppositionspartei weit vor den Sozialisten. Regierungen in wichtigen autonomen Regionen und in der Mehrzahl der größeren Städte mußten an die Volkspartei abgetreten werden.

Die Europa-, Landtags, Kreistags- und Gemeinderatswahlen im Juni 1999 galten als erster nationaler Test für die PP-Regierungspolitik nach dem knapp gewonnenen Urnengang vom März 1996. Trotz erheblicher Zugewinne des PSOE, die allerdings auf Kosten der extremen Linken (Izquierda Unida IU) gingen, konnte sich die Regierungspartei als stärkste politische Kraft behaupten.

Erfolgsbilanz der spanischen Regierung

Als José María Aznar nach den knapp gewonnenen Wahlen mit den Stimmen der Abgeordneten aus regionalistischen Parteien (Convergencia i Unió - CiU, Partido Nacional Vasco - PNV, Coalición Canaria - CC und Unió Valenciana - UV) im Mai 1996 zum Regierungspräsidenten gewählt wurde (seine Partei verfügte nicht über die absolute Mehrheit der Sitze), war keines der im Maastrichter Vertrag festgelegten Kriterien für die Mitgliedschaft in der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion erfüllt.

Es ist das große Verdienst des spanischen Wirtschafts- und Finanzministers und 2. Vizepräsidenten der Regierung, Rodrigo Rato Figaredo, mit seiner Führungsmannschaft eine mit Augenmaß und Perspektive betriebene sozialmarktwirtschaftliche Politik seit der Regierungsübernahme durchgeführt zu haben. Er und seine Mitarbeiter haben den Kurswechsel nach 14-jähriger Regierungszeit des PSOE überzeugend vollzogen.

Dezentralisierung, Privatisierung, aktive Mittelstandspolitik, Reduzierung des Staatsanteils durch Ausgabenkürzungen und Einnahmeerhöhungen sind die Säulen auf denen die Richtungsänderung beruht. Durch die stabilitätsorientierte Finanzpolitik in einvernehmlichem Zusammenwirken mit dem geldpolitischen Instrumentarium der spanischen Zentralbank befand sich das Land Mitte 1998 in der Spitzengruppe der elf Gründungsmitglieder des EURO-Clubs. Lediglich beim Kriterium der Gesamtverschuldung in % des Bruttoinlandsproduktes verfehlte Spanien mit rund 67 % die vorgegebene Zielgröße. Die anderen fiskal- und geldpolitischen Kriterien wurden zur Überraschung vieler Partnerregierungen voll erfüllt.

Seit Amtsantritt der Aznar'schen Regierung wuchs das Bruttosozialprodukt stetig. War die Zuwachsrate im Jahre 1996 mit 2,4 % noch bescheiden, so boomte die Wirtschaft 1997-1999 und erreichte reale Zuwachsraten von jeweils 3,5%, 3,9% und 3,7%. Dies blieb nicht ohne Wirkung auf den Arbeitsmarkt. Die hohe Arbeitslosigkeit (Spanien lag bei Regierungswechsel PSOE zu PP an der Spitze der EU) sank kontinuierlich von über 22% im Jahre 1996 auf rund 15% Ende 1999. Wählt man die mit anderen OECD-Ländern vergleichbare Berechnungsmethode sind die Werte noch beeindruckender. Demnach sank die Arbeitslosigkeit von rund 15% in 1996 auf unter 10% in 1999, mit der Konsequenz einer fast auf Null gefallenen Bezuschussung spanischer Sozialversicherungsträger aus Mitteln des allgemeinen Staatshaushaltes.

Die über dem Durchschnitt der EU liegenden Wachstumsraten haben dem Finanzminister Spielräume zur Reduzierung der Neuverschuldung und des Staatsdefizits eröffnet. Lag das Budgetdefizit beim EURO-Examen knapp unter dem Richtwert von 3 %, konnte Rodrigo Rato den Haushalt 2000 Ende 1999 durch die parlamentarischen Gremien mit einem Ansatz von - 1,1% bringen. 2003 soll das Budget laut Prognosen des Wirtschaftsministeriums ausgeglichen sein.

Sorgen bereitet der spanischen Zentralbank die wiederangezogene Preissteigerung. Nach 2,7% in 1998 hat sich der allgemeine Verbraucherpreisindex 1999 um 2,9% erhöht. Verantwortlich werden dafür die gestiegenen Rohölpreise, der Eurowechselkurs und überproportionale Preissteigerungen im Dienstleistungssektor gemacht.

Mäßige, an der Produktivität orientierte Lohnabschlüsse, niedrige Zinsen im Zusammenspiel mit steigenden Realeinkommen tragen trotz defizitärer Handels- und Kapitalverkehrsbilanz dazu bei, daß die Mehrheit der Spanier eine Verbesserung ihrer Lebensbedingungen verspürt. All dies erhöht ständig die Anhängerschaft einer an Stabilität orientierten Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik.

Hinzu treten Europa- und außenpolitische Erfolge. Der Geldsegen aus Brüssel wird nach dem Europäischen Rat in Berlin weiter fließen - ein für den spanischen Wähler entscheidender Posten in der Erfolgsbilanz der Regierung. Die Beziehungen zu Lateinamerika sind intensiver - wirtschaftliche Verflechtungen der Privatwirtschaft mit Unternehmen in Iberoamerika haben Spanien zum größten Investor in der Region nach den Vereinigten Staaten werden lassen. Die damit verbundenen Risiken haben zeitweilig bei der spanischen Börse zu einem unterdurchschnittlichen Wachstum geführt. Diese wichtigere Rolle des Landes trägt zum Selbstbewußtsein spanischer Politiker und Unternehmer bei.

Trotz einer positiven Gesamtbilanz der Regierung seit 1996, hat sich das drängendste Problem Spaniens - sein staatlicher Zusammenhalt - kaum entschärft. Der hoffnungsvolle Waffenstillstand der baskischen terroristischen Untergrundorganisation ETA vom September 1998 wurde Ende November 1999 aufgehoben. Ein Sprengstoffattentat mit Toten und Verletzten wurde im Januar 2000 verübt. Der politische Arm der ETA, die baskische Partei EH (Euskal Herritarrok; ehemals Herri Batasuma HB/Volkseinheit) begründete diese Wiederaufnahme der Gewalt mit fehlenden Ergebnissen der beiderseitigen Versuche, durch Dialog und Verhandlungen das baskische Problem und den Wunsch eines großen Teiles der dortigen Bevölkerung nach Unabhängigkeit von Spanien einer Lösung zuzuführen. Die demokratischen baskischen Parteien PNV und EA (Eusko Alkartasuna / Baskische Solidarität) regieren im Baskenland seit den Wahlen Ende Oktober 1998 gemeinsam mit EH und haben die gesamtspanischen Parteien PP und PSOE in die Oppositionsrolle verwiesen. Mangelnde Dialogbereitschaft und fehlendes Einfühlungsvermögen sowie Verständnis für den baskischen Sonderweg werfen die nationalistischen politischen Kräfte der Madrider Regierung vor. Innenminister Jaime Mayor Oreja, der in den Beliebtheitswerten in Spanien vor dem Ministerpräsidenten Aznar rangiert, gehört unter anderem wegen seiner spektakulären und erfolgreichen Polizeiaktionen (in enger Zusammenarbeit mit den französischen Polizeikräften) gegen führende Köpfe der ETA zu den unbeliebtesten Politikern im Baskenland.

Das Verhältnis zwischen Madrid und Vitoria hat sich, trotz anfänglicher Friedensbemühungen im Laufe des Jahres 1999, durch polarisierende Äußerungen beider Seiten sowie persönlicher Verunglimpfungen der Spitzenpolitiker verschlechtert, mit dem Ergebnis der Aufkündigung des Regierungspaktes (PP-PNV) durch den PNV im Madrider Parlament, des Ausschlusses des PNV aus dem Verbund der EVP (auf Drängen des PP), eines persönlich nicht mehr heilbaren Verhältnisses zwischen Aznar und Arzallus (Vorsitzender des PNV), sowie einer Erhöhung der Attraktivität des PSOE für die baskischen nationalistischen Parteien als Gesprächs- und politischer Partner zur Erörterung von Lösungen des gesamtspanisch - baskischen Verhältnisses.

Anders stellt sich die Situation für den katalanischen Nationalismus dar. Bei den katalanischen Wahlen im Oktober 1995 verlor Pujol erstmals seine absolute Mehrheit (CiU ist stärkste Partei seit 1980) und mußte daher in den vergangenen Jahren mit wechselnden Mehrheiten regieren. Der Rückgang in der Wählergunst wurde auf die Unterstützung durch die Abgeordneten der CiU im Madrider Parlament der seinerzeit mit Skandalen belasteten sozialistischen Regierung unter Felipe González zurückgeführt. Nach den allgemeinen Parlamentswahlen vom März 1996 stellte die katalanisch - bürgerliche CiU mit ihren nunmehr 16 nationalen Abgeordneten die stärkste Stütze für die Madrider Regierung unter Regierungspräsident José María Aznar in der laufenden Legislaturperiode dar.

Am 17. Oktober 1999 waren rund 5,3 Mio. wahlberechtigte katalanische Bürger aufgerufen, über die neue Zusammensetzung des Parlamentes zu entscheiden. Die nationalistisch - bürgerliche Convergéncia i Unió (CiU), die im Wahlkampf die Bestätigung ihrer Regierung einforderte, wurde abermals mit 56 Abgeordneten stärkste Fraktion. Sie bildete daher mit ihrem Spitzenkandidaten Jordi Pujol zum sechsten Mal hintereinander die Regierung. Pasqual Maragall, Hoffnungsträger und Spitzenkandidat der sozialistischen Partei, reklamierte den Wahlsieg für sich. Sein PSC (Partido Socialista de Catalunya) erhielt rund 60.000 Stimmen mehr als CiU und wurde daher zur stärksten Partei. Der PSC hatte im Wahlkampf den Regierungswechsel gefordert. Der Zuwachs in der Wählergunst ist einerseits auf die Beliebtheit und Kompetenz Maragalls zurückzuführen; andererseits ging der PSC eine Wahlallianz mit der Iniciativa per Catalunya und den Grünen (IC-LV) ein, die als Partei 8 Abgeordnetensitze verlor. Viele ihrer Stammwähler hatten bei dem Urnengang direkt Maragall und dem PSC ihre Stimme gegeben.

Trotz dieser Leihstimmen ist der Zuwachs in der Wählergunst von rund 13 % für den PSC und seinen Spitzenkandidaten ein stolzer Erfolg.

Die Europawahlen vom Juni 1999 und die Oktoberwahlen in Katalonien haben der gesamtspanischen Regierung von José María Aznar verdeutlicht, daß ihr Wählerpotential in Katalonien begrenzt ist. Liberale, konservative und christlich-demokratische Politikentwürfe werden dort überwiegend von der CiU vertreten. Sie vermag nach wie vor über 80 % dieser Wählerschaft für sich zu vereinnahmen. Der enorme Zuwachs an Stimmen für die sozialistische Partei in Katalonien verunsichert den Partido Popular in seiner Zuversicht auf einen Wahlerfolg im Frühjahr 2000.

Die Mutterpartei des katalanischen PSC, der PSOE macht sich nach dem Wahlergebnis Hoffnungen auf einen Machtwechsel 2000 in Madrid. Die spanische Gesellschaft weist nach wie vor einen großen Stammwähleranteil für sozialistische Politikkonzepte auf. Der erfolgreiche Versuch Pasqual Maragalls, das linke Lager in Katalonien durch eine Wahlallianz mit anderen sozialistischen Gruppen zusammenzuführen, hat auch beim PSOE für die nationalen Wahlen Schule gemacht. Am linken pluralistischen Rand der spanischen Gesellschaft ist der Vorsitzende der Kommunisten und Koordinator des Linksbündnisses (Izquierda Unida), Julio Anguita, von der politischen Bühne abgetreten. An ihm war bisher jegliche Zusammenarbeit seiner Partei mit dem PSOE gescheitert. Der neue Koordinator, Francisco Frutos, wird mit dem PSOE eine gemeinsame Wahlliste für den spanischen Senat eingehen. Auch haben sich beide Parteien auf eine Wahlplattform geeinigt. Darüber hinaus hat Francisco Frutos öffentlich erklärt, seine Abgeordneten würden Joaquín Alumunia (Spitzenkandidat des PSOE für die Wahlen vom 12.3.2000) bei der Wahl zum Regierungspräsidenten zur Mehrheit verhelfen.

Trotz guter Wirtschafts- und Sozialpolitik der Regierung von José María Aznar, vorzeigbaren Erfolgen in der Europa- und Außenpolitik, eine positive Bilanz bei der Terrorismusbekämpfung und eine Aufbereitung der Regierungsskandale durch die unabhängige spanische Justiz während der jetzigen Legislaturperiode, sind nach wie vor viele Spanierinnen und Spanier der Meinung, die sozialistischen Regierungen unter Felipe González hätten das Land gerechter und solidarischer regiert.

Bewertung

Vor diesem Hintergrund ist der Wahlsieg des Partido Popular bei den allgemeinen nationalen Wahlen im Frühjahr 2000 nicht sicher. Die Wunschvorstellung des PP, die absolute Mehrheit der Abgeordnetensitze im spanischen Kongreß zu erzielen, ist kaum realisierbar. Wahrscheinlicher ist, daß José María Aznar auch in der nächsten Legislaturperiode zur Mehrheitsbildung im Parlament auf die Unterst ützung durch Abgeordnete regionaler Parteien zurückgreifen muß.

Für die Stabilität und Regierungsfähigkeit des bürgerlich - liberal - konservativen Partido Popular ist daher ein Schulterschluß für die nächste Legislaturperiode mit der kräftigsten Regionalpartei, der CiU aus Katalonien, nur folgerichtig. Durch die Entscheidung des Partido Popular, mit seinen katalanischen Abgeordneten Jordi Pujol zur Wahl als neuer Regierungspräsident in Barcelona 1999 verholfen zu haben, wird deutlich, wie sehr José María Aznar als Gegenleistung das gleiche von den nationalen Abgeordneten der CiU nach den allgemeinen Parlamentswahlen im Frühjahr 2000 erwartet.

Am rechten Rand des pluralistischen Spektrums hat der langjährige Oberbürgermeister von Marbella, Jesús Gil y Gil, der dort mit caudillistischen, demagogischen und populistischen Methoden regiert und dem enge Verbindungen mit dem Drogenhandel, der Geldwäsche und der im Süden Spaniens sehr aktiven "Russenmafia" nachgesagt werden, im letzten Jahr versucht, mit seiner eigenen Partei GIL (Grupo Independiente Liberal) seinen Machteinfluß über Marbella hinaus auszudehnen. Trotz seiner rechtskräftigen Verurteilung aufgrund von Unregelmäßigkeiten während seiner Amtsführung und insbesondere wegen des Einsatzes von kommunalen Haushaltsmitteln für die Stützung des Fußballclubs "Atlético de Madrid", dessen Präsident er war, tritt seine Partei mit eigenen Kandidaten bei den allgemeinen Parlaments-wahlen in einigen autonomen Regionen an. Dies könnte den Partido Popular 1 - 2 Abgeordnetensitze kosten.

Die absolute Mehrheit der Sitze in den spanischen Cortes (Kongress) beträgt 176. Es ist davon auszugehen, daß die Volkspartei aus den Wahlen als stärkste Kraft hervorgeht und José María Aznar als Ministerpräsident für eine zweite Amtsperiode mit den Stimmen der katalanischen CiU und der Coalición Canaria bestätigt wird. Die Mehrheitsverhältnisse werden ähnlich knappp wie 1996 ausfallen.

Politische Beobachter und die Mehrheit der Meinungsforschungsinstitute gehen davon aus, daß der PSOE zwischen 145 und 150 Abgeordnetensitze erreicht. Die extreme Linke unter Führung der Kommunisten werde weniger verlieren als noch vor Wochen und nach den Europawahlen im Juni 1999 erwartet. Die spektakulären Verhandlungen über eine Allianz zwischen PSOE und Izquierda Unida (IU) haben den Bekanntheitsgrad des neuen IU-Vor-sitzenden (Francisco Frutos) und sein Image als "gemäßigter Linker" gefestigt. IU stellt zur

Zeit 21 Abgeordnete. Realistisch ist für die Wahlen vom 12. März ein Ergebnis zwischen 14 und 18 Sitzen.

Sollte der PP laut Umfragen seinen bisherigen Vorsprung gegenüber dem PSOE halten (vorausgesagt werden zwischen 3 und 5 %-Punkten) wird die Volkspartei zwischen 162 und 168 Abgeordnete stellen (z. Zt. 156). CiU, der katalanische bürgerliche Partner von Aznar wird den PP zur Mehrheitsbildung mit ca. 12 -14 Abgeordneten unterstützten (z. Zt. 16). Die Coalición Canaria wird voraussichtlich mit 4 - 5 Abgeordenten in das Parlament einziehen (z. Zt. 4). Ihre Unterstützung für Aznar gilt als sicher. Der bürgerliche baskische PNV fällt künftig als Mehrheitsbeschaffer aus (z. Zt. 4 Abgeordnete). Die Beziehungen zwischen dem PP und dem PNV sind unheilbar zerrüttet.

Die absolute Mehrheit im Senat, die die Volkspartei seit 1996 innehat, wird durch die gemeinsame Wahlliste IU-PSOE verloren gehen. Dies macht José María Aznar das Regieren in seiner voraussichtlich zweiten Amtsperiode schwieriger. Ein solches Ergebnis könnte jedoch die längst notwendigen Reformen der "Länderkammer" und die Neuordnung des Finanzausgleichs in Gang bringen. Die Regelung des Verhältnisses zwischen der Madrider Zentralregierung und den Autonomen Regionen könnte durch das veränderte Mehrheitsverhältnis beschleunigt werden. Die Zeit des Wahlkampfes ist auf der Iberischen Halbinsel gesetzlich festgesetzt. In Spanien beginnt der Wahlkampf am 25. Februar und endet am Freitag, dem 10. März.

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Dr. Wilhelm Hofmeister

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