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Die DDR beginnt mit der Errichtung der Berliner Mauer und mit der Befestigung der innerdeutschen Grenze

von Manfred Agethen
Die Mauer in Berlin war das zentrale Element in der hermetisch abgeriegelten deutsch-deutschen Grenze und das steinerne Symbol für Kalten Krieg und deutsche Teilung.

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Die letzte Entscheidung über ihren Bau lag bei der Sowjetunion als der unbestrittenen Führungsmacht im Warschauer Pakt. Doch es war die DDR unter Staats- und SED-Parteichef Walter Ulbricht, die schon seit Beginn der 1950er Jahre auf den Mauerbau drängte, weil es darum ging, ein Ausbluten der DDR zu verhindern. Etwa 2,8 Millionen Menschen verließen von 1945 bis 1961 aus Protest gegen Zwang, Unterdrückung und Misswirtschaft die DDR – viele davon waren junge, ausgebildete und arbeitsfähige Menschen unter 25 Jahren. Zwar rechtfertigte die SED die Mauer als Notwehrmaßnahme gegen „westlich-revanchistische Abwerbe- und Wühlarbeit“ und deklarierte sie als „antifaschistischen Schutzwall“. Doch wusste die Staatspartei wie alle Welt, dass angesichts der anhaltenden Massenflucht der Menschen aus ihrem Staat die Mauer die einzige Möglichkeit war, die Existenz der DDR zu sichern.

 

Die Ausgangslage: Massenflucht aus der DDR-Diktatur

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs zerbrach die Anti-Hitler-Koalition der Siegermächte aufgrund fundamentaler ideologischer Differenzen sehr rasch. Das geteilte Deutschland wurde zum Schauplatz des Kalten Krieges zwischen den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion. Er erreichte einen ersten Höhepunkt mit der ersten Berlin-Krise vom April 1948 bis zum Mai 1949, als die Amerikaner die sowjetische Absperrung aller Zufahrtswege nach und von Berlin aus mit der Luftbrücke beantworteten. Das Bemühen der kommunistischen SED, unter dem Schutz der sowjetischen Besatzungsmacht einen sozialistischen Staat nach sowjetischem Muster aufzubauen, war mit vielfältigem Gleichschaltungsdruck auf politische Gegner, mit Enteignungs- und Kollektivierungsmaßnahmen sowie mit Gegnerschaft zu den Kirchen verbunden. Zwang und Repression steigerten sich nach der Gründung der DDR 1949 und dann noch einmal nach dem Beschluss der 2. SED-Parteikonferenz im Juli 1952 zum „planmäßigen Aufbau des Sozialismus“. Dazu gehörten die Auflösung der Länder, ein forciertes Zurückdrängen der Privatwirtschaft, Zwangskollektivierung der Landwirtschaft, Bevorzugung der Schwer- zugunsten der Konsumgüterindustrie, überhöhte Rüstungs- und Militarisierungsbestrebungen, massive Einschränkungen der Meinungsfreiheit und ein zunehmend ungesetzliches Handeln der Justiz. Gegen all diese Repressions- und Gleichschaltungsmaßnahmen kam es im Juni 1953 zu einem Volksaufstand, der nahezu flächendeckend die gesamte DDR erfasste und bei dem neben sozialen massiv auch politische Forderungen wie die nach freien Wahlen und Abschaffung der Regierung gestellt wurden. Der Aufstand zeigte das ganze Ausmaß der Unzufriedenheit der DDR-Bevölkerung mit der SED-Diktatur. Er konnte nur mit Hilfe sowjetischer Panzer beendet werden.

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17. Juni 1953: Volksaufstand für die Freiheit – Ursachen, Verlauf und Folgen

Am 17. Juni 1953 gingen an 700 Orten der damaligen DDR über eine Million Menschen auf die Straße. Über die Ursachen des Aufstands, sein blutiges Ende und dessen Folgen für die DDR, die Bundesrepublik und Europa sprechen im Video die Historiker Prof. Dominik Geppert (Universität Potsdam), Dr. Jens Schöne (Stellvertretender Berliner Beauftragter zur Aufarbeitung der SED-Diktatur) und Katja Hoyer (King’s College London).

Aus Protest gegen politische Unfreiheit und mangelhaften Lebensstandard verließen die Menschen DDR scharenweise die DDR. 1959 flüchteten etwa 144 000 Menschen, 1960 beinahe 200 000, insgesamt waren es zwischen 1945 und 1961 etwa 2,8 Millionen – zu annähernd 50 Prozent junge Leute unter 25 Jahren, also eine auf Dauer nicht verschmerzbare Einbuße an Arbeits- und Fachkräftepotenzial. Die DDR war mit dieser Fluchtwelle in ihrer Existenz bedroht. Ihre Führungselite wusste, dass die massenhafte „Republikflucht“ – seit 1957 ein Straftatbestand – eine „Abstimmung mit den Füßen“ war, ein Akt politischer Fundamentalkritik.

Zwar hatte die DDR-Staatsführung schon im Mai 1952 begonnen, die Grenze zur Bundesrepublik von der Lübecker Bucht bis ins Vogtland mit Stacheldraht abzusperren und Zwangsumsiedlungen im Grenzgebiet vorzunehmen. Auch in Berlin wurden zahlreiche Straßen von Ost nach West stillgelegt. Doch die 81 Sektorenübergänge blieben ein Schlupfloch von Ost nach West. Mehrfach bedrängte SED-Chef Walter Ulbricht den sowjetischen Staats- und Parteichef Nikita Chruschtschow, einer Schließung der Staatsgrenze der DDR in Berlin zuzustimmen, um den durch die Massenflucht entstehenden wirtschaftlichen und sozialen Schaden zu stoppen. Chruschtschow war dieser Gedanke nicht fremd – in Moskau war er auf Ulbrichts Drängen bereits im Dezember 1952 einmal erwogen worden. Seither war die innerhalb des Ostblocks starke DDR als westlicher Vorposten des Kommunismus zu einem elementaren Baustein im Satellitengefüge der Sowjetunion geworden, der nicht beschädigt werden oder gar verloren gehen durfte.

 

Chruschtschows Ultimatum

So entschloss sich Chruschtschow 1958 zu einer Offensive in der Berlin-Frage: Am 27. November stellte er den drei westlichen Alliierten ein auf sechs Monate begrenztes, bereits am 10. November bei einer Rede im Moskauer Sportpalast angedrohtes Ultimatum: Sie sollten West-Berlin und damit den Viermächtestatus preisgeben und Berlin solle zu einer Freien Stadt gemacht werden. Andernfalls werde Moskau einen einseitigen Friedensvertrag mit der DDR schließen und ihr sämtliche sowjetischen Rechte an und in Berlin einschließlich der Kontrolle der Zugangswege übergeben. Gewiss versprach sich Ulbricht von diesem Modell, eine Freie Stadt Berlin mitten in der DDR werde rasch unter sowjetischen Einfluss geraten und damit auch das Fluchtproblem gelöst werden.

Die Westmächte reagierten auf das erpresserische Ultimatum mit dem Vorschlag einer Viermächte-Außenministerkonferenz in Genf im Sommer 1959, also nach Ablauf des Ultimatums. Deutsche aus West und Ost sollten als „Berater“ dabei sein, was eine Aufwertung der DDR und damit einen Punktgewinn für die Sowjets bedeutete. Noch vor Beginn der Konferenz am 11. Mai 1959 wiederholte Chruschtschow bei einer Rede in Leipzig seine Drohung eines separaten Friedensvertrages mit der DDR und lehnte es ab, in der Frage der deutschen Wiedervereinigung eine „Grundfrage“ zu sehen. Da damit die Hoffnung, sich in Genf über ein Wiedervereinigungsmodell für Deutschland verständigen zu können, nahezu zerstoben war, beschlossen die Außenminister, sich auf das Berlin-Problem zu konzentrieren. Aber auch hier kam man keinen Schritt weiter, und so wurde die Konferenz am 5. August 1959 ohne Ergebnis in der Deutschland- und Berlinfrage beendet.

Immerhin war mit der Genfer Konferenz Chruschtschows Ultimatum vom Tisch. Offenbar kam es ihm eher darauf an, den Status quo in und um Berlin zu sichern, nachdem Stalins „großer Bluff“ (Wolfrum, 2009, S. 30) einer Neutralisierung Deutschlands mit seinen Noten von 1952 gescheitert und die Integration der Bundesrepublik in das westliche Bündnis nicht zu verhindern gewesen war. Zweifellos entsprach dieses Bemühen um Konsolidierung des Erreichten den Interessen der westlichen Alliierten und auch denen des Bundeskanzlers. Dieser hatte seine deutschlandpolitische Position mehrfach gegenüber den westlichen Verbündeten erläutert: Bemühen um Wiedervereinigung „Ja“, aber nicht um den Preis von Frieden und Freiheit, also nicht mit dem Risiko einer kriegerischen Auseinandersetzung und auch nicht mit der Gefahr, dem kommunistischen Einfluss anheim zu fallen. In diesem Sinne war ihm, was ihm seine politischen Gegner zu Unrecht oft vorgehalten haben, die in der Westintegration liegende Freiheit tatsächlich ‚wichtiger’ als die Wiedervereinigung; sie war ihm unerlässliche Vorbedingung der Einheit. Im Vorrang der Freiheit vor der Einheit waren sich alle demokratischen Parteien in der Bundesrepublik einig. Adenauer setzte auf die mittel- bzw. langfristige ‚Magnetwirkung’ der Überlegenheit des bundesrepublikanischen Systems gegenüber dem sowjetgesteuerten DDR-Modell: Sie werde schließlich zur Flucht der Menschen aus der Diktatur oder zum Aufstand gegen sie führen, was zugleich das Ende des SED-Regimes bedeuten werde. Bis dahin müsse der Viermächtestatus für Berlin aufrechterhalten werden.

 

Der Befehl zum Bau der Mauer​​​​

Nachdem die Genfer Konferenz und kurz darauf, im September 1959, ein Treffen zwischen Eisenhower und Chruschtschow in Camp David ohne Ergebnis geblieben waren, auch ein für Mai 1960 in Paris angesetzter, vornehmlich zum Weiterkommen in der Berlin-Frage gedachter Viermächtegipfel schon vor dem offiziellen Beginn gescheitert war und als schließlich im Juni 1961 Chruschtschow bei einem Treffen mit dem neuen amerikanischen Präsidenten John F. Kennedy in Wien sich überzeugen musste, dass dieser entschlossen war, die Interessen des Westens – auch in Berlin – zu verteidigen, erklärte sich der Kreml-Chef mit dem Bau der Mauer in Berlin einverstanden. Ja, er gab – nach eigenen Worten – letztlich selbst den Befehl dazu. Er konnte sicher sein, dass die Amerikaner nicht eingreifen würden, weil ihre drei „Essentials“ bezüglich Berlin, die Kennedy in einer Fernsehansprache am 25. Juli 1961 noch einmal akzentuiert hatte, durch den Mauerbau nicht infrage gestellt werden würden: Truppenpräsenz der drei Westmächte in Berlin, freier Zugang nach Berlin, Freiheit, Sicherheit und Lebensfähigkeit des Westteils Berlins. Außerdem hatte Kennedy durch seinen Beauftragten John Mc Cloy, den ehemaligen Hohen Kommissar der Vereinigten Staaten in der Bundesrepublik, signalisieren lassen, auf diesen Positionen werde man tatsächlich beharren, aber einseitigen Maßnahmen der Sowjets in ihrem Sektor keinen Widerstand entgegensetzen. Die durch Chruschtschows Ultimatum ausgelöste zweite Berlin-Krise machte klar, dass keine der beteiligten Kräfte bereit war, um der Berlin-Frage willen eine militärische Auseinandersetzung, möglicherweise einen Atomkrieg, zu riskieren.

So wurde in der Nacht zum 13. August 1961, einem Sonntag, unter dem Decknamen „Operation Rose“ damit begonnen, die Grenzen zu den Westsektoren Berlins mit Stacheldraht, Pflastersteinen und Barrikaden aller Art abzuriegeln. Nationale Volksarmee und sowjetische Truppen sicherten die von Volks- und Grenzpolizei und von Kampfgruppenmitgliedern durchgeführte Aktion rund um West-Berlin ab. Wenige Tage später wurden die provisorischen Sperren durch eine Mauer aus Hohlblocksteinen ersetzt. Ulbrichts Behauptung bei einer internationalen Pressekonferenz am 15. Juni 1961 in Ost-Berlin, niemand habe die Absicht, eine Mauer zu errichten, erwies sich im Nachhinein als dreiste Lüge.

Der Mauerbau riss nicht nur von einer Stunde auf die andere Familien, Verwandte, Freunde und Bekannte auseinander. Er verschärfte auch den Repressions- und Unrechtscharakter der DDR, denn sie konnte nun die Überwachungsmaßnahmen nach Innen verstärken und gezielter und schärfer gegen oppositionelle Regungen vorgehen. West-Berlin war nun nicht mehr das für DDR-Bürger verführerische Schaufenster des demokratischen und kapitalistischen Westens. Insofern hat man nicht von ungefähr vom Mauerbau als von einer „zweiten Geburt“ der DDR gesprochen.

 

Optionen und Reaktionen der Westmächte

Der Senat von Berlin, der in einem Kommuniqué vom 13. August in der entstehenden Mauer die „Sperrwand eines Konzentrationslagers“ sah (zit. Hertle, 2009, S. 36) und insbesondere der Regierende Bürgermeister von Berlin, Willy Brandt, erwarteten von den westlichen Alliierten politische Reaktionen auf den Mauerbau, vor allem von den USA. Doch wie Chruschtschow und Ulbricht es erwartet hatten, blieb der Westen weitgehend tatenlos: Kennedy ließ verlauten, die Alternative wäre Krieg gewesen, möglicherweise ein Atomkrieg, der sich aber schon wegen des atomaren Patts der beiden Führungsmächte ausschloss. Brandt wusste das wohl auch. Die drei „Essentials“ der USA wurden nicht verletzt, die Sperrbefestigungen verliefen ausschließlich auf DDR-Gebiet, die seit Kriegsende schwelende, insbesondere nach dem Chruschtschow-Ultimatum dringend Maßnahmen erfordernde Berlin-Frage war vorerst einer Lösung zugeführt, das Ausbluten der DDR gestoppt, das Kriegsrisiko damit deutlich vermindert. Insofern war bei den westlichen Alliierten sogar eher Erleichterung als Interventionsdrang zu verspüren.

Der amerikanische Vizepräsident Lyndon B. Johnson kam am 19. August 1961 nach West-Berlin. Er richtete seine Ansprache sowohl an die Menschen in West- als auch an die in Ost-Berlin. Er sagte die Hilfe der USA bei der Verteidigung der Freiheit zu. Entspannung zwischen Ost und West, Erhalten und Stabilisieren des Status quo und Verhindern eines möglicherweise atomaren Krieges um Berlin und das geteilte Deutschland waren in Übereinstimmung mit der Sowjetunion die primären Optionen der Vereinigten Staaten. Immerhin setzten diese einige Zeichen: Sie übergaben Protestnoten in Moskau, Kennedy schickte Vizepräsident Lyndon B. Johnson nach Berlin, ernannte General Lucius D. Clay, der die Luftbrücke organisiert hatte, zum Sonderbeauftragten in Berlin, und er verstärkte die Truppenpräsenz in der Stadt – alles eher „ symbolische Gesten“. Im Juni 1963 kam Kennedy selbst und eroberte die Herzen der Berliner mit der Versicherung: „Ich bin ein Berliner!“

 

Erwartungen, Verhalten und Optionen des Bundeskanzlers

Bundeskanzler Konrad Adenauer wurde für sein anfängliches Fernbleiben von Berlin vom politischen Gegner und von den Medien z. T. scharf kritisiert; er reiste erst am 22. August dorthin, drei Tage später als der amerikanische Vizepräsident. Das ist natürlich nicht nur damit zu erklären, dass er, wie fast alle Welt, vom Bau der Mauer überrascht wurde. In seiner ersten Fernsehansprache nach dem Mauerbau am 19.8.1961 führte er glaubwürdig und einleuchtend aus, es sei nicht auszuschließen gewesen, dass der Sturm der Entrüstung in Ost- und West-Berlin zu einer Revolte hätte führen und auf die gesamte DDR hätte übergreifen können – ein Risiko, das durch die spontane Anwesenheit des Bundeskanzlers in Berlin hätte verschärft werden, auch zu einer Intervention der Westmächte hätte führen und militärische Auseinandersetzungen hätte zur Folge haben können, bei der womöglich Deutsche auf Deutsche hätten schießen müssen. Ein Blutbad, ja sogar eine atomare Auseinandersetzung seien bei unbedachtem Handeln denkbar gewesen. Außerdem habe er die Verwicklungen um Berlin, ein außerordentlich diffiziles und brisantes Thema, aus dem Wahlkampf für die am 17. September anstehende Bundestagswahl heraushalten wollen, wie er auf einer Pressekonferenz am 22. August erklärte. Adenauer hätte auch nicht ohne Zustimmung und Hilfe der Westmächte nach Berlin reisen können. In besagter Fernsehansprache hielt er Moskau und der SED den Bruch von Vereinbarungen und Abkommen und die Verletzung des Viermächtestatus vor. Er sprach von einem „niederträchtigen und brutalen Akt gegen unsere Brüder und Schwestern in der Zone“, von einem Angriff auf die Freiheit schlechthin; vor allem sei der Mauerbau eine „Bankrotterklärung“ der SED. Offenbar stießen Adenauers Argumente, stieß sein Zögern, zeitig nach Berlin zu reisen, beim Wahlvolk auf wenig Verständnis: Bei der Bundestagswahl verloren CDU/CSU ihre absolute Mehrheit und fast 5 Prozent der Stimmen, wohingegen die SPD mit ihrem Spitzenkandidaten Willy Brandt einen nennenswerten Stimmenzuwachs erzielte.

Der Bundeskanzler sah die Annäherungsversuche der beiden Großmächte, das wechselseitige Bemühen um Stabilisierung des Status quo, um Deeskalation und Entspannung, das übrigens seitens der USA nicht erst mit Kennedy, sondern schon am Ende der Eisenhower-Ära begonnen hatte, mit einer gewissen Besorgnis, weil er darin eine nachlassende Bereitschaft zu erkennen glaubte, sich für West-Berlin, die Bundesrepublik und die deutsche Wiedervereinigung mit allem Nachdruck einzusetzen. Aber letztlich war auch Adenauer nach dem 13. August um Deeskalation bemüht – und dies nicht nur, weil bei der starken deutschen Abhängigkeit von der Führungsmacht USA kaum eine andere Wahl geblieben wäre, als deren Kurs zu folgen. Auch Adenauer war klar, dass keine der Großmächte wegen Berlin einen Krieg riskieren werde. Aber er beharrte angesichts der offensichtlichen Annäherung zwischen den USA und der Sowjetunion und des merklichen Desinteresses der Briten – nur bei de Gaulle war er sich der Solidarität und der Bündnistreue wirklich gewiss – auf der Mitverantwortung der Westmächte für die Wiedervereinigung und auf dem Offenhalten der Frage der polnischen Westgrenze bis zu Friedensvertragsverhandlungen. Beim ersten Zusammentreffen Adenauers mit dem neuen Präsidenten Kennedy im April 1961 war das Versprechen erneuert worden, „die Freiheit der Bevölkerung von West-Berlin zu erhalten, bis Deutschland in Frieden und Freiheit wieder vereinigt“ sei. Dass die Westmächte die Grundlagen ihrer Deutschland- und Berlinpolitik aus den 1950er Jahren letztlich nicht aufgaben, sondern die Deutsche Frage offen hielten, war nicht zuletzt Adenauers hartnäckigem Festhalten am Status quo in Berlin zu verdanken.

 

Perfektionierung der Grenzsicherung und Schießbefehl

Die organisatorische Durchführung des Mauerbaus lag in den Händen von SED-Politbüro-Mitglied Erich Honecker, im Zentralkomitee der SED zuständig für Sicherheitsfragen. Im Laufe der Jahre wurden die Sperrmaßnahmen intensiviert und perfektioniert, Ende der 1960er Jahre bestand schließlich ein nahezu unüberwindliches Grenzüberwachungssystem. Häuser und ganze Häuserzeilen in Mauernähe waren abgerissen worden, um freie Sicht und freies Schussfeld zu haben. In ihrer letzten Ausbaustufe hatten die Sperranlagen um Berlin von der Ost- zur Westseite folgenden Aufbau: Zunächst eine Hinterlandmauer oder ein entsprechender Zaun. Etwa zwei Meter danach ein ca. zwei Meter hoher „Kontakt-Signalzaun“ mit elektrisch geladenen Signaldrähten, die bei Berührung optische oder akustische Signale ausschickten. Parallel zu diesem Alarmzaun eine Hundelaufanlage, zumindest an unübersichtlichen Stellen, dann ein ca. 15 bis 150 Meter breiter „Todesstreifen“ mit Beobachtungstürmen, Erdbunkern für die Grenzsoldaten, einem „Kolonnenweg“ für die Streifenfahrzeuge, nebenher laufend ein Kabelschacht für das Grenzmeldenetz und einer Lichttrasse. Danach ein Kfz-Sperrgraben und schließlich die 3.50 bis 4.00 Meter hohe und 10 cm dicke Mauer mit einer Rohrauflage. Splitterminen und Selbstschussanlagen wie sonst an der Zonengrenze wurden an der Mauer nicht verlegt.

Der dem Mauerbau zugrunde liegende Ministerratsbeschluss vom 12. August 1961 sprach von der „Wühltätigkeit“ und der „feindlichen Tätigkeit der revanchistischen und militaristischen Kräfte Westdeutschlands und Westberlins“, die es durch die Grenzsicherungsmaßnahmen zu unterbinden gelte; später wurde der Begriff „antifaschistischer Schutzwall“ zur gängigen Sprachregelung in der DDR. Doch wusste jeder genau, dass es um das Verhindern des Exodus aus der DDR, um deren bloße Existenzsicherung ging. Fluchtversuche waren lebensgefährlich. Es gab zwar offenbar keinen eigentlichen Schießbefehl im Sinne einer Verpflichtung zum Todesschuss, aber etliche Aufforderungen bzw. Anweisungen, die von „töten“ oder „vernichten“ im Zusammenhang mit so genannten Grenzverletzern sprachen, so dass dies einem Schießbefehl gleichkam. Dafür nur zwei Beispiele: DDR-Verteidigungsminister Heinz Hoffmann äußerte im August 1964: „Wer unsere Grenze nicht respektiert, der bekommt die Kugel zu spüren“ (zit. nach Hertle, 2009, S. 100). Und Erich Honecker führte bei einer Sitzung des Nationalen Verteidigungsrats im Mai 1974 aus: „Nach wie vor muß bei Grenzdurchbruchsversuchen von der Schusswaffe rücksichtslos Gebrauch gemacht werden“; erfolgreiche Schützen seien zu belobigen. Erst am 3. April 1989 gab Honecker die Weisung aus, bei Grenzdurchbruchsversuchen nicht mehr von der Schusswaffe Gebrauch zu machen; die DDR fürchtete nach dem tödlich gescheiterten Fluchtversuch von Chris Gueffroy, dem letzten Maueropfer, die internationale Isolierung.

 

Flucht, Fluchtversuche und Todesfälle an der Mauer

Allein im Jahr 1961 waren bis zum 13. August ca. 155.000 Menschen aus der DDR über Berlin in den Westen gelangt. Danach waren es im selben Jahr immer noch 52.000, weil die Mauer in den Tagen und Wochen nach dem 13. August noch nicht völlig undurchlässig war. Das erste durch Schüsse tödlich getroffene Maueropfer war Günter Litfin am 24. August 1961.

Drei Grenzsoldaten schossen am 17. August 1962, ein Jahr nach dem Mauerbau, ohne Vorwarnung auf Peter Fechter, als er über die Mauer klettern wollte. Er lag fast eine Stunde im Grenzstreifen und rief um Hilfe. Nachdem ihn schließlich Grenzsoldaten der DDR aus dem Todesstreifen geholt hatten, verblutete er. Der Tod Fechters schockierte die Weltöffentlichkeit und ging als Beispiel für die Unmenschlichkeit des DDR-Grenzregimes in die Geschichte ein.

Nach den Erkenntnissen der Forschung forderte die Mauer in Berlin zwischen 1961 und 1989 insgesamt mindestens 140 Todesopfer. 101 wurden bei Fluchtversuchen erschossen, verunglückten oder nahmen sich das Leben. 31 wurden ohne Fluchtabsichten erschossen oder verunglückten an der Berliner Mauer. Es gab auch acht im Dienst getötete DDR-Grenzsoldaten. An der innerdeutschen Grenze kamen zwischen 1949 und 1989 327 Menschen zu Tode. Nach wie vor unbekannt ist die Zahl derjenigen, die bei einem Fluchtversuch über die Ostsee oder an den Grenzen anderer Staaten des Ostblocks ums Leben kamen.

Trotz der hermetischen Abriegelung der Grenzen gelang zwischen 1961 und 1989 mehreren tausend Menschen die Flucht. Die Fluchtmittel und –wege waren vielfältig: der Kofferraum des Autos, der Heißluftballon, das Schlauchboot auf der Ostsee, die Kanalisation oder der Tunnelbau. Einzelne Fluchthelfer oder Fluchthelfergruppen halfen bei Planung und Durchführung. Sofern es sich um kommerzielle Fluchthelfer handelte, zahlten Flüchtlinge dafür zwischen 2.000 und 5.000 DM pro Person. Weitaus mehr Fluchtversuche misslangen jedoch und führten für die Betroffenen zu meist mehrjährigen Haftstrafen. Seit 1963 gelang es der Bundesregierung, insgesamt über 31.000 dieser politischen Häftlinge aus den Gefängnissen der DDR freizukaufen.

 

Friedliche Revolution und Mauerfall

Im Zuge der Reformpolitik Michail Gorbatschows wuchs auch in den Satellitenstaaten der Sowjetunion der Druck auf die Regime. In der DDR war es vor allem der Nachweis massiven Betrugs bei Durchführung und Auswertung der Kommunalwahlen vom 7. Mai 1989 durch eine erstarkte Bürgerbewegung, der den Anfang vom Ende der DDR einläutete. Da die Staatsführung die Forderungen aus dem Volk nach Reformen, insbesondere nach Reisefreiheit, ignorierte und sanktionierte, wuchs die Zahl der Ausreiseanträge und „Republikfluchten“. In den deutschen Botschaften in Warschau, Budapest und Prag fanden Tausende Ausreisewillige wochenlang Zuflucht, bevor sie über die seit dem 10. September 1989 offene ungarische Grenze nach Österreich oder, wie die Prager Botschaftsflüchtlinge, mit Honeckers unausweichlich gewordener Zustimmung Ende September per Bahn in die Bundesrepublik ausreisen konnten.

Bald darauf, am 7. Oktober, feierte die DDR ihr 40-jähriges Staatsjubiläum. Gorbatschow nahm nach langem Zögern teil und warnte Honecker mit den Worten: „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben“. Hunderttausende gingen in den folgenden Tagen und Wochen in Berlin, Leipzig und in anderen Städten unter der Parole „Wir sind das Volk!“ auf die Straße. Im Dezember 1989 schlug dieser Ruf um in die Wiedervereinigungsforderung „Wir sind ein Volk!“

Da war die Mauer bereits gefallen. Am Abend des 9. November hatte der Berliner SED-Bezirkschef Günther Schabowski eine neue Reisegesetzregelung angekündigt, die Westreisen von DDR-Bürgern ohne Vorliegen von Voraussetzungen möglich machen sollte. Auf die Nachfrage eines Journalisten hatte er irrtümlich angegeben, dies gelte „sofort, unverzüglich“. Daraufhin machten sich in der Nacht zigtausende Ost-Berliner und auch zahlreiche West-Berliner auf den Weg zu den Grenzübergangsstellen, die von den konsternierten und ohne Weisung bleibenden Grenzsoldaten gegen 23.30 Uhr geöffnet wurden. Nach 28 Jahren war die Mauer gefallen. Im Deutschen Bundestag stimmten die Abgeordneten das Deutschlandlied an. Die Friedliche Revolution in der DDR mündete nach Mauerfall und freien Volkskammerwahlen am 3. Oktober 1990 in die deutsche Einheit.

 

Quellen:

Judt, Matthias (Hrsg.): DDR-Geschichte in Dokumenten. Beschlüsse, Berichte, interne Materialien und Alltagszeugnisse (Bundeszentrale für politische Bildung: Schriftenreihe, Bd. 350). Bonn 1998.

Archiv für Christlich-Demokratische Politik (ACDP): Bestände Kurt Birrenbach (01-433), Johann Baptist Gradl (01-294), Heinrich Krone (01- 028), Horst Osterheld (01-724).

 

Literatur:

  • Conze, Eckart: Die Suche nach Sicherheit. Eine Geschichte der Bundesrepublik Deutschland von 1949 bis in die Gegenwart. München 2009.
  • Görtemaker, Manfred: Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Von der Gründung bis zur Gegenwart. München 1999.
  • Harrison, Hope M.: Ulbrichts Mauer. Wie die SED Moskaus Widerstand gegen den Mauerbau brach. Aus dem Amerikanischen von Klaus-Dieter Schmidt. Berlin 2011 (Originalausgabe Princeton 2003).
  • Hertle, Hans-Hermann/ Nooke, Maria (Hrsg.): Die Todesopfer an der Berliner Mauer 19611989. Ein biografisches Handbuch. Berlin 2009.
  • Die Mauer. Eine Grenze durch Deutschland. Eine Ausstellung zur Zeitgeschichte von: Bundesstiftung Aufarbeitung/Bild/Die Welt. Berlin 2011.
  • Ritter, Jürgen/Peter Joachim Lapp: Die Grenze. Ein deutsches Bauwerk. 7. aktualisierte u. erweiterte Aufl. Berlin 2009.
  • Schröder, Klaus/ Staadt, Jochen (Hrsg.): Die Todesopfer des DDR-Grenzregimes an der innerdeutschen Grenze 19491989. Ein biografisches Handbuch. Frankfurt am Main 2018.
  • Steininger, Rolf: Der Mauerbau. Die Westmächte und Adenauer in der Berlinkrise 19581963. München 2001.
  • Steininger, Rolf: Deutsche Geschichte. Darstellung und Dokumente in vier Bänden. Bd. 3: 19551974. Frankfurt a. M. 2002.
  • Taylor, Frederick: Die Mauer. 13. August 1961 bis 9. November 1989. Aus dem Englischen von Klaus-Dieter Schmidt. München 2009 (Originalausgabe London 2006).
  • Wolfrum, Edgar: Die Mauer. Geschichte einer Teilung. München 2009.

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