„Am Anfang war Brandenburg.“ „Am Ende war nur noch Brandenburg.“ So lauten die ersten und letzten Sätze von Christopher Clarks Standardwerk über Preußen. Sie galten auch für Jörg Schönbohm.
Herkunft und Ausbildung
Jörg Schönbohm wurde am 2. September 1937 in Neu Golm, einem kleinen Ort in der Mark Brandenburg geboren und evangelisch getauft. Er wuchs in einem Elternhaus auf, das durch seine bürgerlich-leistungsorientierte Prägung sowohl ihn als auch seinen Bruder Wulf deutlich beeinflusst hat.
Seit seinem 7. Lebensjahr lebte seine Familie in Hessen, in Kassel legte Schönbohm 1957 sein Abitur ab. Gleich danach zog es ihn zur Bundeswehr. Er absolvierte die Offiziersausbildung, wurde recht schnell zum Leutnant der Artillerie befördert, um dann von 1968 bis 1970 zur Ausbildung zum Generalstabsoffizier an die Führungsakademie der Bundeswehr im Hamburg berufen zu werden.
Der General
Wo Jörg Schönbohm war, da fiel schon bald das Wort vom „General“. Seit 1970 wirkte er acht Jahre lang im Generalstab der Bundeswehr: Zunächst wurde er mit der Leitungsfunktion einer Panzergrenadier-Division in Oldenburg betraut. Die nächste Station war 1973 die eines Generalstabsoffiziers im Nato-Hauptquartier „Allied Forces Central Europe“ in Bassum/Niederlande und 1976 folgte die Kommandoübernahme eines Panzerartillerie-Bataillons in Lüneburg.
Mit der Berufung zum Referenten in der Personalabteilung im Bundesverteidigungsministerium 1978 unter der damaligen Leitung von Hans Apel und der Ernennung zum Referatsleiter im Führungsstab der Streitkräfte 1979 gewann die politische Dimension von Schönbohms steiler militärischer Karriere an Dynamik. Dieser Aspekt wurde noch wichtiger, als er nach dem Regierungswechsel 1982 zum Ende dieses Jahres Adjutant von Verteidigungsminister Manfred Wörner wurde. Im zeitlichen Zusammenhang mit der Kießling-Affäre verließ Schönbohm 1983 das Ministerium, um nach einer Zwischenstation in einer Panzerbrigade und einer Beförderung zum Brigade-General 1985 als stellvertretender Leiter des Planungsstabes im Verteidigungsministerium zurückzukehren. Nach der Berufung von Minister Manfred Wörner zum Nato-Generalsekretär und der Übernahme des Verteidigungsministeramtes durch Rupert Scholz 1988 ging Schönbohm kurzfristig als Kommandeur einer Panzerdivision nach Buxtehude. 1989 kehrte er als Chef des Planungsstabes im Range einen Generalleutnants wieder ins Verteidigungsministerium zurück.
Ein Höhepunkt seiner Lebensleistung als Militär bahnte sich im Zusammenhang mit der Wiedervereinigung an: Es gelang ihm maßgeblich unter seiner Mitwirkung als Befehlshaber des Bundeswehrkommandos Ost gleichzeitig die 90.000 Mann starke Volksarmee aufzulösen, 3.000 Offiziere dieser Armee in die Bundeswehr zu integrieren und ca. 340.000 Sowjetsoldaten auf dem Gebiet der ehemaligen DDR zurückzuführen. Große Wertschätzung erfuhr diese Leistung Schönbohms sogar vom politischen Gegner. In seinem Buch Zwei Armeen und ein Vaterland. Das Ende der Nationalen Volksarmee reflektierte Schönbohm die epochalen Ereignisse.
Der Staatssekretär
Im Februar 1992 wurde Schönbohm durch Minister Gerhard Stoltenberg zum beamteten Staatssekretär im Verteidigungsministerium ernannt. Nach Stoltenbergs Rücktritt im März 1992 wurde er ein enger Vertrauter des neuen Verteidigungsministers Volker Rühe. Er trug die Verantwortung für die besonders exponierten Bereiche Militärpolitik und Rüstungsbeschaffung, letztere mit erheblichen Budgetrisiken verbunden. So brachte ihm das Projekt „Jäger 90“ öffentliche Kritik ein. 1995 besuchte er die Volksrepublik China und legte den Grundstein für einvernehmliche Rüstungskooperationen.
Der Politiker (Berlin)
Bemerkenswert spät und erst im Alter von 57 Jahren trat Jörg Schönbohm 1994 in die CDU ein. Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung bezeichnete ihn am 30. April 2006 als den "Unpolitischen", so hatte er sich in seiner Autobiographie Wilde Schwermut selbst beschrieben. Gemeint war damit wohl seine geradezu „unpolitische“ Verwurzelung in seiner Geburtsheimat Brandenburg, wo er sich in den relativ späten Lebensjahren in Kleinmachnow unweit von Berlin ein Haus kaufte.
Der Regierende Bürgermeister von Berlin Eberhard Diepgen ernannte Schönbohm am 25. Januar 1996 zum Innensenator. Er erhielt aufgrund seiner Anstrengungen um eine größere innere Sicherheit und seiner teilweise restriktiven Ausländerpolitik schnell den Stempel eines konservativen Hardliners. Ihm wurde ferner die politische Verantwortung für einige Pannen der Berliner Polizei und des Landesverfassungsschutzes zugeschrieben und Teile der Medien befassten sich kritisch mit den Führungsfähigkeiten Schöhnbohms.
Der Politiker (Brandenburg)
Im Alter von 62 Jahren stellte sich Schönbohm einer der härtesten Herausforderungen, die für einen CDU-Landespolitiker denkbar ist: Er gab sein Amt als Innensenator im November 1998 auf und ging zurück in „seine“ Provinz Brandenburg, um mit der völlig darniederliegenden Landespartei einen neuen Aufbruch zu wagen. Dort entwickelte sich der „Preuße, der Tabus missachtet“ (Die Welt, 2. September 1999) schon bald zum politischen Hoffnungsträger. Der Landesparteitag wählte ihn am 16. Januar 1999 mit großer Mehrheit zum Vorsitzenden. Zwei Monate später wurde Schönbohm zum Spitzenkandidaten für die Landtagswahl gekürt. Im Märkischen bewährte sich seine konfrontative Art eindeutig besser als in Berlin. Er räumte auf, sprach Machtworte, moderierte und steuerte klar auf Erfolgskurs. Erstmals eröffnete sich eine Alternative zum Landesvater Manfred Stolpe und seinem „Brandenburger Weg“. Schönbohm katapultierte mit einem Zugewinn von 7,8 Prozentpunkten das Wahlergebnis für die CDU (insg. 26,5%) nach oben. Im Oktober wurde Schönbohm Innenminister und stellvertretender Ministerpräsident des Landes Brandenburg. Das Tandem Stolpe/Schönbohm betrieb – trotz aller Gegensätzlichkeiten – eine kooperative Politik für Brandenburg. Beide einte wohl das „preußische Gefühl“.
Eine gelungene Gebietsreform in dieser Zeit ging auf das Konto von Schönbohm. Politisch brisant war im März 2002 seine Ablehnung des rot-grünen Zuwanderungsgesetztes im Bundesrat. In der Sache erwies sich das Zuwanderungsgesetz tatsächlich als juristisch überarbeitungsbedürftig.
Im Jahr 2002 trat Stolpe als Ministerpräsident zurück und Matthias Platzeck wurde Schönbohms Partner. Den politischen Zenith erreichte die brandenburgische CDU, als sie 2003 die SPD bei der Kommunalwahl überholte. Umfragen ließen sogar die Wahl Schönbohms zum Ministerpräsidenten möglich erscheinen. Entsprechend klar folgten 2003 seine Wahl zum Parteichef und im März 2004 zum Spitzenkandidaten für die folgende Landtagswahl. Diese aber wurde eine Demütigung für die Landespartei, weil die PDS die CDU klar überholte. Damit begann die Erosion von Schöhnbohms Position. Als die CDU in Brandenburg bei der Bundestagswahl 2005 nur noch 20% der Stimmen gewinnen konnte, musste Schönbohm seinen Platz im Präsidium der Bundespartei räumen. Er kündigte daraufhin auch seinen Rückzug von der Landesparteispitze an. Sein Nachfolger wurde im Januar 2009 Ulrich Junghanns. Einen Monat später trat Schönbohm auch vom Amt des stellvertretenden Ministerpräsidenten zurück. Im Juli 2009 wählte ihn die CDU Brandenburg zu ihrem Ehrenvorsitzenden. Mit der Bildung einer rot-roten Landesregierung verlor Schönbohm im November 2009 auch das Amt als Innenminister von Brandenburg.
Der Konservative
Immer wieder plädierte Jörg Schönbohm in den Medien für einen klaren, konservativen Standpunkt, so auch 2011 in dem letzten Buch, an dem er beteiligt war Schluss mit dem Ausverkauf.
Als Reaktion auf den neunfachen Kindermord in seinem Bundesland schrieb er zusammen mit seiner Ehefrau am 27. Februar 2008 Zeilen, die nicht nur konservativen Gemütern zu Herzen gehen mussten: „Ehe ist kein Ausdruck von Spießigkeit. Wir sollten unsere Aufgabe darin sehen, die traditionellen Familien wieder zu stärken und zu stützen. Gleichzeitig gilt es, denen zu helfen, die ihre familiäre Aufgabe nicht angemessen wahrnehmen können. Die Familie als wichtigster Bezugspunkt unseres Lebens sollte uns immer bewusst bleiben und nicht als beliebig oder mit anderen Lebensformen vergleichbar in Frage gestellt werden – dies ist auch eine Aufgabe der Politik“.
Der Name Jörg Schönbohm stand für die Verbindung preußischer Tugenden mit einem aufgeklärten Konservatismus.
Am 7. Februar 2019 verstarb Jörg Schönbohm in seinem Haus in Kleinmachnow.
Lebenslauf
- 1957 Abitur und Eintritt in die Bundeswehr
- 1957–1959 Offiziersausbildung
- 1959–1964 Zugführer bei verschiedenen Artilleriebataillonen und Hörsaaloffizier an der Heeresoffiziersschule Hannover
- 1964–1968 Batteriechef im Feldartilleriebataillon 11 in Hannover
- 1968–1970 Generalstabsausbildung an der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg
- 1970–1973 Leiter der Generalstabsabteilung Personal und Innere Führung bei der 11. Panzergrenadierdivision in Oldenburg
- 1973–1976 Generalstabsoffizier beim NATO-Hauptquartier Alliierte Streitkräfte Europa-Mitte in Brunssum/Niederlande
- 1976–1978 Kommandeur des Panzerartilleriebataillons 85 in Lüneburg
- 1978–1979 Referent in der Personalabteilung des Bundesministeriums der Verteidigung
- 1979–1982 Referatsleiter im Führungsstab der Streitkräfte
- 1982–83 Adjutant von Bundesverteidigungsminister Manfred Wörner
- 1983–1985 Kommandeur der Panzerbrigade 21 in Augustdorf
- 1985–1988 stellvertretender Leiter des Planungsstabs im Bundesministerium der Verteidigung
- 1988–1989 Kommandeur der 3. Panzerdivision in Buxtehude
- 1989-1990 Leiter des Planungsstabs im Bundesministerium der Verteidigung
- 1990–91 Befehlshaber des Bundeswehrkommandos Ost in Strausberg
- 1991–1992 Inspekteur des Heeres
- 1992–1996 Staatssekretär im Bundesministerium der Verteidigung zuständig für Sicherheitspolitik, Rüstung und Bundeswehrplanung
- 1994 Eintritt in die CDU
- 1996–1998 Senator für Inneres in Berlin
- 1999–2007 Landesvorsitzender der CDU Brandenburg
- 1999–2009 MdL Brandenburg
- 1999–2009 Minister des Innern von Brandenburg
- 2000–2006 Mitglied des Präsidiums der CDU
- seit 2009 Ehrenvorsitzender der CDU Brandenburg
Ehrungen und Auszeichnungen
- Großes Bundesverdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland
- Verdienstorden des Landes Brandenburg
- Großkreuz des Ordens des Löwen zu Finnland
- Großkreuz der Ehrenlegion der Republik Frankreich
- Großkreuz des Königreichs Marokko
- Auszeichnung für die Landesverteidigung erster Klasse der Republik Ungarn
- Ehrung mit der Manfred-Wörner-Medaille
Veröffentlichungen
- zus. mit Arnulf Baring, Josef Kraus, Mechthild Löhr: Schluss mit dem Ausverkauf. Berlin 2011.
- Wilde Schwermut. Erinnerungen eines Unpolitischen. Berlin 2010.
- Politische Korrektheit. Das Schlagfeld der Tugendwächter. Leipzig 2010.
- Zwei Armeen und ein Vaterland. Das Ende der Nationalen Volksarmee. Berlin 1992.