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Manfred Kanther, Ausschnitt aus einem Wahlplakat Ende der 1990er-Jahre Manfred Kanther, Ausschnitt aus einem Wahlplakat Ende der 1990er-Jahre © KAS-ACDP (CC BY-SA 3.0 de)

Manfred Kanther

Jurist, Bundesminister 26. Mai 1939 Schweidnitz/Schlesien

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Aus der Heimat vertrieben – Ausbildung im Westen

Manfred Kanther wurde am 26. Mai 1939, wenige Monate vor der Besetzung Polens und dem Ausbruch des 2. Weltkriegs, im schlesischen Schweidnitz (Świdnica) geboren. Über seine Kindheit ist nur wenig bekannt. Nachdem die Familie aus ihrer schlesischen Heimat vertrieben worden war, ließ sie sich in Thüringen nieder, wo Kanther 1957 das Abitur ablegte.

Weil man ihm in der DDR das Recht zu studieren verweigerte, floh der junge Kanther noch im selben Jahr in die Bundesrepublik Deutschland und begann 1958 ein Jurastudium in Marburg. Er wechselte nach Bonn, bestand 1962 das erste juristische Staatsexamen und begann ein Referendariat im westfälischen Lüdenscheid. 1966 absolvierte Kanther das zweite Staatsexamen und erlangte die Anwaltszulassung.

 

Politische und berufliche Anfänge

Seine berufliche Laufbahn begann er 1967 als Stadtoberrechtsrat im nordrhein-westfälischen Plettenberg. 1970 holte ihn der Landesvorsitzende der hessischen CDU, Alfred Dregger, als Landesgeschäftsführer ins benachbarte Bundesland. 1974 wurde Kanther, der bereits 1958 der CDU beigetreten war, erstmals in den Hessischen Landtag gewählt und übernahm mehrere Ämter: Parlamentarischer Geschäftsführer seiner Fraktion, Mitglied im Ältestenrat und Haushaltsausschuss. 1980 folgte Kanther Christian Schwarz-Schilling im Amt des Generalsekretärs der hessischen CDU. Als er dieses Amt 1987 abgab, hatte er großen Respekt erlangt, denn seine Amtsführung zeichnete sich durch Beständigkeit und dem Streben nach Geschlossenheit innerhalb der Partei aus.

 

Finanzminister in Hessen

Nach der Landtagswahl im April 1987, die die CDU knapp vor der SPD gewann, ernannte Hessens neuer Ministerpräsident, Walter Wallmann, Kanther zum Finanzminister in der ersten schwarz-gelben Koalition in Hessen. Während seiner Amtszeit setzte sich Kanther dafür ein, Unternehmen im Landesbesitz zu privatisieren. So wurde die Hessische Landesbank Anfang 1989 zu einer vollständig privaten Bank umgeformt, nachdem das Land seinen Anteil an der Bank in Höhe von 50 Prozent vollständig abgegeben hatte. Außerdem bemühte sich Kanther darum, neue Landesschulden zu vermeiden.

Nach der Landtagswahl 1991 kam es in Hessen erneut zur Bildung einer rot-grünen Koalition und Kanther musste seinen Ministerposten nach nur einer Legislaturperiode wieder räumen. Die CDU-Fraktion im Hessischen Landtag wählte ihn zu ihrem Fraktionsvorsitzenden. Wenige Monate später wurde er auch Landesvorsitzender der CDU in Hessen und Vorsitzender der ständigen Konferenz der Fraktionsvorsitzenden von CDU und CSU im Deutschen Bundestag.

 

Bundesminister des Innern unter Helmut Kohl

Nach dem Rücktritt Rudolf Seiters als Bundesinnenminister am 4. Juli 1993 ernannte Bundeskanzler Helmut Kohl Kanther zu dessen Nachfolger. Kanther legte sein Mandat im Hessischen Landtag nieder, nachdem er am 12. Juli als neuer Bundesinnenminister vereidigt worden war. Die laufende Legislaturperiode führte Kanther souverän und ohne größere Komplikationen zu Ende. Reformen im öffentlichen Dienst machte er sich ebenso zur Aufgabe wie die Bekämpfung von Kriminalität und Terror. In diesem Zuge beschäftigte er sich auch mit der Aufklärung der Vorfälle in Bad Kleinen, bei denen Ende Juni der mutmaßliche RAF-Terrorist Wolfgang Grams und ein Beamter des Bundesgrenzschutzes ums Leben gekommen waren und die zum Rücktritt von Seiters geführt hatten.

Ebenfalls in Kanthers erste Amtszeit als Bundesinnenminister fielen die beiden Initiativen „Sicherheitspaket 94“ und „Offensive 2000“. Damit wurden die Befugnisse von Polizei und Geheimdiensten erweitert, um bessere Möglichkeiten in der Verbrechensbekämpfung zu garantieren. Die „Offensive 2000“ beinhaltete die Konzeption des „Großen Lauschangriffs“. In der Ausländer- und Asylpolitik, die ebenfalls zu seinem Aufgabenbereich gehörte, galt Kanther als Hardliner. So lehnte er die doppelte Staatsbürgerschaft stets entschieden ab.

Bei der Bundestagswahl 1994 gewann Kanther das Direktmandat in seinem hessischen Wahlkreis (Wahlkreis 137, Hanau) für die CDU und die schwarz-gelbe Koalition unter Helmut Kohl wurde knapp im Amt bestätigt. Am 17. November 1994 wurde Kanther erneut als Bundesminister des Innern vereidigt. Seine zweite Amtszeit war geprägt von umfangreichen Reformen in der Sicherheits- sowie der Ausländer- und Asylpolitik, unter anderem wurde eine Visumspflicht für Kinder unter 16 eingeführt. Erneute Debatten um die doppelte Staatsbürgerschaft, insbesondere für Kinder ehemaliger Gastarbeiter, wurden geführt und spalteten teilweise auch die CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag.

 

Spendenaffäre und Ausstieg aus der Politik

Nach Bekanntwerden der Spendenaffäre der Bundes-CDU im Jahre 1999 wurde im Spätjahr auch die Spendenaffäre der hessischen CDU aufgedeckt. Besonders Kanther als ehemaliger Generalsekretär der hessischen CDU und der ehemalige Landesschatzmeister Sayn-Wittgenstein gerieten unter heftige Kritik. Sie wurden beschuldigt, Gelder in Millionenhöhe auf „schwarzen Konten“ im Ausland deponiert zu haben. Im Januar 2000 gestanden Kanther, Sayn-Wittgenstein und die hessische CDU die Veruntreuungen und Kanther legte sein Bundestagsmandat nieder.

Am Landgericht Wiesbaden begann im August 2004 der Prozess gegen Manfred Kanther. Während des Prozesses beteuerte er, wie bereits in den Jahren zuvor, seine Unschuld und wiederholte, er habe sich an den Geldern nicht persönlich bereichert. Letzteres wurde vom Landgericht Wiesbaden als mildernder Umstand angeführt, nachdem Kanthers Anwälte nach dem ursprünglichen Verfahren Revision eingelegt hatten. Am 27. September 2007 fand der Prozess seinen Abschluss; Manfred Kanther wurde wegen Untreue zum Nachteil der hessischen CDU zu einer Geldstrafe von insgesamt 54.000 Euro verurteilt.

Nach seinem Ausstieg aus der Politik arbeitete Kanther als Rechtsanwalt in einer Kanzlei in Wiesbaden.

Lebenslauf

  • 1958–1962 Jurastudium in Marburg und Bonn
  • 1966 Assessorexamen
  • 1958 Eintritt in die CDU
  • 1967–1970 Stadtoberrechtsrat in Plettenberg
  • 1970–1987 Landesgeschäftsführer und 1980–1987 Generalsekretär der CDU Hessen
  • 1974–1993 Mitglied des Hessischen Landtags
  • 1974–1987 Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU-Fraktion im Hessischen Landtag
  • 1991–1993 Fraktionsvorsitzender
  • 1987–1991 Hessischer Finanzminister
  • 1991–1998 Vorsitzender des CDU-Landesverbands Hessen
  • 1992–1998 Mitglied des Präsidiums der CDU Deutschlands
  • 1993–1998 Bundesminister des Innern
  • 1994–2000 Mitglied des Deutschen Bundestags

Literatur

  • U. Kempf, in: Ders./H.-G. Merz (Hg.), Kanzler und Minister 1949–1998 (2001)

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