Nach einer Begrüßung von Stefan Reith, Leiter Team Lateinamerika der KAS, stimmte ein kurzes Video mit einer historischen Übersicht zum Plebiszit unter dem Leitspruch „Chile, la alegría ya viene“ („Chile, die Freude kommt“), produziert vom chilenischen Institut CDC (Centro Democracia y Comunidad) und demKAS-Auslandsbüro Chile, auf die Thematik des Fachgesprächs ein. Der Büroleiter, Andreas Klein, griff den im Video dargestellten Dialog mit unterschiedlichen Zielgruppen auf, dieser wird von der KAS in Chile aktiv vorangetrieben, um die Auseinandersetzung und Aufarbeitung der Militärdiktatur zu fördern. Außerdem zog er die Parallele zwischen Mauerfall in Berlin und Plebiszit. Beide Ereignisse seien Wegbereiter für friedliche demokratische Umbrüche in einemähnlichen Zeitrahmen gewesen.
Eine bedeutende Zeitzeugin des Plebiszits und demokratischen Wandels ist die stellvertretende Vorsitzende der PDC, Carmen Frei Ruiz-Tagle. Als Tochter des ehemaligen Staatspräsidenten Eduardo Frei Montalva kam sie schon früh mit Politik und Christdemokratie in Kontakt. Sie traf Konrad Adenauer und berichtete von der Verbundenheit zwischen den Christdemokraten in Deutschland und Chile auf der Basis der Wertevorstellungen der Demokratie, Freiheit und Sozialen Marktwirtschaft. Sie erläuterte, dass der Transformationsprozess in Chile ein langwieriger wäre, der noch immer nicht abgeschlossen sei. Hierbei betonte sie aktuelle Herausforderungen in Bezug auf die Menschenrechte, Ungleichheit, mangelnde Integration von Minderheiten und neue rechte Strömungen. Carmen Frei plädiert heute wie damals für eine humanistische Politik, die den Mensch und seine Bedürfnisse in den Mittelpunkt stellt.
Der Vorsitzende der PDC, Fuad Chahín, fand ebenfalls klare Worte dafür, dass das Plebiszit zwar den Weg zur Demokratie geebnet habe, dieser aber noch nicht zu Ende gegangen sei. Er berichtete hierbei vom mangelnden Politikinteresse der Post-Plebiszit-Generation, obwohl in Chile nach wie vor 15% der Bevölkerung in Armut lebten und große soziale Missstände herrschten. 1988 sei das Vertrauen in die Demokratie unglaublich hoch gewesen, 94% der Bevölkerung hätten sich zum Plebiszit geäußert. Heute hingegen fehle dieses Vertrauen in die Politik, in Behörden, Parlamente und Parteien gänzlich. Chahín führte aus, dass sich die PDC vor dem Hintergrund dieser Verdrossenheit neu ausrichten und positionieren müsse. Dabei sieht er Themen wie Gleichstellung, Gesundheit, Pensionen und Migration im Fokus. Er erläuterte anschaulich, dass Vertrauen und Ansehen wieder hergestellt werden müssen. In einer polarisierten Welt biete die Christdemokratie einen wichtigen Kontrapunkt zu den negativen Auswirkungen des Kapitalismus. Vor diesem Hintergrund warb er für eine wert- und prinzipienbasierte Politik.
Enrico Brandt, Referatsleiter Grundsatzfragen Lateinamerika und Cono Sur im Auswärtigen Amt, kommentierte die Diskussion aus einem deutschen Blickwinkel. Hierbei betonte auch er die Parallelen zwischen den zeitgeschichtlichen Ereignissen in beiden Ländern und den komplexen Prozess der Aufarbeitung. Brandt erwähnte die gute und enge Zusammenarbeit chilenischer und deutscher Parlamentarier und Regierungsmitglieder und berichtete vom erfolgreichen Besuch von Staatspräsident Piñera im Oktober dieses Jahres in Deutschland.
In der anschließenden Diskussionsrunde tauschten die Teilnehmer aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft sich mit den chilenischen Politikern zu aktuellen politischen Themen aus. Dabei kam der Erneuerungsprozess der PDC zur Sprache, die gerade dabei ist ihr Parteiprogramm zu ändern, die Führungsriege zu verjüngen, Dezentralisierungsprozesse umzusetzen und durch gezielte Kampagnen den Wählern näher zu kommen. Die Partei setzt einen Schwerpunkt auf Transparenz, Compliance-Systeme und Beschwerdemöglichkeiten, um das Vertrauen der Bürger zurückzugewinnen. Carmen Frei schloss mit einem Plädoyer dafür, dass Diskurs nur der erste Schritt sei und jetzt Konsequenzen folgen müssten. Dabei warb sie dafür, dass die Potentiale Chiles weit über Wirtschaftsthemen hinausgehen würden.
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