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Länderberichte

Wirtschaftliche Aspekte des EU-Beitritts der Slowakei

von Frank Spengler
Die – geographisch - kleine Slowakische Republik hat sich seit der Übernahme der Regierungsverantwortung durch Mikulás Dzurinda im Jahre 1998 zu einem Vorzeigekandidaten für den EU-Beitritt entwickelt.

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Nach dem erfolgreichen Abschluss der EU- Beitrittsverhandlungen im Dezember 2003 in Kopenhagen, bescheinigten die politischen Kommentatoren dem mitteleuropäischen Land ein großes wirtschaftliches Potenzial. Die Vertreter der Europäischen Kommission hoben immer wieder lobend hervor, dass sich die Beitrittsverhandlungen mit der Slowakei äußerst angenehm gestalteten und dies der Slowakei auf lange Sicht durchaus viele Pluspunkte eingebracht habe. Dies ist nicht unwichtig, vor allem wenn es um die Ansiedlung dringend benötigter ausländischer Investoren geht. Jüngstes Beispiel ist der französische Automobilhersteller Peugeot, der ab dem Jahre 2006 in der Slowakei produzieren will.

Die slowakische Hauptstadt Bratislava repräsentiert nach Prag inzwischen die dynamischste Region aller EU-Beitrittskandidatenländer. Die slowakischen Entscheidungsträger richten sich nun darauf ein, bald für ihre Hauptstadt keine Mittel mehr aus der Ziel-1-Förderung der Europäischen Union zu erhalten. Für Prag stehen diese Gelder bereits ab dem Jahre 2004 nicht mehr zur Verfügung. Bratislava dürfte dann als nächste Hauptstadt - noch vor Budapest und Warschau - aus der Förderung herausfallen, da die Bewohner in dieser Region bereits heute 98% des EU-Durchschnittseinkommens verdienen.

Soviel Dynamik weckt weitere vielfältige Erwartungen hinsichtlich der EU-Erweiterung. Die Bürger der Slowakei zählen mit rund 80% Zustimmung unter den Beitrittskandidatenländern zu den größten Befürwortern einer EU-Erweiterung.

Auch das Interesse der deutschen Unternehmer richtet sich, angesichts der wirtschaftlichen Probleme in Westeuropa, immer stärker auf das kleine mitteleuropäische Land. Die Vorteile liegen für sie deutlich auf der Hand: Der durchschnittliche Monatslohn in der Slowakei ist immer noch etwa zehn Mal niedriger als in Deutschland. Darüber hinaus liegt die Slowakei nicht allzu weit von Deutschland entfernt, so dass sich der logistische Aufwand in Grenzen hält.

Bis Ende September 2003 will etwa der Computerhersteller Dell das Geschäft mit Endkunden und kleineren Unternehmen nach Bratislava verlagern. 400 Arbeitsplätze sollen so entstehen. In der Konzernzentrale wird diese Entscheidung damit begründet, dass sich das Geschäft mit den Verbrauchern via Call Center genauso gut aus dem Ausland organisieren lasse. Für eine Kaufentscheidung der Kunden sei nicht die Betreuung vor Ort ausschlaggebend, sondern letztlich der Preis.

Im Moment warten allerdings viele deutsche Unternehmer mit ihren Investitionsentscheidungen noch den Ausgang des Referendums über den EU-Beitritt der Slowakei ab. Sollten die Slowaken allerdings - wie erwartet - am 16. und 17. Mai 2003 für den EU-Beitritt votieren, könnte es zu einer beachtlichen Ausweitung der Anzahl der deutschen Investoren in dem Gastland kommen. So ergab eine Umfrage der Hamburger Handelskammer vom Dezember 2002, dass eine Vielzahl von Unternehmen in dem Stadtstaat große Hoffnungen gerade auf die Slowakei setzt. Sie erwarten dort nach dem EU-Beitritt des Landes mehr als eine Verdoppelung ihrer Umsätze.

Dies bedeutet aber auch, dass sich einige slowakische Betriebe auf ein erheblich schwierigeres Marktumfeld als bisher einstellen müssen. Dies, obwohl die EU-Kommission in ihrem letzten „Regelmässigen Fortschrittsbericht“ über den Stand der EU-Vorbereitungen dem Land eine funktionierende Marktwirtschaft bescheinigt, die dem Wettbewerbsdruck in der EU standhalten könnte.

Für die Slowakei wird die schwache konjunkturelle Entwicklung in Deutschland immer mehr zu einem Problem. Besorgt sind slowakische Wirtschaftskreise vor allem darüber, dass die deutschen Unternehmen sich auf Grund der wirtschaftlichen Flaute auch mit Investitionen in der Slowakei zurückhalten könnten. Der Anteil deutscher Investitionen an den gesamten direkten ausländischen beträgt rund 30%.

Die slowakischen Unternehmer versuchen so gut wie möglich, sich auf die neue Wettbewerbssituation einzustellen. Dabei hilft, dass der Handel mit der Tschechischen Republik weder durch Zölle noch Quoten erschwert wird. Dies wird von Regierungsvertretern als ein guter Lernprozess vor dem EU-Beitritt für die einheimischen Produzenten bezeichnet und führe darüber hinaus zu niedrigeren Verbraucherpreisen.

Eingetreten ist zunächst aber erst einmal ein Verdrängungsprozess - seit Jahresbeginn ist es nicht einfach, in slowakischen Supermärkten ein heimisches Produkt zu finden, das im Vergleich zu tschechischen Erzeugnissen viel günstiger ist. Allerdings ist dabei zu berücksichtigen, dass in der Slowakei zu Jahresbeginn die Energiepreise um rund 45% gestiegen sind und sich die Produzenten vor Ort erst auf diese Situation einstellen müssen.

Den Bedenken einheimischer Produzenten gegen eine Marktöffnung stehen jedoch positive Wirkungen gegenüber. Die ausländischen Investitionen werden zum Abbau der hohen Arbeitslosigkeit beitragen. So soll durch die von Peugeot geplante Produktionsanlage in Trnava etwa 3500 neue Arbeitsplätze entstehen. Im Januar 2003 betrug die slowakische Arbeitslosenrate 19,3%. Für dieses Jahr wird im Durchschnitt mit 17,5% gerechnet.

Ein weiterer Vorteil der Ansiedlung neuer Produktionsstätten ist offensichtlich: Aus der Slowakei werden nicht mehr so viele gut qualifizierte Arbeitskräfte wie bisher in das Ausland abwandern. Die ausländischen Unternehmen sind z. Zt. ein wichtiges Auffangbecken für junge gut ausgebildete Arbeitskräfte. Für diese ist es immer noch schwer, eine Anstellung im eigenen Land zu finden. Darüber hinaus helfen die Investitionen in strukturschwachen Gebieten, das Einkommensgefälle – insbesondere zwischen dem gut entwickelten Westen und dem benachteiligten Osten des Landes - auszugleichen.

Ein weiteres Problem des Arbeitsmarktes ist Bestandteil des Generationenkonfliktes, der auch auf dem Arbeitsmarkt ausgetragen wird. Dieses Problem wurde im Dezember 2002 in mehreren slowakischen Tageszeitungen ausführlich erörtert. Die hohe Arbeitslosigkeit sei auch darin begründet, dass viele Ruheständler noch im hohen Alter arbeiten würden, um ihre niedrige Rente von durchschnittlich rund 145 Euro aufzubessern.

Insbesondere die NRO gelten als „Zufluchtsort“ für arbeitswillige Senioren. Sie können im Gegensatz zum öffentlichen Dienst eher begründen, warum sie, entgegen den gesetzlichen Vorschriften, Arbeitnehmer noch über das 60. (Männer) bzw. 58. (Frauen) Lebensjahr hinaus beschäftigten.

Ein weiterer Kritikpunkt wird oft von den jungen Arbeitnehmern vorgebracht. Nach einem Auslandsstudium finden sie oft nur bei ausländischen Firmen eine Anstellung. Diese zahlen zwar im Vergleich zum öffentlichen Dienst höhere Gehälter, doch viele junge Menschen bedauern, dass sie ihre Erfahrungen und ihr Wissen nicht direkt zur Umstrukturierung des Landes einbringen können. Dies führe letztlich auch zu einer unnötigen Verzögerung der Reformen im Land.

Umfassend reformiert wurden aber Ende vergangenen Jahres die gesetzlichen Grundlagen für die Kreditvergabe der Banken. Das Gesetz fand vor allem deswegen internationale Anerkennung, weil es schon jetzt weitgehend die Vorgaben des internationalen Abkommens für die Kreditvergabe (Basel II) umsetzt. Dies wäre eigentlich erst ab dem Jahre 2005 vorgeschrieben gewesen. Besonders gewürdigt wurden von den Wirtschaftsexperten vor allem die strengen Maßstäbe, die nun hinsichtlich der Bewertung der Bonität eines Kreditnehmers anzuwenden sind.

Es stellt sich allerdings die Frage, inwieweit heute dieses Gesetz überhaupt schon eine Wirkung entfalten kann. Nach der Bankenkrise von 1998 gelten die slowakischen Kreditinstitute als wirtschaftlich wieder gut erholt. Bemängelt wird jedoch von Finanzexperten die hohe Liquidität der Kreditinstitute. Bankenvertreter in der Slowakei begründen dies damit, dass nur wenige Unternehmen die Kriterien der Banken für eine gesicherte Rückzahlung der Kredite erfüllten.

Die Finanzinstitute erhoffen sich von dem EU-Beitritt bessere Perspektiven, und natürlich auch neue Kunden, vor allem aus dem Sektor der kleineren und mittleren Unternehmen. Hinsichtlich des Aufbaus und der Förderung eines leistungsfähigen Mittelstandes besteht in der Slowakei im europäischen Vergleich aber noch ein erheblicher Nachholbedarf. Gleiches gilt für die Unternehmermentalität, die in der Slowakei noch sehr unterentwickelt ist.

Leistungsfähige kleinere und mittlere Unternehmen und ein breiter Mittelstand sind langfristig aber eine wichtige und unabdingbare Voraussetzung für eine funktionierende und stabile Demokratie.

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Matthias Barner

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Leiter des Auslandsbüros Vereinigtes Königreich und Irland

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7. April 2003
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