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Länderberichte

Thailands erste Wahlen zum Senat

von Dr. Thomas Helfen
Da spätestens im Herbst die ersten Parlamentswahlen seit 1996 anstehen, wurden die Wahlen zum thailändischen Oberhaus, dem Senat, am 4. März 2000 von vielen nicht zu Unrecht als Probelauf für die große Entscheidungsschlacht zwischen Reformkräften und alter Machtelite betrachtet. Die zweihundert, zum ersten Mal frei gewählten Senatoren verfügen nach der neuen Verfassung von 1997 über entscheidende Kontrollrechte. Vor den Wahlen schwankte die Stimmung zwischen einer Euphorie hinsichtlich des Einzugs einer größeren Zahl von sozialen wie politischen Reformkräften und der bedrückenden Vorstellung, das Oberhaus falle vollständig in die Hände der alten Machteliten. Die noch vorläufigen Ergebnisse der Wahlen lassen immerhin auf einen moderaten Sieg der neuen Kräfte hoffen.

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Ziel der Verfassung von 1997 war es, die Macht der alten Politikeliten zu brechen, die Anzahl unabhängiger Volksvertreter zu erhöhen und vor allem dem flächendeckenden Stimmenkauf und dem nicht unverbreiteten Wahlbetrug einen Riegel vorzuschieben. Getragen wurde dieser Reformwille insbesondere von der politisch aufgeklärten Mittelschicht, die sich in Bangkok konzentriert und die sich durch die verheerenden politischen Fehlleistungen der damaligen Regierung Chavalit Yongchaiyuth im besonderen Masse auch in ihrem wirtschaftlichen Aufstieg bedroht sah.

Den alten Politikeliten wurde eine Lösung der Globalisierung durch die verschärften Entwicklungsprobleme des Landes nicht mehr zugetraut. Mit zum Teil grundlegenden Neuerungen in der Verfassung sollte ein weitreichender Reformprozess eingeleitet werden. Hierzu gehören neben der Einführung von Parteilisten bei den nationalen Parlamentswahlen auch die Bestimmungen zur erstmaligen Wahl des Senats. Zugleich wurden den Senatoren erhebliche Kontrollrechte bis hin zu Amtsenthebungsbefugnissen zugestanden. Ihre Amtszeit wurde auf sechs Jahre verlängert; eine Wiederwahl ist nicht zugelassen.

Bislang wurden die Senatoren auf Vorschlag des Premierministers vom König für jeweils vier Jahre ernannt. Der bisherige Senat setzte sich vornehmlich aus hohen aktiven wie ehemaligen Beamten, Militärs und Wirtschaftskapitänen zusammen, die ein Spiegel der alten Machteliten Thailands darstellen. Damit sollte nun Schluss sein.

So durften Kandidaten zum neuen Senat keine Staatsbedienstete sein, nicht Mitglied oder Berater einer politischen Partei, ferner nicht amtierendes Mitglied des Unterhauses. Dagegen mussten die Bewerber mindestens vierzig Jahre alt sein und mindestens über einen Bachelor-Universitätsabschluss verfügen. Um den Einfluss von Parteien bei kostspieligen Wahlkampagnen zu verhindern, wurde jede Wahlwerbung verboten, die über das Vorstellen des Kandidaten mit Bild und Kurzbiographie hinausgeht. Zugleich galt zum ersten Mal in Thailand Wahlpflicht.

Als Überwacher dieser vielfältigen Bestimmungen und als Garant sauberer Wahlen wurde erstmals eine eigene, unabhängige nationale Wahlbehörde eingerichtet, die ein flächendeckendes Netz von Wahlbüros aufbaute. Während bislang das Innenministerium die Wahlvorbereitung und Wahldurchführung übernahm und die Wahlergebnisse bekannt gab, organisieren und überwachen nunmehr fünf nationale Wahlkommissare (nach dem Rücktritt eines Wahlkommissars sind es zur Zeit nur noch vier) die Wahl.

Sie entscheiden über die Kandidatenzulassung sowie über die Anerkennung einer Wahl oder die Aberkennung eines Wahlsieges wegen Stimmenkaufes oder Wahlbetruges. Allerdings hatte die Wahlkommission bei der Kandidatenzulassung Korrekturen durch ordentliche Gerichte sowie das Verfassungsgericht hinnehmen müssen. Einer gerichtlichen Überprüfung ihrer einstimmig zu erfolgenden Entscheidungen hinsichtlich der endgültigen An- oder Aberkennung einer Wahlentscheidung wird sie sich wohl ebenfalls nicht entziehen können.

Fand nun tatsächlich kein Wahlkampf statt? Kamen keine Parlamentarier in den Senat? Waren es saubere Wahlen?

Zunächst: einen üblichen Wahlkampf mit Versammlungen, Werbespots etc. gab es in der Tat nicht. Kandidaten versuchten vielmehr, sich durch Teilnahme an öffentlichen Auftritten, Feierlichkeiten etc. in ihrem Wahlkreis bekannt zu machen. Plakate bis etwa DIN A 3 Grösse mit den Fotos der Kandidaten waren erlaubt und säumten die Strassen. Handzettel und Mundpropaganda waren ebenfalls beliebte Formen der Wählerinformation.

Diese Einschränkungen sowie das klare Verbot für Presse, Funk und Fernsehen, über das politische Profil oder Programm einzelner Kandidaten zu berichten, führten früh zur Befürchtung, lediglich große Namen oder bekannte Gesichter hätten überhaupt eine Erfolgschance.

Während einige Parlamentarier mit wenig Aussichten auf sichere Wahlkreise oder Listenplätze bei den anstehenden Parlamentswahlen noch schnell ihr Abgeordnetenmandat niederlegten und so zur Senatswahl zugelassen wurden, schlugen einige mächtige Parlamentarier den Weg ein, ihre Frauen oder sonstige Familienangehörige zur Kandidatur zu bewegen. Dies führte zur Befürchtung, mächtige Familienclans könnten die beiden Häuser der Nationalversammlung beherrschen und so die Kontrollfunktion des Senats vereiteln.

Erste Auswertungen der Senatswahlen zeigen, dass es, wenn auch in geringerem Ausmaße in Bangkok, ansonsten fast flächendeckend zu Stimmenkäufen kam. So wurden nicht wenige Wahlhelfer beim gleichzeitigen Verteilen von Banknoten und Kandidatenwerbezetteln angetroffen. Aber auch der Stimmenkauf "im Block" über Mittelsmänner scheint auch bei dieser Wahl nicht unbeliebt gewesen zu sein.

Mancher Wähler, der zur Wahl erschienen war, musste erfahren, dass "sein" Stimmzettel bereits abgegeben war. In der Nordostprovinz Khon Kaen wurden zwar nur rund 800.000 gültige Wahlzettel registriert, insgesamt konnten die Kandidaten aber 1,7 Millionen Stimmen auf sich vereinen. Da jeder Wähler aber nur eine Stimme abgeben durfte, konnte es - nicht nur rechnerisch - nicht mit rechten Dingen zugegangen sein.

So verwundert es nicht, dass sich die nationale Wahlkommission auch vier Tage nach der Wahl erst auf zehn von 76 Provinzen einigen konnte, in denen sie an dem korrekten Zustandekommen der Wahlergebnisse keinen Zweifel hat. Insgesamt dreissig Tage haben unterlegene Kandidaten Zeit, die Wahlergebnisse unter dem Vorwurf des Stimmenkaufes oder sonstiger Wahlmanipulation anzufechten. Nicht wenige rechnen mit einer Flut von Anfechtungen und späteren gerichtlichen Überprüfungen.

So wartet auf die nationale Wahlkommission noch ein gutes Stück harter Arbeit. Viele Reformstimmen fordern ein konsequentes Durchgreifen der Wahlkommission und die Festsetzung von erneuten Wahlen in allen Bezirken mit Unregelmässigkeiten. Aber selbst innerhalb der Wahlkommission scheint noch keine Einigkeit zu bestehen, ob man "harte" oder nur "plausible" Beweise für Wahlmanipulationen braucht, um eine Wahl in einem Bezirk für ungültig zu erklären.

Immerhin hat die Wahlkommission sich am 8. März 2000 geweigert, drei der in Bangkok erfolgreichen Senatskandidaten - ein ehemaliger Polizeichef, ein mit organisiertem Glücksspiel in Verbindung gebrachter Unternehmer und ein skandalbelasteter Bankier - aufgrund des Verdachts des Stimmenkaufs offiziell zu bestätigen. Wahlkommissar Yuwarat Kamolwej beeilte sich aber zu erklären, damit seien diese Kandidaten aber noch nicht disqualifiziert. Hierfür brauche man erst noch eine gerichtsfeste Beweislage. Dass die Wahlkommission wohl selbst Zweifel hat, ob ihr dies letztlich gelingen mag, darauf weist ein Statement seitens der Wahlkommission hin, wonach bereits die verzögerte Bestätigung des Wahlsieges als wichtiges Signal im Sinne einer sozialen Brandmarkung zu verstehen sei.

Welche Schlüsse können aus dem vorläufigen Ergebnis der Senatswahlen gezogen werden? Zunächst, die Befürchtung, es werde im wesentlichen nur bekannten Gesichtern und grossen Namen gelingen, in den Senat einzuziehen, hat sich bestätigt. Immerhin werden im neuen Senat aber auch prominente Wissenschaftler, Fernsehmoderatoren, Bürgerrechtler und Vertreter der entstehenden Zivilgesellschaft vertreten sein. Weniger bekannte Bürgeraktivisten hatten sich im Rennen um die Senatssitze nicht behaupten können. Unter den zehn Prozent Frauen im neuen Senat befinden sich neben Ehefrauen bekannter Politiker immerhin auch angesehene Sozialaktivistinnen.

Die Wahlbeteiligung von rund 70 Prozent wird allgemein als ermutigendes Zeichen eines gewachsenen Interesses an Politik gewertet und gilt als Hoffnungszeichen für eine Abkehr von politischer Apathie, dem Nährboden des traditionellen Stimmenkaufs. Von sauberen Wahlen kann aber bei weitem noch nicht gesprochen werden.

Dass es einigen unabhängigen Kandidaten gelungen ist, den Einzug in den neuen Senat auch ohne Stimmenkauf zu schaffen, muss daher bereits als Erfolg begriffen werden und wird auch als solcher gefeiert. Es ist zu hoffen, dass die nationale Wahlkommission den Mut und die Durchsetzungskraft haben wird, über "soziale Brandmarkungen" hinaus, durch konkrete Aberkennung von Wahlsiegen und die Anordnung von Nachwahlen klare Zeichen - auch schon im Hinblick auf die anstehenden Parlamentswahlen - zu setzen.

Was sind die weiteren Aussichten? Zunächst muss das amtliche Endergebnis und die Konstituierung des neuen Senats abgewartet werden. Dies kann noch einen Monat dauern. Dennoch zeichnet sich mit dem Einzug von Unabhängigen und sozial wie politisch aktiven Bürgervertretern eine Trendwende weg vom alten Politikestablishment ab. Dies gibt Mut zur Hoffnung für die im Herbst anstehenden Parlamentswahlen.

Eine wichtige Signalfunktion für den Fortgang des Reformprozesses wird die Wahl des Senatssprechers haben. Die öffentliche Kandidatenkür hierfür begann bereits am Wahlabend. Aber auch der Machtkampf hinter den Kulissen hat bereits begonnen. Der wirklich große Schlagabtausch steht mit den Parlamentswahlen erst noch bevor.

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