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Länderberichte

Wem gehört Hereroland?

von Dr. Wolfgang Maier
Die gewaltsamen Landbesetzungen in Zimbabwe haben in der Region für Unruhe gesorgt. Experten internationaler Organisationen warnen bereits vor drohenden Hungersnöten in dem früheren Vorzeigeland Zimbabwe. Die Auswirkungen reichen weit über die Grenzen Zimbabwes hinaus: Angst vor gewalttätigen Ausschreitungen und vor Raubüberfällen hat die Farmer Südafrikas erfasst, und auch in Namibia greift Verunsicherung um sich. Die Regierungen der Nachbarländer Zimbabwes bemühen sich zwar um Schadensbegrenzung, doch sind sie wirklich Herr der Lage ? Droht auch in den Nachbarländern das Recht der Strasse?

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Widersprüchliche Signale

In Namibia gab es im Jahr 2000 nach Auskunft des Landwirtschaftsministeriums 5.124 kommerzielle Farmen, davon befanden sich 4.422 im Besitz weißer und 324 im Besitz schwarzer kommerzieller Farmer , 240 Farmen gehörten Ausländern und 34 der Regierung. 104 Farmen wurden nicht bewirtschaftet.

Die Regierung verfolgt das Prinzip des "willing buyer, willing seller", d. h. zum Verkauf stehende Farmen müssen zunächst der Regierung angeboten werden, die über ein Vorkaufsrecht verfügt und entweder selbst kaufen kann oder den Verkauf an einen Privatmann genehmigt. Enteignungen oder gar Landbesetzungen werden nicht als Lösung der Landfrage angesehen und von offizieller Seite verurteilt.

Andererseits werden immer wieder Stimmen laut, die das "Modell Zimbabwe" auch für Namibia empfehlen, vor allem in Kreisen der SWAPO - und hier und da kommt es auch zu Auseinandersetzungen zwischen Farmern und -zumeist jüngeren- Bewohnern benachbarter kommunaler Gebiete, die mit dem Ruf "Zimbabwe" für große Presseresonanz und für Aufregung in der Farmergemeinde sorgen.

Die Gewerkschaften fordern eine Änderung der Verfassung mit dem Ziel, Farmen entschädigungslos enteignen zu können. Auch der Staatspräsident sorgte in den vergangenen Monaten mit alten Feindbildern ("colonialism", "boers"...) gelegentlich für Überraschung.

Die Verunsicherung der Farmer ist nachvollziehbar: Selbst wenn die Regierung Landbesetzungen nicht als das Mittel der Wahl ansieht und sie verurteilt - würde sie diese notfalls auch unter Einsatz der Polizei rückgängig machen ? Schließlich gibt es nicht nur in der Regierungspartei genügend Stimmen, die eine Landreform für vordringlich halten.

Das Dilemma

Die namibische Regierung hat stets anerkannt, dass die kommerzielle Farmwirtschaft einen erheblichen wirtschaftlichen Beitrag, nicht zuletzt auch durch die Bereitstellung von Arbeitsplätzen leistet. Immerhin beschäftigt dieser Sektor etwa 35000 - 40000 Menschen und ist damit der größte Arbeitgeber des Landes.

Durch eine Neuansiedlung von landlosen Menschen ohne Kenntnisse in moderner Farmwirtschaft müsste etwa dieselbe Anzahl von fachkundigen Farmarbeitern nebst Familien und die Farmerfamilie weichen - ein Problem würde mit der Schaffung eines noch größeren Problems "gelöst". Durch eine Landumverteilung wäre also makroökonomisch wenig gewonnen.

Die Umsetzung der im Prinzip gewollten Landreform verzögert sich aber nicht nur wegen der Sorge um eine rückläufige Produktivität der Farmbetriebe. Das hier zur Disposition stehende Weideland ist in ökologischer Hinsicht äußerst empfindlich - kleinste Veränderungen der Bewirtschaftung können erhebliche Auswirkungen auf die natürliche Umwelt haben - auch in diesem Punkt ist Namibia keinesfalls mit Zimbabwe vergleichbar.

Die landesspezifische Problematik einer Landreform ist zudem ethno-historisch begründet. Das Land, auf dem sich die kommerziellen Farmen überwiegend befinden, war früher größtenteils Land, auf dem die Hereros ihr Vieh weideten (die eigentlichen Ureinwohner des Landes, die San oder Buschleute, sind weitgehend marginalisiert und spielen in dieser Debatte kaum eine Rolle). Damit ist dann übrigens auch die in der Überschrift gestellte Frage beantwortet: Wem gehört Hereroland ?

"Uns gehört Hereroland", werden die Hereros antworten. Eine Landreform, die überwiegend den Hereros zugute kommen würde, wäre aber für die vorwiegend von Ovambos gewählte Regierung wenig erstrebenswert. Und eine großflächige Ansiedlung anderer ethnischer Gruppen (also z. B. von Ovambos auf "Hereroland") wäre aus Gründen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung kaum durchführbar.

Alles dies weiß natürlich auch die Regierung, weshalb sie den Status Quo mit weißen Farmern nolens-volens einer Landreform mit unwägbaren Folgen vorzieht.

Szenario 1: Es geht so weiter wie bisher...

Das Prinzip "willing buyer, willing seller" wird weiter verfolgt. Seit der Unabhängigkeit wurden von der Regierung allerdings gerade einmal 97 Farmen aufgekauft, Schätzungen zufolge wurden höchstens 2000 Familien auf dem aufgekauften kommerziellen Farmland angesiedelt. Dieses Ergebnis zeugt keinesfalls von großem Elan bei der Umsetzung der Landreform. Dieses magere Ergebnis wird auch vom Staatspräsidenten immer wieder bemängelt, dessen Regierung allerdings für die Ergebnisse mitverantwortlich zeichnet. Für das Haushaltsjahr 2001 wurden 20 Mio. Namibia Dollars für den Aufkauf von Farmen vorgesehen, was weiterhin für einen eher gemächlichen Fortschritt der Landreform sprechen dürfte.

Szenario 2: Einführung einer Landsteuer...

Die Regierung arbeitet gegenwärtig zusammen mit der FAO an Modellen zur Einführung einer "Landsteuer". Die Meinungen hierzu sind gespalten. Einerseits kann dadurch möglicherweise der Druck aus einer angespannten Situation abgelassen werden, andererseits sind noch viele Fragen aus agrarökonomischer Sicht offen (Kriterien für die Bewertung des Landes, Erhöhung der Produktionskosten u.a.m.).

Könnten die offenen Fragen zufriedenstellend gelöst werden und würden die Steuereinnahmen z.B. für die Erschließung von Neuland, für Aus- und Fortbildung u.ä. verwendet werden, wäre hier sicherlich ein interessanter Ansatz zu erkennen.

Szenario 3: Landbesetzungen in Namibia

Die Lösung der Landfrage nach dem zimbabwischen Muster ist in Namibia unwahrscheinlich und wäre aus ökonomischen und ökologischen Gründen tatsächlich verheerend. Das weiß auch die Regierung und die unangefochtene Mehrheitspartei SWAPO. Auch insofern unterscheiden sich Zimbabwe und Namibia: hier sitzt die Regierungspartei fest im Sattel, sie hat es nicht nötig, den Mob auf der Strasse zu politischen Zwecken zu mobilisieren.

Es bleibt aber ein geringes Restrisiko. Es ist nicht mit letzter Sicherheit auszuschließen, dass auch in Namibia der Funke der Gewalt, entzündet an einem möglicherweise unbedeutenden Anlass, überspringt und zu erst unkontrollierten, und später dann unkontrollierbaren Auswüchsen führt.

In diesem Zusammenhang stimmen einzelne rhetorische Ausfälle namibischer Politiker nachdenklich. Anstatt auf einen Ausgleich zwischen den unterschiedlichen Interessen hinzuwirken, kommen auch von offizieller Seite mitunter Signale, durch die sich Farmbesetzer ermutigt fühlen könnten. Dieses Szenario erscheint aber als das unwahrscheinlichste.

Die Auswirkungen...

Die fast schon trotzige Unterstützung für die "Landreform" in Zimbabwe deutet darauf hin, dass sich hier ein (eigentlich ungewollter !) Konflikt aufzubauschen beginnt, dessen Wurzeln bis in die Kolonialepoche zurückreichen.

Man möchte sich einfach nicht mehr von denjenigen bevormunden lassen, denen man das Problem "verdankt" - zum Beispiel den "britischen Kolonialisten" und ihren Enkeln, den kommerziellen Farmern in Zimbabwe. Dieses etwas antiquiert wirkende Feindbild wird mit einiger Mühe auch auf Namibia ("the boers") übertragen und fordert die afrikanische Einheit heraus. ...

Die Verunsicherung unter den kommerziellen Farmern nimmt demzufolge zu. Damit einher geht eine Verunsicherung, die weit über die Landwirtschaft hinausreicht. Welcher Investor wird in einem Land investieren, in dem er mangels Rechtssicherheit um seine Investition fürchten muss?

Damit sind die Auswirkungen der Landbesetzungen in Zimbabwe auch in Namibia spürbar und von erheblicher Bedeutung für die weitere wirtschaftliche, politische und soziale Entwicklung Namibias.

Die Lösung eines seit längerer Zeit ohne Ergebnis diskutierten Problems wird damit immer dringender.

Lösungen... ?

Die verfahrene Situation kann nur entspannt werden, wenn einerseits die Regierung und die sie tragende Partei einen De-Eskalationskurs verfolgt, wenn die rechtsstaatlichen Verfahren beachtet und notfalls erzwungen werden und wenn schließlich in Namibia selbst ein konstruktiver Dialog zwischen den Beteiligten eingeleitet werden kann.

An diesem Dialog müssen sich kommerzielle und kommunale Farmer aktiv beteiligen, "Landlosen" müssen Alternativen angeboten werden.

Das heißt, dass die unterschiedlichen Interessengruppen aufeinander zugehen müssen. Dass dies schwer, aber immerhin möglich ist, zeigen verschiedene Ansätze, die auf privater Ebene begonnen haben und die unterstützt werden müssen.

Außerdem wird immer wieder darauf hingewiesen, dass es in Namibia selbst noch große unerschlossene Landreserven gibt, die sich für Landbewirtschaftung eignen würden. Die vorliegenden Daten deuten außerdem darauf hin, dass die Intensivierung der Bewirtschaftung z.B. kommunaler Farmwirtschaften ökonomischer ist als die Durchführung von Um- und Neuansiedlungsprogrammen und auch arbeitsmarktpolitisch bessere Ergebnisse zeitigt.

Wenn die Namibier - weiße und schwarze - es schaffen, die Ressourcen ihres Landes gemeinsam zu entwickeln und wenn sie lernen, miteinander zu sprechen, kann das Thema Landreform auf Dauer entschärft werden.

Die deutsche Entwicklungspolitik kann hierbei eine moderierende Rolle übernehmen. Eine direkte finanzielle Beteiligung, z.B. an einem Fonds für den Aufkauf von Land, lehnt die Bundesregierung ab. Allerdings ist sie bereit, projektgebundene technische Unterstützung in einer Größenordnung von etwa DM 5 Mio. zu leisten.

Angesichts der immer wieder einmal betonten historischen Verantwortung Deutschlands für das ehemalige "Deutsch-Südwest" erscheint dieser Einsatz durchaus angemessen.

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Kontakt

Thomas W. Keller

Thomas W

Leiter des Auslandsbüros Namibia Angola

thomas.keller@kas.de +264 61 225-568 +264 61 225-678

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