Das neue Kabinett: vom Berater zum Minister zum Parteifunktionär
Nach der gewonnenen Oberhauswahl ist die Umbildung des Kabinetts keine wirkliche Überraschung. Erneut werden ausschließlich Vertraute und Parteifreunde mit Ministerposten versorgt, und Abe kann somit sicherstellen, dass die Koalition hält, seine Regierungsvorhaben durchgesetzt werden und die Parteiführung der LDP seine Politik mitträgt.
Mit dem unerwartet guten Ergebnis der letzten Oberhauswahl und dem neuen Kabinett, welches auch den guten Wahlergebnissen des Koalitionspartners Rechnung trägt, hat Abe gute Chancen, Japans längst-amtierender Premierminister zu werden.
Die neuen Getreuen von Abe können zum Großteil keine Ministererfahrung vorweisen. 13 der 19 Kabinettsmitglieder bekleiden das Amt zum ersten Mal. Im Amt geblieben sind lediglich Finanzminister Taro Aso und Kabinettschef Yoshihide Suga, beide gelten als engste Vertraute von Abe. Sie sind seit 2012, also von Anfang an, in Abes Kabinett. Die geplante Steuererhöhung von 8 auf 10 Prozent braucht durchsetzungsstarke Verbündete und vor allem Minister vom Fach.
Nicht glücklich ist die Ernennung von nur zwei Frauen im neuen Kabinett. Japan bekleidet aktuell den 125. Rang im weltweiten Gender Gap Report des World Economic Forum. Dies zu verbessern, hat sich Abe im Vorfeld des G20 Gipfels zur Aufgabe gemacht und das „Jahrzehnt der Frauen“ angekündigt. Sein „Womenomics“-Programm ist für Japan geradewegs visionär, dennoch ist es ihm nicht gelungen, in seinem Kabinett für mehr Geschlechtergerechtigkeit zu sorgen.
Mit Seiko Hashimoto übernimmt eine olympische Eisschnellläuferin nur folgerichtig das Sport- und Olympische Ministerium. Die Spiele finden im Sommer 2020 in Tokio statt.
Sanae Takaichi bleibt Ministerin des Inneren. Mit ihr steht eine stramm rechtsorientierte Nationalistin an der Spitze des Hauses. Sie wird wohl auch weiterhin den umstrittenen Yasukuni Schrein besuchen und diplomatische Verwerfungen mit China und Korea riskieren.
Abes außenpolitischer Berater, Katsuyuki Kawai, wird im neuen Kabinett Justizminister. Neuer Minister für Gesundheit ist der jetzige Vorsitzende des exekutiven Rates der LDP, Katsunobu Kato. Der stellvertretende Kabinettschef Yasutoshi Nishimura ist der neue Wirtschaftsminister. Er wird maßgeblich für die Reform der Sozialversicherung zuständig sein – Abes Prestigeprojekt. Der neue Handelsminister wird der bis dato Vize-Finanzminister, Isshu Sugawara. Sugawara wird sich im aktuellen Handelsstreit mit Korea behaupten müssen. Die Exporteinschränkungen schlagen sich bereits jetzt negativ auf die Handelsbilanzen nieder und werden in naher Zukunft Auswirkungen auf die Profite japanischer Firmen haben.
Japans neuer Außenminister Toshimitsu Motegi wurde durch seine harten Verhandlungen für das Freihandelsabkommen mit den USA bekannt und für diesen Erfolg belohnt. Dennoch ist dieses Ministerium ein Schlüsselposten für die Beziehungen mit den USA und mit Motegi ist sichergestellt, dass die Beziehungen auf seiner Ebene weiter vertrauensvoll vertieft werden können.
Der Deutschland sehr gewogene und eloquente Außenminister Taro Kono wird das Amt des Verteidigungsministers übernehmen. Kono ist, wie Motegi auch, den USA zugewandt und hat ein enges Netzwerk an Vertrauten auch in der Trump-Administration. Kono steht für eine harte Linie gegenüber Korea. Das kürzliche Treffen mit seinem koreanischen Counterpart machte deutlich, wie zerschnitten auch das diplomatische Tischtuch ist. Von Kono wird erwartet, dass er die harte Linie beibehält und die Sicherheitspolitik des Landes entsprechend gestaltet.
In der Summe sind keine politischen Neuausrichtungen zu erwarten. Abe hat sich ein passendes Kabinett für seine nicht immer populären Reformen (Zuwanderungsgesetz, Steuererhöhung, Verfassungsänderung) zusammengestellt. Die Minister werden ihm den Rücken freihalten und sich dem steuernden Büro des Premierministers nicht wiedersetzen.
Politstar Shinjiro Koizumi
Über die spektakuläre Ernennung des 38-Jährigen wurde in Tokio schon im Vorfeld viel gesprochen und geschrieben. Schon lange hat kein Politiker so viel mediale Aufmerksamkeit auf sich gezogen, wie Shinjiro Koizumi. Der Sohn des beliebten Premierminister Junichiro Koizumi ist der drittjüngste Abgeordnete, der je in ein Kabinett berufen wurde. Seine kürzliche Verlobung mit TV-Star Christel Takigawa machte ihn endgültig zum Liebling der Öffentlichkeit. Mit Koizumi wächst vielleicht jene neue Politikergeneration heran, die Japan so dringend braucht. Beispiellos war Koizumis Ankündigung, auch im Amt Elternzeit nehmen zu wollen – bis dato undenkbar in Japans konservativer und patriarchalischer Gesellschaft.
Mit dem neuartigen Image und dem hohen Bekanntheitsgrad von Koizumi liegt die Vermutung nahe, dass Abe mit der Berufung sein politisches Erbe bestimmt.
So spannend wie die Personalie auch ist: mit Koizumi wird das jüngste Mitglied einer alteingesessenen Politikerfamilie berufen und dies zeigt, dass es in Japan noch immer schwer ist, wichtige politische Ämter zu besetzen, wenn man weder Abstammung noch sonstige Verflechtung nachweisen kann. Die Antwort in den USA auf einen derartigen Reigen hieß übrigens Trump. In Japan werden Wahlkreise förmlich vererbt, Söhne profitieren vom Netzwerk der Väter und bewährte Namen werden noch immer lieber gewählt als unbekannte. Geld, Einfluss, Kontakte sind die Währungen, die auch hier Wahlen gewinnen.
Mit Koizumis Nominierung ist auch in Japan ein globaler Trend angekommen: junge Politstars haben Konjunktur. Macron, Kurz und Trudeau sind der erfolgreiche Gegenentwurf zu der vielbeschriebenen „Politik der alten Männer“. Man darf gespannt sein, wie Koizumi sein Amt ausfüllen wird und ob er, der viele geschichtsverklärt an Kennedy erinnert, in der Lage ist, das Popstar-Image in überzeugende Realpolitik umzusetzen, die ihn in naher Zukunft in das höchste Amt des Landes führen kann.
Der neue Umweltminister wird jedenfalls unter großer Beobachtung stehen. Das Resort ist kein einfaches: hier wird über die zukünftigen Energieformen und insbesondere über die weitere Nutzung von Kernenergie entschieden, die sein Vater so vehement ablehnte.
Umstrukturierung in der Regierungspartei
Nicht nur das Kabinett erfuhr eine Umstrukturierung, auch die führende Regierungspartei LDP durchläuft einen Führungswechsel. Wirtschaftsminister Hiroshige Seko wird Generalsekretär der Oberhausfraktion. Der ehemalige Bildungsminister und Verantwortliche für die Verfassungsreform, Hakubun Shimomura, wird der Chefstratege der LDP für Wahlen. Der ehemalige Verteidigungsminister Tomomi Inada wird zum stellvertretenden Generalsekretär berufen. Nicht verändern wird sich die Positionen des Generalsekretärs: Toshihiro Nikai bekleidet dieses Amt weiterhin. Genauso wie der frühere Außenminister Fumio Kishida Chef der Strategischen Abteilung bleibt.
Vermutlich ist Abe mit dieser Riege gut aufgestellt und kann seine begonnenen Regierungsvorhaben bis 2021 beenden. Der dann am längsten amtierende Premierminister Japans ist schon heute einer der erfolgreichsten. Abes pragmatische Außenpolitik sorgt für Stabilität im pazifischen Raum, Japans Freihandelsabkommen in der Region sind eine starke Antwort auf die bilateralen Bestrebungen Chinas. Und er hat die nötigen Reformen im Blick, den immensen Herausforderungen einer alternden und sich dezimierenden Gesellschaft zu begegnen. An den stark nationalistischen Tendenzen und der konservativ ausgerichteten Politik wird hingegen auch dieses Kabinett nichts ändern.
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