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Hans-Christoph Seebohm, Portrait. (Quelle: Peter Bouserath/KAS-ACDP) Hans-Christoph Seebohm, Portrait. (Quelle: Peter Bouserath/KAS-ACDP) © (Quelle: Peter Bouserath/KAS-ACDP)

Hans-Christoph Seebohm

Bergbauingenieur, Bundesminister Dr. Ing. 4. August 1903 Emanuelssegen/Oberschlesien 17. September 1967 Bonn
von Andreas Grau
Der heute fast vergessene Hans-Christoph Seebohm zählt in der Gründungsphase der Bundesrepublik Deutschland zu den profiliertesten Politikern. Als Bundesverkehrsminister in sieben Kabinetten ist Seebohm bis heute der Bundesminister mit der längsten ununterbrochenen Amtszeit.

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Herkunft und Ausbildung

Hans-Christoph Seebohm wurde am 4. August 1903 in Emmanuelssegen/Kreis Pleß in Oberschlesien geboren. Er wuchs jedoch im Sudetenland auf, wo seine Vorfahren seit Jahrzehnten im böhmischen Bergbau tätig waren. Sein Vater, Kurt Seebohm, war dort Bergwerksdirektor. Da es in seiner Heimat keine weiterführende Schule gab, besuchte Seebohm von 1915 bis 1921 das Gymnasium in Dresden. Nach dem Abitur begann er in Freiburg i.Br. ein Studium der Bergbau- und Ingenieurswissenschaften. In Freiburg schloss er sich 1923 dem schlagenden Corps Hasso-Borussia an. Außerdem begeisterte ihn die Paneuropaidee des Grafen Coudenhove-Kalergi. Nach einigen Semestern in München beendete Seebohm sein Studium 1928 in Berlin mit dem Diplom als Bergbauingenieur. Das folgende Bergreferendariat absolvierte er in Halle/Saale und legte 1931 das Examen als Bergassessor ab. 1933 promovierte er in Berlin. Im gleichen Jahr heiratete er Elisabeth Triebel. Aus der Ehe gingen zwei Kinder hervor.

 

In der Wirtschaft

Während der Zeit des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkriegs war Seebohm in leitender Funktion im Kohle- und Erzbergbau tätig. So u.a. von 1933-1938 als stellvertretender Bergwerksdirektor in Oberschlesien und ab 1940 als Geschäftsführer der Deilmann Bergbau GmbH in Dortmund. Bei Kriegsende ließ er sich in Braunschweig nieder. Seine Eltern wurden 1945 aus dem Sudetenland vertrieben und enteignet. Seebohm blieb bis 1949 als Geschäftsführer bei Deilmann. Außerdem übernahm er 1946 den Vorsitz der Wirtschaftsvereinigung Erdölgewinnung in Hannover und wurde 1947 zum Präsidenten der IHK Braunschweig gewählt. Dieses Amt übte er bis 1963 aus.

Für spätere Behauptungen aus dem sowjetischen Herrschaftsbereich, er habe sich an jüdischem oder tschechoslowakischem Besitz bereichert, fehlt jeder Beleg.

 

Wechsel in die Politik

Zum Jahreswechsel 1945/46 schloss sich Seebohm der im Entstehen begriffenen Niedersächsischen Landespartei (NLP) mit ihrem Vorsitzenden Heinrich Hellwege an. In der christlich-konservativen, betont nationalen, stark föderalistischen und antisozialistischen Partei machte er rasch Karriere: Bereits im Mai 1946 wurde er zum stellvertretenden Parteivorsitzenden gewählt. Im November 1946 gehörte er für die NLP als Minister für Aufbau und Arbeit der von der Militärregierung ernannten Allparteienregierung des Ministerpräsidenten Hinrich Wilhelm Kopf an. Außerdem war er Abgeordneter der NLP im ernannten Niedersächsischen Landtag. Nach der ersten Landtagswahl im April 1947 blieb er bis 1951 Abgeordneter für die inzwischen in Deutsche Partei (DP) umbenannte NLP. Der niedersächsischen Landesregierung gehörte er weiterhin als Minister für Arbeit, Aufbau und Gesundheit an. Mit dem Bruch der Allparteienregierung Kopf im Juni 1948 schied Seebohm aus dem Kabinett aus. Kurze Zeit später wurde er vom Niedersächsischen Landtag für die DP in den Parlamentarischen Rat nach Bonn entsandt.

 

Im Parlamentarischen Rat

Bei den Verhandlungen über das Grundgesetz führte Seebohm die zweiköpfige DP-Fraktion und arbeitete im Hauptausschuss, im Finanzausschuss und im Ältestenrat mit. Der eifrige Antragsteller setzte sich für einen Gottesbezug in der Präambel des Grundgesetzes sowie für einen föderalen Aufbau des neuen Staates ein. Auf seine Initiative hin entschied sich der Parlamentarische Rat für die schwarz-rot-goldene Bundesflagge. Die von ihm vorgeschlagene Beibehaltung des Titels „Deutsches Reich“ wurde aber ebenso abgelehnt wie die Forderung der DP nach der Verankerung des Eltern- und des Heimatrechts in der Verfassung. Insbesondere weil sie die föderalen Interessen nur unzureichend verwirklicht sah, stimmte die DP-Fraktion am 8. Mai 1949 gegen das Grundgesetz.

 

Der ewige Verkehrsminister

Bei der ersten Bundestagswahl im August 1949 zog Hans-Christoph Seebohm für die niedersächsische DP in den Deutschen Bundestag ein. Nachdem sich CDU/CSU, FDP und DP auf die Bildung einer Regierungskoalition unter Führung von Bundeskanzler Konrad Adenauer verständigt hatten, traten Hellwege und Seebohm als Bundesminister ins Kabinett ein: Hellwege übernahm das Bundesministerium für Angelegenheiten des Bundesrates und Seebohm das Bundesministerium für Verkehr. Als Bundesminister stand Seebohm vor gewaltigen Aufgaben: Er musste nicht nur sein eigenes Ministerium aufbauen, sondern sich vor allem darum bemühen, die immensen Kriegsschäden in der Infrastruktur zu beseitigen. Durch unermüdlichen Fleiß und mit Hilfe seiner schnellen Auffassungsgabe und seines Organisationstalentes gelang es ihm rasch, sich das nötige Fachwissen anzueignen sowie die gesetzlichen Grundlagen für das Verkehrswesen auf den Weg zu bringen. Bis zum Ende der 1. Wahlperiode waren u.a. das Bundesbahn-, das Eisenbahn-, das Güterkraftverkehrs-, das Personenbeförderungs- und das Binnenschiffsverkehrsgesetz verabschiedet worden. 1951 wurde das Kraftfahrt-Bundesamt gegründet. Obwohl Seebohm sein Ministerium im Griff hatte und als kompetenter Fachminister galt, zögerte Adenauer nach der Bundestagswahl 1953, ihn erneut ins Kabinett zu holen. Grund dafür waren seine umstrittenen Reden, zu denen sich Seebohm als Parteipolitiker und Vertriebenenfunktionär häufig hinreißen ließ und die im In- und Ausland für Aufsehen sorgten (s.u.). Weil jedoch der DP-Vorsitzende Hellwege an Seebohm festhielt und dieser in einem Briefwechsel mit Adenauer versicherte, außerhalb von Niedersachsen künftig auf politische Reden verzichten zu wollen, übertrug ihm der Bundeskanzler erneut das Bundesverkehrsministeriums.

Neben dem Ausbau der Fernstraßen und dem Aufbau eines flächendeckenden Autobahnnetzes kümmerte sich Seebohm ebenfalls um die übrigen Verkehrszweige (Luftverkehr, Seeschifffahrt, Binnenschifffahrt und Eisenbahn), von deren Gleichberechtigung er überzeugt war. So sorgte er in seiner Amtszeit für die weitgehende Elektrifizierung der Bundesbahnstrecken und den Wiederaufbau der durch den Zweiten Weltkrieg völlig zerstörten deutschen Handelsflotte. Außerdem bemühte er sich um den Ausbau der Binnenwasserstraßen u.a. durch die Kanalisierung von Mosel, Weser und Main. Sein besonderes Interesse galt jedoch dem Wiederaufbau der Lufthansa, was ihm den Spitznamen „Luftbohm“ eintrug. Nachdem die Bundesrepublik 1955 ihre Lufthoheit zurückerhalten hatte, konnte die Deutsche Lufthansa bereits am 1. April 1955 wieder den Betrieb aufnehmen. Noch im gleichen Jahr wurde auch das Luftfahrt-Bundesamt in Braunschweig gegründet. In den folgenden Jahren musste nicht nur das Streckennetz der Lufthansa stetig ausgebaut, sondern auch die deutschen Flughäfen an das steigende Verkehrsaufkommen angepasst werden. Schon früh hatte Seebohm die Notwendigkeit einer europäischen Zusammenarbeit im Verkehrsbereich erkannt. Daher gehörte er 1953 zu den Mitbegründern der europäischen Verkehrsministerkonferenz. Die von dieser entwickelte gemeinsame europäische Verkehrsordnung hat er entscheidend mitgeprägt.

Von den im Bundesverkehrsministerium geplanten Verkehrsprojekten wollte sich Seebohm auch stets vor Ort ein Bild machen. Deshalb brach er jedes Jahr in den Sommerferien zu seinen berüchtigten Besichtigungsreisen auf und verblüffte dabei seine Umwelt mit Fach- und Detailwissen. Am Ende seiner Amtszeit 1966 hatte der rastlose Verkehrsminister über 1400 km Autobahn bauen lassen und dafür gesorgt, dass die Bundesregierung mehr Geld für den Ausbau der Verkehrswege ausgab, als jedes andere Land in Europa. Der Wiederaufbau des deutschen Verkehrswesens nach dem Krieg bleibt deshalb untrennbar mit dem Namen Hans-Christoph Seebohm verbunden.

 

Parteipolitiker und Vertriebenenfunktionär

Der vom Parteivorsitzenden Heinrich Hellwege geschätzte Seebohm gehörte in der DP zum national-konservativen Flügel. Intelligent und rednerisch begabt, amtierte er von 1946 bis 1956 als stellvertretender Vorsitzender der Partei. Allerdings ging dem Vielredner häufig das Temperament durch und er ließ sich zu bedenklichen Äußerungen hinreißen. So erklärte Seebohm auf dem DP-Parteitag 1951 in Kassel: „Wir neigen uns in Ehrfurcht vor jedem Symbol unseres Volkes, unter dem deutsche Menschen ihr Leben für ihr Vaterland geopfert haben.“ Durch solche Reden kam er in den Ruf, ein Nationalist oder gar ein Revanchist zu sein. In der DP hingegen fanden solche Äußerungen großen Anklang, weshalb er auf dem Bundesparteitag in Goslar 1952 mit einer Stimme Mehrheit sogar zum Vorsitzenden gewählt wurde – jedoch nahm er die Wahl nicht an.

Verstärkt wurde Seebohms nationalkonservatives Profil insbesondere durch seine führende Rolle in der Sudetendeutschen Landsmannschaft. Da er im Egerland aufgewachsen und seine Eltern von dort vertrieben worden waren, fühlte er sich der Landsmannschaft eng verbunden. Seit 1950 gehörte er deren Vorstand an und 1954 wurde er zum Präsidenten der Bundesversammlung der Sudetendeutschen Landsmannschaft gewählt. Als Vertriebenenfunktionär trat Seebohm nicht nur für das Recht der Vertriebenen auf Heimat und Selbstbestimmung ein, sondern bekannte sich auch zur Rechtmäßigkeit des Münchener Abkommens von 1938. Auf dem Sudetendeutschen Tag 1964 forderte er die Rückgabe des Sudetenlandes an die Sudetendeutschen – ohne jedoch die Grenzen zu verschieben. Für diese Aussage wurde er von Bundeskanzler Erhard gerügt. Andererseits sprach sich der leidenschaftliche Anwalt für die Belange der Vertriebenen auch stets für den Verzicht auf Gewalt und einen Ausgleich mit den osteuropäischen Staaten aus.

Ende der 1950er Jahre geriet Seebohm, der 1959 zum Sprecher der Sudetendeutschen Landsmannschaft gewählt wurde, immer mehr in Gegensatz zum DP-Vorsitzenden Hellwege. Eine politische Zukunft für die Ideen der DP, die um ihr Überleben kämpfte, hielt er nur noch bei einer Fusion mit der CDU für möglich. Am 1. Juli 1960 trat er mit neun anderen Bundestagsabgeordneten der DP schließlich aus der Partei aus und zur CDU über. Dem Bundeskanzler bot Seebohm seinen Rücktritt als Minister an. Als einem von wenigen ehemaligen DP-Mitgliedern gelang es ihm jedoch, seine Karriere auch nach dem Wechsel zur CDU fortzusetzen. So blieb Hans-Christoph Seebohm bis zur Bildung der Großen Koalition 1966 Bundesminister für Verkehr. Auch gehörte er bis zu seinem Tod weiterhin dem Deutschen Bundestag an. In der niedersächsischen CDU übernahm er 1964 den Vorsitz des Landesverbandes Hannover und galt als möglicher Spitzenkandidat für die Landtagswahl 1967. Auf dem Bundesparteitag der CDU im Mai 1967 wurde er sogar zum Bundesschatzmeister gewählt und rückte damit ins Präsidium der Partei auf.

 

Plötzlicher Tod

Nach dem Ausscheiden aus dem Bundesverkehrsministerium 1966 hatte der unermüdliche Seebohm nicht die Absicht, sich aus der Politik zurückzuziehen. Sein Tod am 17. September 1967 kam daher völlig überraschend. Wegen einer Gallenoperation hatte er sich in ein Bonner Krankenhaus begeben, wo er an der Folgen der Operation verstarb. Da Hans-Christoph Seebohm ein Staatsbegräbnis ausdrücklich abgelehnt hatte, wurde er in aller Stille in der Familiengruft in Bad Pyrmont beigesetzt. Zahlreiche Politiker aus Bund und Land erwiesen ihm dabei die letzte Ehre. In seinem Beileidstelegramm schrieb Bundespräsident Heinrich Lübke, das Werk des Verstorbenen als Bundesminister für Verkehr werde ihm eine bleibende Anerkennung sichern.

 

Lebenslauf

  • 4. August 1903 geboren in Emmanuelssegen/Kreis Pleß, ev.
  • 1915-1921 Gymnasium in Dresden
  • 1921 Abitur
  • 1921-1928 Studium der Bergbau- und Ingenieurswissenschaften in Freiburg, München und Berlin
  • 1928 Examen als Diplom Bergbauingenieur in Berlin
  • 1928-1931 Bergreferendar in Halle/Saale
  • 1931 Examen als Bergassessor
  • 1933 Promotion zum Dr.-Ing. in Berlin
  • 1933 Heirat mit Elisabeth Triebel, 2 Kinder
  • 1933-1945 in leitender Funktion im Erz- und Kohlebergbau
  • 1933-1938 stellvertr. Bergwerksdirektor in Oberschlesien
  • ab 1940 Geschäftsführer der Deilmann Bergbau GmbH in Dortmund
  • 1945-1949 Geschäftsführer der Erdölgesellschaft Deilmann in Dortmund
  • 1945 Mitglied der NLF/bzw. DP
  • 1946-1951 MdL Niedersachsen
  • 1946-1948 Minister für Arbeit, Aufbau und Gesundheit in Niedersachsen
  • 1947-1963 Präsident der IHK Braunschweig
  • 1946-1956 stellvertr. Vorsitzender der DP
  • 1948/49 Mitglied des Parlamentarischen Rates
  • 1949-1967 MdB
  • 1949-1966 Bundesminister für Verkehr
  • seit 1950 Vorstandsmitglied der Sudetendeutschen Landsmannschaft
  • 1954-1959 Präsident der Bundesversammlung der Sudetendeutschen Landsmannschaft
  • seit 1959 Sprecher der Sudetendeutschen Landsmannschaft
  • 1960 Austritt aus der DP und Übertritt in die CDU
  • 1964 Vorsitzender des LV Hannover
  • 1967 Bundesschatzmeister der CDU
  • 17.9.1967 gestorben in Bonn

 

Literatur

  • Andreas Predöhl (Hg.): Verkehr. Mit Ideen und Erfahrungen in die Zukunft. Festschrift zum 60. Geburtstag von Hans-Christoph Seebohm, Berlin 1963.
  • Heinz Mursch/Karl Simon (Hg.): Hans-Christoph Seebohm zum Gedenken, München 1967.
  • Joachim Detjen: Hans-Christoph Seebohm, in: Udo Kempf/Hans-Georg Merz (Hg.): Kanzler und Minister. Biografisches Lexikon der deutschen Bundesregierungen, Wiesbaden 2001, S. 654-659.
  • Michael F. Feldkamp: Hans-Christoph Seebohm, in: Rudolf Vierhaus/Ludolf Herbst (Hg.): Handbuch der Mitglieder des Deutschen Bundestages 1949-2002, München 2002.

 

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