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Verfassungskrise in Uganda?

Das Urteil des Verfassungsgerichtes zur Annullierung des 1. Durchführungsgesetz zum Referendum vom 29. Juni 2000 erschüttert die Grundfesten von Regierung und Parlament. Ein Achtungserfolg für die klagende Oppositionspartei Democratic Party (DP) mit möglichen weitreichenden Auswirkungen für die politische Zukunft des Landes.

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"Ich werde erst einmal einen Hahn verspeisen", erklärt der Präsident der Democratic Party (DP), Dr. Paul Ssemogerere, am 10. August 2000 nach der Verkündung eines Gerichtsurteils, das die Politik Ugandas verändern könnte.

Die Luft liegt schwer über dem überfüllten Gerichtssaal im Herzen der Hauptstadt Kampala, als das einstimmige Votum der fünf Richter des Verfassungsgerichtes Ugandas verkündet wird. Auf der Bank der Kläger sitzen Dr. Paul Ssemogerere und der Vize-Vorsitzende der Democratic Party und Parlamentsabgeordnete Zachary Olum; auf der Seite der Angeklagten die Vertreter der Staatsanwaltschaft.

Gegenstand der Klage ist das 1. Durchführungsgesetz zum Referendum über das politische System Ugandas, das am 29. Juni 2000, wenige Wochen zuvor, durchgeführt wurde. Die Richter geben der Klage statt, erklären das Gesetz für verfassungswidrig und ungültig. In ihrer Begründung führen sie gemäß Klageschrift einen Verstoß gegen Artikel 88, 89 (2) der Verfassung von Uganda vor; die erforderliche Parlamentsmehrheit von einem Drittel (93) der 279 Abgeordnete ist bei Verabschiedung des Gesetzes nicht erreicht worden. Ferner ist das praktizierte Abstimmungsverfahren nach § 76 der Geschäftsordnung des Parlaments, das auf Zuruf ("Aye and Nay") basiert, nicht konform mit der Verfassung.

Ein abschließendes Urteil in einem Prozeß, der am 1. Juli 1999 seinen Anfang nimmt. Auf der Tagesordnung des Parlaments steht am Nachmittag des 1. Juli die Aussprache und Abstimmung über das Durchführungsgesetz zum Referendum über das politische System Ugandas, "Referendum and Other Provisions Act, No.2, July 1, 1999".

Der Gesetzentwurf wurde erst am Vortag vom Kabinett ins Parlament eingebracht, muß jedoch qua Verfassung spätestens am 1. Juli 1999 verabschiedet werden; - ein Jahr vor der Durchführung des Referendums zum Ende des vierten Jahres der laufenden Legislaturperiode. Insgesamt bleiben somit genau vier Stunden zur Aussprache eines Gesetzes, das die zukünftigen politischen Weichen Ugandas stellen soll: die Beibehaltung des (K-)ein-Parteien-System, auch Movement-System genannt, oder die Rückkehr zum Mehrparteien-System.

Der Parlamentspräsident, Francis Ayume, bringt am frühen Abend des 1. Juli 1999 das Gesetz schließlich zur Abstimmung. Wie das Gericht den Parlamentspräsidenten später widerlegt, sind die erforderliche 93 Mitglieder zur Verabschiedung des Gesetzes nicht anwesend. Die allgemeinen Anwesenheitslisten des Hauses vom 1. Juli 2000, die 157 Mitglieder zählen, können ebenfalls nicht zur Abstimmung herangezogen werden, entscheidet das Gericht. Die unter Eid im Rechtsverfahren abgegebenen Anwesenheits-Versicherungen von über 100 Mitgliedern des Parlaments, einschließlich mehrere Kabinettsmitglieder, kann das Gericht auch nicht überzeugen. So erinnert sich beispielsweise der Premierminister, Prof. Apolo Nsibambi, im laufenden Gerichtsverfahren an nunmehr vier Namen von Anwesenden im Plenum zum fraglichen Zeitpunkt. Manche politische Kommentatoren werfen der Regierung Anstiftung zum Meineid vor. Ein Blamage für die Regierung und das Parlament allemal, und ein wenig ermutigendes Zeichen für die Reife der demokratischen Institutionen in Uganda.

Dr. Paul Ssemogerere und Zachary Olum legen innerhalb der 30-tägigen Frist Verfassungsklage gegen das 1. Durchführungsgesetz zum Referendum ein. Das Verfassungsgericht weist die Klage in erster Instanz ab. Der Oberste Gerichtshof entscheidet später, dass die Klage zulässig ist und weist sie an das Verfassungsgericht zurück. Anfang Juni 2000 entscheidet das Verfassungsgericht schließlich über die formale Zulässigkeit der Klage; die Durchführung des Referendums am 29. Juni 2000 scheint für mehrere Tage fraglich. Die Regierung reagierte prompt, und erläßt innerhalb weniger Tage, diesmal mit Quorum, ein 2. Durchführungsgesetz zum Referendum, "Referendum (Political Systems) Act No. 2, July 2000".

Das Referendum wird wie geplant durchgeführt. Das amtliche Endergebnis: Movement-System 4.322.901 Stimmen (90.7 Prozent der Gesamtstimmen), Mehrparteien-System 442.823 (9.3 Prozent der Gesamtstimmen). Die Wahlbeteiligung liegt bei 51,1 Prozent der registrierten Wähler, in absoluten Zahlen 4.913.524, 3 Prozent der Wahlscheine sind ungültig. Die Opposition boykottiert das Referendum in der Auffassung, die Entscheidung über ein politisches System berühre elementare Grundrechte (Recht auf Vereinigung) und könne nicht zur Wahl gestellt werden - auch nicht durch ein Referendum.

Das Verfassungsgericht könnte dieses Ergebnis - wie die Durchführung des Referendums insgesamt - zu Fall bringen, würde es einer weiteren von Vertretern der DP und der UPC (Uganda Peoples Congress) eingebrachten Klage stattgeben und analog feststellen, dass auch das 2. Durchführungsgesetz zum Referendum aufgrund nicht-verfassungskonformer Abstimmungsverfahren des Parlamentes ("Aye and Nye") nichtig und rechtsunwirksam ist. Eine Entscheidung dessen Tragweite eine Verfassungskrise in Uganda auslösen könnte, denn jedes nach der Verfassung aus dem Jahre 1995 erlassene Gesetz könnte damit in Frage gestellt werden. Berührt wären damit auch eine Reihe von Gesetzen, welche die Legitimität der Movement-Regierung tangieren.

Bislang kann über das Votum der Verfassungsrichter nur spekuliert werden. Präsident Yoweri Museveni und der Politische Kommissar des Movement, James Wapakabulo, haben jedoch durch scharfe Kritik am Urteil der Richter vom 10. August 2000 erkennen lassen, dass sie es nicht zu einer Eskalation des Verfassungskonfliktes werden kommen lassen. Welche Mittel sie letztlich zur Abkehr der Eskalation einsetzen werden, ist bislang nicht bekannt. Mehrere Richter wurden jedoch bereits zur Unterredung in den Präsidentenpalast geladen. Politische Kommentatoren sind der Auffassung, dass als ultima ratio dem Präsidenten immer noch das Recht zur Kündigung bzw. Drohung der Nicht-Verlängerung von Verträgen gewisser Richter bleibt.

Derweil versucht das Parlament sich einen neuen Abstimmungsmodus zu geben, mit ersten Implikationen. Am 23. August 2000 konnten Gesetzesvorhaben im Parlament nicht verabschiedet werden, da nach nomineller Auszählung die zur Abstimmung erforderlichen 93 Parlamentarier nicht anwesend waren. Es wird wohl noch einige Zeit dauern, bis die neuen Spielregeln einstudiert sind und sich die Mitglieder des ugandischen Parlaments an das Erfordernis ihrer Anwesenheit bei Abstimmungen gewöhnt haben.

Der verspeiste Hahn dürfte dem Präsidenten der DP, Dr. Paul Ssemogerere, jedenfalls wohl gemundet haben. Ob er ihm auch die sprichwörtliche Stärke verleiht, seine Führungsposition im laufenden Nominierungsverfahren um die Präsidentschaft der Partei zu halten, bleibt abzuwarten. Eines ist jedoch sicher: Dr. Paul Ssemogerere wird seine Kampagne gegen Gesetze, welche die Aktivitäten seiner Partei beschränken, weiter fortsetzen. Inwieweit Justitia ihm hierbei auch zukünftig zur Seite steht, wird sich zeigen.

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Moritz Sprenker

Moritz Sprenker

Referent für Digitalisierung und Qualifizierung Ausland

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