Asset-Herausgeber

Dokument zur Geschichte der CDU

Berliner Programm (2. Fassung, 1971)

Verabschiedet auf dem 18. Bundesparteitag vom 25. bis 27. Januar 1971 in Düsseldorf

Infolge des Machtwechsels hin zur sozial-liberalen Koalition wurde in der CDU über die Erarbeitung eines neuen Aktionsprogramms in der Opposition diskutiert. Die Parteiführung um Kurt Georg Kiesinger und Bruno Heck wünschte jedoch keine starke inhaltliche Verschiebung, die als Kritik an der bisherigen Regierungsarbeit hätte interpretiert werden können. Aus diesem Grund kam es nur zu einer Fortschreibung des Berliner Programms von 1968.

Asset-Herausgeber

Den Vorsitz der Programmkommission übernahm der stellvertretende Parteivorsitzende Helmut Kohl. Ein unter seiner Federführung entstandener Entwurf wurde zwar im Juni 1970 von der Kommission verabschiedet („Deidesheimer Entwurf“), doch sorgte die Parteiführung bis zum Düsseldorfer Bundesparteitag (25.–27. Januar 1971) für zahlreiche Änderungen im Sinne einer Entschärfung. So wurde der Bereich Außen- und Deutschlandpolitik vom Ende des Entwurfs wieder – wie traditionell – an den Anfang gestellt. Inhaltlich wurden Bezüge zur Anerkennung der DDR gestrichen, immerhin blieb es im Text bei der Erwähnung der DDR – ohne Anführungszeichen. Zur innerparteilich umstrittenen Haltung zur Ostpolitik der sozial-liberalen Koalition wurde ausgeführt, dass die von der CDU verfolgte erfolgreiche Politik der Westbindung „das Ziel der Verständigung mit dem Osten“ bereits mit eingeschlossen habe. Das Verhältnis zu Moskau wurde weiterhin zurückhaltend beschrieben: „Wir wünschen Frieden mit der Sowjetunion. Eine politische Verständigung zwischen Deutschland und der Sowjetunion wird dann dauerhaft sein, wenn sie auf der gegenseitigen Achtung der elementaren Rechte und Sicherheitsbedürfnisse aufbaut und frei ist von Streben nach Hegemonie.“

Breiten Raum nahm in der Fortschreibung des Berliner Programms als Zukunftsthema die Bildungspolitik ein. An einigen Stellen kam der mit dem Entwurf intendierte Reformgeist zum Ausdruck, wenn etwa von Bildung als „ein[em] Kernstück zukunftsorientierter Politik“ die Rede war und Modellversuche zur Erprobung von integrierten Gesamtschulen befürwortet wurden. Haushaltsmittel in Bund, Ländern und Kommunen sollten zugunsten des Bildungssektors umgeschichtet werden.     

In der Wirtschafts- und Finanzpolitik stand das Programm weitgehend in der Kontinuität der Fassung von 1968. Die Berechtigung, ja Notwendigkeit staatlicher Eingriffe wurde betont: „Zur marktwirtschaftlichen Ordnung gehört eine aktive Konjunkturpolitik.“

Eine stärkere Berücksichtigung gesellschaftlicher Veränderungen zeigte sich mit der Aufnahme eines eigenen Unterkapitels über „Die Frau in der Gesellschaft“, in der die Wahlfreiheit zwischen der Tätigkeit als Hausfrau und einer Berufstätigkeit genannt wurde. Gefordert wurde zudem gleicher Lohn für gleiche Leistung. Darüber hinaus erhielt der Umweltschutz ein eigenes Unterkapitel – viele Jahre vor Entstehung der Partei Die Grünen und der Errichtung eines Bundesumweltministeriums.

Mit seinen insgesamt 131 Punkten war das Berliner Programm in der zweiten Fassung von 1971 noch kleinteiliger formuliert als in seiner Ursprungsform und ließ – abgesehen von der Bildungspolitik – klare Schwerpunktsetzungen vermissen. Aufgrund der Meinungsunterschiede zwischen Bewahrern und Reformern konnte es inhaltlich nicht die Wirkung entfalten, die die Mitglieder der Programmkommission um Kohl wohl beabsichtigt hatten. Die CDU als Oppositionspartei befand sich 1971 noch in der programmatischen Findungsphase.      

 

Asset-Herausgeber

comment-portlet