Ist die NATO innerlich eingefroren, „hirntot“, wie Frankreichs Präsident Emmanuel Macron es mal formuliert hat? Haben Donald Trumps Poltereien und Austrittdrohungen die NATO innerlich zerrissen? So schlecht, wie es manchmal nach außen wirkt, ist es um die NATO gar nicht bestellt, sagt der NATO-Experte und Beauftragte des politischen Direktors im Bundesverteidigungsministerium, Dr. Karl-Heinz Kamp bei #KASkonkret. Die NATO habe auch während Trumps Präsidentschaft funktioniert und schwierige Entscheidungen getroffen. „Das Problem bei Trump war, dass er gegen seine eigenen Interessen gehandelt hat. Die Stärke der USA sind ja gerade ihre Verbündeten. In der NATO ist das ‚Who is Who‘ der reichsten und stärksten Staaten weltweit. Die vor den Kopf zu stoßen ist wirklich keine gute Idee.“
Die NATO garantiert äußere Sicherheit
Innerliche Zerrüttung kann sich die NATO eigentlich gar nicht leisten. Das Verteidigungsbündnis garantiert die äußere Sicherheit seiner inzwischen 29 Mitglieder. Wie schnell die auch in Europa bedroht sein kann, hat der Angriff Russlands auf die Ukraine 2014 gezeigt. „Russland hat etwas gemacht, von dem wir eigentlich dachten, dass es das in Europa nicht mehr gibt: Russland hat Gewalt gegen die Souveränität eines anderen Staates eingesetzt. Seitdem haben vor allem die baltischen und die osteuropäischen NATO-Mitglieder die Sorge, dass sich das wiederholen könnte“, erklärt Kamp.
Dass einzelne Mitglieds-Staaten ihr eigenes Ding machen, wie zuletzt die Türkei, sei nicht schön – die NATO könne das aber aushalten. „Die NATO hatte schon immer schwierige Partner. Wir dürfen nicht vergessen, dass Griechenland während des Kalten Krieges eine Diktatur war. Auch Frankreich, auch Deutschland werden von anderen Staaten schon mal als schwierige Partner angesehen.“ Die Leistung der NATO, so Kamp, sei es, immer einen Konsens hinzubekommen. Das muss sie auch, denn: alle Entscheidungen sind Mehrheitsentscheidungen.
Rückbesinnung auf alte Stärken
Mit Joe Bidens Amtsantritt hoffen viele Politikerinnen und Politiker auf versöhnlichere Töne. Biden gilt, anders als Trump, als Transatlantiker und Freund internationaler Bündnisse. Kamp sagt dazu: „Biden hat verstanden, dass Verbündete keine Last sind, sondern ein Asset, ein positives Element, mit dem man arbeiten kann.“ Trump hatte die Bündnispartner, darunter Deutschland, immer wieder dafür kritisiert, dass sie zu wenig Geld in die gemeinsame Verteidigung stecken, dass sie nicht ihren angemessenen Anteil beitragen. Auch Joe Biden wird das fordern, glaubt Kamp. Andererseits erwartet er, dass sich die NATO mit Biden wieder mehr auf ihre Stärken besinnt. Auf das internationale Gewicht, das sie als Gemeinschaft von 29 überwiegend demokratischen Staaten hat. „Die USA sind nicht aus Charity in der NATO, sondern, weil es ihnen nützt. Supermacht wird man nicht durch die Anzahl der Atomraketen, die man hat, siehe Russland. Supermacht wird man dadurch, dass man internationalen politischen Einfluss hat“, macht Kamp deutlich. Biden habe das verstanden und werde entsprechend agieren.
Bereit für neue Herausforderungen?
In den Jahrzehnten seit ihrer Gründung hat die NATO sich immer wieder gewandelt. Diese Wandlungsfähigkeit muss sie sich auch in Zukunft beibehalten, findet Dr. Christian Köcke, Referent im KAS-Büro in Bonn – damit sie auch in Zukunft auf die Herausforderungen reagieren kann, die von verschiedener Seite kommen können. „Das ist im Augenblick eher von Richtung Russland, das kann aber irgendwann auch von Richtung China sein“, sagt Christian Koecke. Ihm ist außerdem wichtig, dass die Mitgliedsstaaten es schaffen, auch mal die Perspektive zu wechseln, „damit wir z. B. die Bedrohung, die Russland darstellt, verstehen – aus der Sicht der verschiedenen Mitgliedstaaten. Das mag aus der Sicht von Spanien oder Portugal nicht so dringend sein, aber aus der Sicht der baltischen Staaten und aus Sicht Polens ist es existenziell.“
Nächste Woche bei #KASkonkret…
Am Dienstag, den 23. Februar, geht es bei #KASkonkret um Journalismus und Glaubwürdigkeit. Umfragen zeigen, dass besonders jetzt, während der Pandemie, vielen Deutschen seriöse Informationsquellen wichtig sind. Programme wie der Deutschlandfunk erleben ein Nachfragehoch. Was müssen Medienhäuser tun, um in Sachen Glaubwürdigkeit noch besser zu werden? Welche Anforderungen stellt diese Entwicklung an den journalistischen Nachwuchs? Darüber spricht Maximilian Nowroth mit Christoph Kucklick, Leiter der Henri-Nannen-Schule in Hamburg.