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Sale no mobarak - Beginn eines Neuen Jahres im Iran

Für den Iran bringt das neue Jahr 1392 sozio-ökonomische, innenpolitische und sicherheitspolitische Herausforderungen

Am heutigen 20. März feiern die Perser das wichtigste Fest aus vorislamischer Zeit: Das Neujahrsfest „Norus“ läutet (nach islamischer Zeitrechnung) das Jahr 1392 ein.

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Bereits am Montag gratulierte US-Präsident Barak Obama dem iranischen Volk in einer Videobotschaft, wobei er einen symbolträchtigen Vers des Dichters Hafis zitierte: "Pflanze den Baum der Freundschaft, der Frucht der Erfüllung trägt, reiße aus den jungen Baum der Feindschaft, der unendliches Leiden bringt."

Doch aufgrund der immer stärkeren Blockade von Internetseiten dürfte kaum einer der 75 Millionen Iraner im Iran selbst diese versöhnlichen Worte des amerikanischen Präsidenten mitbekommen haben.

"Langfristige Lösung der Nuklearfrage"

In erster Linie richtete sich Obama mit seinem eindringlichen Appell für Versöhnung und Kooperation zwischen den USA und Iran aber ohnehin direkt an die iranische Führung. Dabei fokussierte er sich vor allem auf die Nuklearfrage und rief die iranische Regierung auf, „Spannungen zu reduzieren und an einer andauernden langfristigen Lösung der Nuklearfrage“ zu arbeiten.

Den internationalen Konflikt um das iranische Atomprogramm möchten die USA „friedlich und auf diplomatischem Wege“ lösen, betonte Obama in seiner Grußbotschaft. Dieser Teil der Rede war aber nicht nur für das iranische Publikum bestimmt, sondern auch für die engen Freunde in Israel, die Obama heute besucht. Im Gegensatz zum israelischen Regierungschef Netanyahu sieht Obama die Iraner nicht kurz vor dem Bau einer Bombe und möchte dem wieder aufgenommenen Verhandlungsprozess eine reelle Chance geben. Hierzu gehört auch, die militärische Asymmetrie zwischen den USA und dem Iran nicht durch eine offensive Betonung der „militärischen Option“ gegen das iranische Atomprogramm zu einer Hypothek für die Nuklearverhandlungen werden zu lassen.

Für den Iran wird der Fortgang der Nuklearverhandlungen sowohl innen- wie auch außenpolitisch im neuen Jahr von größter Bedeutung sein.

Durch den immer weiter zunehmenden Sanktionsdruck ist die iranische Wirtschaft in eine schwere Krise geraten, die auch den wirtschaftlich sehr aktiven Revolutionsgarden zusetzen. Diese militärischen Kräfte wurden nach der islamischen Revolution von 1979 gegründet, um die Revolution zu schützen und stellen im heutigen Iran eine wirtschaftliche Macht dar, die durch die Sanktionen - genau wie andere Wirtschaftsakteure - verletzbar sind.

Für die iranische Seite sind die Verhandlungen äußerst kompliziert, da die iranische Führung unbedingt den Eindruck vermeiden will, dass Iran dem Druck der internationalen Gemeinschaft nachgibt. Das Hardlinerlager um Präsident Ahmadinedschad hatte den Reformkräften um den Vorgängerpräsidenten Khatami genau dies zum Vorwurf gemacht und konnte in der national gestimmten Bevölkerung damit durchaus punkten.

Anstehende Präsidentschaftswahlen

Am 14. Juni 2013 stehen wieder Präsidentschaftswahlen an und obwohl Ahmadinedschad diesmal aus wahlrechtlichen Gründen nicht ein weiteres Mal antreten darf, wird auch die Haltung in der Nuklearfrage einen Einfluss darauf ausüben, wie der Wahlkampf verlaufen wird.

Die international vorrangig diskutierte militärische Bedrohung durch eine potentielle iranische Bombe spielt dabei aber im Iran selbst nur eine nachrangige Rolle. Viel entscheidender ist dort inzwischen die Frage, welchen Preis Iran für seinen Kurs in der Nuklearfrage bezahlen muss.

Auch in der aktuellen Verhandlungsphase, die am 5. und 6. April 2013 in Kasachstan, das nach seiner Unabhängigkeit 1991 sein Atomwaffenarsenal beseitigt hatte, fortgesetzt werden soll, verzichtet Iran nicht auf Maßnahmen, die konfrontativ wirken. So wurde jüngst die Inbetriebnahme von 3000 Zentrifugen der nächsten Generation zur nuklearen Anreicherung angekündigt.

Dem vorrangigsten iranischen Verhandlungsziel, einer Milderung des Sanktionsregimes, kommt Iran so nicht näher. Hinter dieser iranischen Haltung steckt der religiöse Führer Chamenei, der einen politischen Ausgleich mit den USA und einen kompromissbereiten Kurs in der Nuklearfrage nicht offensiv vorantreibt.

Stattdessen betonte er Anfang März in einem Gespräch mit iranischen Offiziellen den Niedergang der westlichen Zivilisation. Zuletzt hatte er sich im Februar in zwei Reden sehr kritisch über die USA geäußert und sie offen als „irrationalen Akteur“ bezeichnet. Verhandlungen unter „Druck und Drohungen“ lehnte er ab. Die Sanktionen bezeichnete er als Ausdruck der negativen Absichten und betonte: „Wenn wir Atomwaffen entwickeln wollten, könnten uns die USA niemals daran hindern, so wie sie Indien, Pakistan und Nordkorea nicht daran hindern konnten.“ Wie schon wiederholt in den vergangenen Jahren, führte Chamenei wieder seine angebliche grundsätzliche Ablehnung von Atomwaffen an: „Atomwaffen sind Verbrechen gegen die Menschheit und sollten nicht produziert werden“. Im offiziellen Teheran gilt dieses Führerwort als feste Grundlage der iranischen Verhandlungsposition, die auch bei den Verhandlungspartnern jeglichen Zweifel an der zivilen Nutzung des iranischen Nuklearprogramms zerstreuen sollte. Wer Chamenei in seiner - auch in der religiösen Form einer Fatwa gemachten - Aussage nicht folge und ihm hier nicht vertraue, der strebe letztlich einen Regimewechsel im Iran an, heißt es dort.

"Spirituelle Defizite" des Westens

Neben der sicherheitspolitischen Asymmetrie zwischen Iran und der internationalen Gemeinschaft werden die Nuklearverhandlungen auch durch die einseitig vom Iran auf die Agenda gesetzten angeblichen „spirituellen Defizite“ des Westens erschwert. Die religiöse Führung verbindet ihrerseits eine grundsätzliche Kritik an der westlichen Zivilisation mit ihrem am nationalen Interesse ausgerichtetem Standpunkt in der Nuklearfrage und versucht so die westliche Verhandlungsposition zu delegitimieren. Gleichzeitig erschwert bzw. verunmöglicht sie dem iranischen Verhandlungsteam somit letztlich konkrete Zugeständnisse in den Nuklearverhandlungen.

Mittelfristig dürfte diese Verhandlungsposition zunehmende Kosten verursachen, da sie ein Einlenken der internationalen Gemeinschaft in der Sanktionsfrage nicht befördert. Schon heute wird auch im offiziellen Teheran ganz offen über die schädlichen Konsequenzen der Sanktionen gesprochen. Insbesondere Versorgungsprobleme im medizinischen Bereich werden immer häufiger thematisiert.

Nach einer 2013 im Iran durchgeführten Umfrage bestätigen heute schon über 80 Prozent der Iraner, dass die Sanktionen ihr Leben beeinträchtigen. Je länger der Sanktionsdruck anhält und die iranische Währung weiter an Wert verliert, desto schwieriger wird es aber für die iranische Regierung werden, spirituelle Argumente für eine Mehrheit in der iranischen Bevölkerung als entscheidende Handlungsgrundlage plausibel zu machen. Wenngleich Hunger und Not die Spiritualität befördern können, so können sie doch auch die Ablehnung der herrschenden politischen Verhältnisse erhöhen.

Die Ereignisse im mit der iranischen Führung eng befreundeten Syrien, wo bereits über 70.000 Menschen bei den seit über zwei Jahren andauernden Kämpfen gegen das Regime umgekommen sind, ebenso die anhaltende Gewalt im Irak, von der auch immer wieder die schiitische Bevölkerungsmehrheit dort betroffen ist, haben im Iran keinen Appetit auf erneute Anti-Regime-Proteste gemacht, die leicht, wie in den Jahren 1999 und 2009, gewaltsam eskalieren könnten. Die grüne Bewegung von 2009 wurde zudem durch den bis heute anhaltenden Hausarrest ihrer Führer Mussawi und Karrubi enthauptet.

Dennoch stellen die am 14. Juni 2013 anstehenden Präsidentschaftswahlen die iranische Führung vor eine große Herausforderung: Der Hausarrest gegen Karrubi und Moussawi kann nicht aufgehoben werden, ohne das dies politisch zu einem neuen Aufleben der Reformbewegung führen würde. Zugleich kann ohne das Ende des Hausarrestes aber kaum erwartet werden, dass die Reformkräfte durch repräsentative Kandidaten an den Präsidentschaftswahlen beteiligt werden könnten.

Politische Herausforderungen

Das Jahr 1392 wird für die iranische Führung somit drei große politische Herausforderungen bringen:

  • Bei den Nuklearverhandlungen muss Iran sich weiter gesprächsbereit zeigen. Um die sich immer weiter drehende Sanktionsschraube anzuhalten und die erheblichen sozio-ökonomischen Verwerfungen zu mindern, wird Iran um substantielle Zugeständnisse weiterhin nicht herumkommen, die allerdings „gesichtswahrend“ von beidseitigen vertrauensbildenden Maßnahmen flankiert werden könnten. Hier gibt es vor allem in der Anreicherungsfrage einen gewissen Spielraum, während die Schließung von Anlagen, wie der unterirdischen Atomanlage in Fordo, eher am Ende der Verhandlungen als Teil eines großen „Lösungspakets“ stehen könnte.
  • In der Syrienpolitik ist Iran viel verwundbarer als das Assadtreue Russland, da der schiitisch-sunnitische Gegensatz durch den Syrienkrieg extrem angeheizt wird. Die schiitische iranische Führung will Assad nicht fallen lassen, isoliert sich hierdurch aber in der mehrheitlich sunnitisch geprägten Region immer mehr. Die sogenannte „Achse des Widerstandes“ zwischen Iran, Syrien und Hisbollah ist für Iran inzwischen mehr Bürde als Gewinn. In Syrien wird nicht nur „über die strategische und ideologische Zukunft der Islamischen Republik Iran entschieden“ (Walter Posch), sondern Syrien könnte Iran in eine desaströse regionale militärische Auseinandersetzung ziehen, die sehr schwer einzudämmen wäre.
  • Die innenpolitischen Spannungen haben sich in der zweiten Amtszeit Ahmadinedschads massiv verschärft. Der Nationalpopulismus Ahmadinedschads stößt auf Widerstand weiter Kreise des Klerus, bis hin zu seinem einstigen Förderer Chamenei. In der revolutionären Herrschaftselite haben sich die Brüche dadurch weiter vertieft. Der ohnehin kaum noch innerhalb des Systems überwindbar erscheinende Konflikt zwischen den Reformkräften und den Hardlinern hat eine Dimension erreicht, die relevante Teile der Elite und der eigentlich systemtreuen Kräfte dem System entfremdet. Die von Chamenei gepriesene „Spiritualität“ kann diesen politischen Auflösungsprozess nicht aufhalten. Sollten die Präsidentschaftswahlen friedlich verlaufen, bedeutet dies für die religiöse Führung zwar eine Atempause, aber die Lösung der skizzierten innen-, außen- und sicherheitspolitischen Probleme wird langfristig ohne eine politische Öffnung des Systems kaum gelingen können.

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