Länderberichte
Gefangen zwischen Pragmatismus und Prinzipien
Bis zum heutigen Tag ist die Außenpolitik von Präsident Thabo Mbeki ein Spagat zwischen historischen Determinanten und realpolitischem Pragmatismus. Klar erkennbar ist die Projektion nationaler Interessen auf die Außenpolitik. Mit einer offiziellen Arbeitslosenquote von ca. 39 Prozent stehen der Ausbau der Wirtschaft und die Schaffung neuer Arbeitsplätze an erster Stelle, gefolgt von der Entwicklung des Humankapitals und der öffentlichen Grundversorgung. Der Kampf gegen Korruption und Kriminalität sowie die Transformation des Staates konstituieren weitere durch innenpolitische Motive geprägte Kernpunkte der außenpolitischen Agenda. Rahmenkonzept der südafrikanischen Außenpolitik unter Mbeki bildet jedoch die „New African Partnership for Development“ (NEPAD) und der Versuch, einen nachhaltigen Beitrag zur Entwicklung Afrikas und der Verbesserung internationaler Rahmenbedingungen zu leisten.
Südafrikas Balanceakt zwischen Pragmatismus, Prinzipien und historischen Loyalitäten ist primär eine Folge der Perzeptionen und Erwartungshaltungen diverser Interessengruppen. Auf internationaler Ebene wird versucht, sowohl den Erwartungen der westlichen Industrienationen als auch den Interessen der Gruppe der Blockfreien Staaten gerecht zu werden. Mit der Vorlage des NEPAD Strategiepapiers erfüllte die Regierung die westliche Hoffnung auf eine afrikanische Vision für den Kontinent, die sowohl die nachhaltige sozioökonomische Entwicklung, als auch die Konsolidierung demokratischer Strukturen des Kontinents umfasst.
Doch mit diesem Konzept stoßen die Visionäre bereits regional auf erhebliche Widerstände, da eine Evaluierung der Fortschritte in Bereichen des good governance durch andere afrikanische Staaten (African Peer Review Mechanism/APRM) zum einen eine in der afrikanischen Tradition unübliche, offene Kritik am Regierungsstil afrikanischer Führer bedeutet. Zum anderen rüttelt der APRM am Konzept staatlicher Souveränität und dem besonders durch die OAU lange gepflegten Prinzip der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten anderer afrikanischer Staaten. Darüber hinaus fürchtet man in der Region auch eine politische Hegemonie Südafrikas.
Auf regionaler Ebene, wie auch in der Gruppe der Blockfreien Staaten, erwartet man von Südafrika eine Außenpolitik, die vor allem zur Verbesserung der terms of trade und zu einer Intensivierung der Süd-Süd-Kooperation beiträgt. Am deutlichsten manifestiert sich das aus unterschiedlichen Perzeptionen und Erwartungshaltungen resultierende Dilemma südafrikanischer Außenpolitik jedoch auf nationaler Ebene. Dort herrscht sowohl zwischen Elite und Bevölkerung eine Perzeptions- und Interessendivergenz, wie auch in der Elite selbst.
Ein großer Teil der politischen Elite reiht Südafrika in die Gruppe schwarzafrikanischer Länder ein, charakterisiert von Unterentwicklung und struktureller Armut. Hieraus ergibt sich ei-ne Orientierung des nationalen Interesses an externer Unterstützung ebenso wie die Hervorhebung afrikanischer Solidarität, die häufig einhergeht mit einer moralischen Überheblichkeit gegenüber dem Westen. In der Bevölkerung sieht man Südafrika trotz der existierenden Armut als reiches Land und als starke Demokratie innerhalb der Region. Daraus resultiert ein ausgeprägter Solidaritätsgedanke mit marginalisierten Bevölkerungsgruppen in den Nachbarländern und die Ablehnung korrupter Staatsführer. Die Regierung Mbeki versucht sich innerhalb dieses Interessengeflechts in einem außenpolitischen Drahtseilakt.
Südafrika Besuch des US Präsidenten George Bush
Der Besuch von US Präsident Bush in Südafrika (8.-10.7.2003) machte das Dilemma südafrikanischer Außenpolitik deutlich: Ein Positionsgewirr, das bestimmt ist von nationalen Interessen, der gleichzeitigen Berücksichtigung moralischer Prinzipien und regionalpolitischer Konditionierungen. Heftige Kritik am Empfang des US Präsidenten kam vor allem von den Bündnispartnern des ANC, der South African Communist Party (SACP) und dem Council of South African Trade Unions (COSATU). Ausgeprägter AntiAmerikanismus offenbarte sich auch in der NGO-Szene sowie der muslimischen Gemeinde und in den Medien.
Viele Gegner des Besuchs interpretierten diesen vor allem als einen Versuch Bushs zur Aufbesserung seines Images nach dem Irak-Krieg. Bushs schärfster südafrikanischer Kritiker, Nelson Mandela, der den US-Präsidenten im März öffentlich als Politiker „who can not think properly“ schmähte, hielt sich in diplomatischer Weitsicht außer Landes auf. Mandelas Kritik entzündet sich vor allem an dem von den Vereinigten Staaten gepflegten Unilateralismus und der Umgehung der Vereinten Nationen während der Irak-Krise. Mit dem Stellenwert, der multilateralen Institutionen in der südafrikanischen Außenpolitik zugewiesen wird, reiht sich das Land ein in die Gruppe afrikanischer Staaten, für die multilaterale Institutionen die einzige Möglichkeit darstellen, als gleichberechtigter Akteur in der politische Arena zu agieren.
Trotz zahlreicher Spekulationen und vehementer Kritik im Vorfeld sorgte der Bush - Besuch in Südafrika nicht für Überraschungen. Exemplarisch zeigte bereits die Irak-Politik der Regierung Mbeki, dass man sich auch im Verhältnis zu den USA auf einen Balanceakt einlässt. Auf der einen Seite wird versucht, die eigene moralische Glaubwürdigkeit in Afrika und innerhalb der Bewegung der Blockfreien durch teils schrille Aktionen zu untermauern. Die Entsendung Aziz Pahads als Vermittler nach Bagdad zu Beginn des Jahres ist durchaus als eine solche zu sehen. Zum anderen bemüht man sich darum – wie der Staatsbesuch Präsident Bushs zeigt - die Beziehungen zu den Vereinigten Staaten stabil und den Dialog offen zu halten.
Interaktion nationaler Interessen
Das Verhältnis der Regierung Mbeki zur Bush-Administration wird dabei weitaus deutlicher von ökonomischer Interdependenz und Interessenkongruenz als von bestehenden Differenzen geprägt. Südafrikas Weigerung, das so genannte Art. 98- Abkommen mit den USA zu unterzeichnen, wonach US Staatsbürger unter den Statuten des International Criminal Court von der Strafverfolgung ausgenommen werden, trübte das Treffen Mbeki-Bush nicht. Und das, obwohl Südafrika zu jenen 35 Staaten gehört, die aufgrund ihrer Verweigerung Militärhilfen entzogen bekamen. Im Falle Südafrikas handelt es sich dabei um die Summe von 56.8 Mio ZAR jährlich.
Auch die Zimbabwe-Frage wurde nicht kontrovers diskutiert (Präsident Bush: ... „We share the same outcome.…“. Präsident Bush äußerte gar öffentlich, dass man den Bemühungen Mbekis, durch stille Diplomatie eine friedliche Lösung der politische Krise in Zimbabwe zu erreichen, Glauben schenke und diese unterstütze.
Bestimmt wurde die Agenda des Treffens letztlich von Punkten gemeinsamen Interesses. Handelsfragen (AGOA, MCA, US-SACU Free Trade Agreement) besaßen vor allem auf südafrikanischer Seite Priorität. Mit einem Volumen von 19.6 Mrd. ZAR (2000) sind die USA seit 1994 größter Investor in Südafrika. US-Exporte in Höhe von 2.4 Mrd. US$ gelangten 2002 auf den südafrikanischen Markt.
Im Gegenzug exportierte Südafrika exportierte 2002 Waren im Wert von 4.2 Mrd. US$ in die USA. Insbesondere unter dem African Growth and Opportunity Act (AGOA) gelang eine Quotensteigerung der zollfrei einführbaren Produkte um 45 Prozent.
Im Kampf gegen HIV/Aids stellte sich für Südafrika im Vorfeld des Bush-Besuches vor allem die Frage, nach welchen Kriterien die weltweit versprochenen 15 Mio. US$ verteilt würden. Während die Amerikaner den Schwerpunkt vor allem auf die Behandlung von HIV-Patienten legen, würde die Regierung Mbeki entsprechende Mittel lieber in die allgemeine Gesundheitsversorgung und die Ausbildung medizinischen Personals investieren.
Auf amerikanischer Seite standen bei der Afrikareise Bushs neben den rein ökonomischen Interessen vor allem sicherheitspolitische Erwägungen im Vordergrund. Neben Äthiopien, Kenia und Nigeria gilt Südafrika als wichtiger strategischer Partner in der nationalen Verteidigungsstrategie der USA und im Kampf gegen den internationalen Terrorismus. Das unter der Bush-Administration neu aufflammende Interesse an Afrika mag zwar genährt werden von ökonomischen Interessen (nicht zuletzt Öl), und hat sicherlich durch die Besetzung der außenpolitischen Positionen des Secretary of State und National Security Advisor eine starke afro-amerikanische Konnotation. Es darf jedoch nicht übersehen werden, dass ein Afrika der weak and failed states ein ideales Operationsgebiet für terroristische Netzwerke bietet.
Vor diesem Hintergrund kann ein US Präsident, der sich dem Kampf gegen den Terrorismus verschrieben hat, einen marginalisierten und durch gewaltsame Konflikte destabilisierten Kontinent nicht mehr ignorieren. Die Auswahl der zu besuchenden Staaten bestätigt den Versuch, in der Region stabile und strategisch wichtige Partnerschaften zu bilden (Senegal, Nigeria, Südafrika, Botswana, Uganda).
Aber auch Präsident Mbeki benötigt für seine Vision einer African Renaissance und einer erfolgreichen Implementierung NEPADs stabile politische Strukturen und eine nachhaltige Lösung der bestehenden Konflikte. Eine strategische Partnerschaft mit den USA, die sowohl eine Aufstockung lokaler Peacekeeping-Kontingente, als auch wirtschaftliche Hilfen beim Aufbau krisengeschüttelter Staaten mit sich bringen könnte, bleibt hier unerlässlich.
Dies stößt zwar innerhalb der tripartite alliance (ANC, COSATU, SACP) auf heftigen Widerstand und wird als Ausverkauf außenpolitischer Wertvorstellungen kritisiert. Dabei wird aber die Kongruenz eigener nationaler Interessen mit denen der USA ebenso übersehen, wie die langsame Abkehr von der durch Multilateralismus und moralischen Prinzipien geleiteten Außenpolitik Präsident Mandelas, hin zur Realpolitik unter der Präsidentschaft Thabo Mbekis.