Herkunft, Ausbildung und beruflicher Werdegang
Am 25. Juni 1904 kam Matthias Hoogen als Sohn eines Holzkaufmanns in Straelen am Niederrhein, nur wenige Kilometer von der holländischen Grenze entfernt, zur Welt. „In dieser Niederrheingeographie ist nichts rebenbewachsen, nichts rheinische Komparserie, da ist alles breit, fest, gelassen, katholisch, nichts sprunghaft“, charakterisiert Walter Henkels in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (F.A.Z.) vom 12. Dezember 1964 die Herkunft Hoogens. Nach dem Besuch des Gymnasiums Thomaeum in Kempen studierte er Rechtswissenschaften in Freiburg sowie Berlin und legte 1928 und 1932 am Kammergericht in Berlin die beiden juristischen Staatsprüfungen ab. Als Gymnasiast war er 1921 im Schwarzwald bei einer Wanderung Ohrenzeuge des Attentats auf den Zentrumspolitiker Matthias Erzberger geworden. „Das politische Rowdytum jener Jahre und die Mordbubereien trieben ihn fest und sicher ins Lager jener Partei, der Erzberger angehörte“, beschreibt Walter Henkels seinen politischen Werdegang (99 Bonner Köpfe, S. 142).
In Berlin machte Hoogen die Bekanntschaft des Priesters und Zentrumsmitglieds Carl Sonnenschein, der ihn prägte und dem er bis zu dessen Tod 1929 verbunden blieb. Von 1932 an arbeitete er in Kempen als Rechtsanwalt. Ab 1932 war er als Rechtsanwalt beim Landgericht Krefeld, seit 1935 gleichzeitig beim Landgericht Bonn tätig. Am 1. Mai 1933 trat er in die NSDAP ein. Dies begründete er am 18. Dezember 1964 im Gespräch mit der Zeit mit der „naive[n] Vorstellung, die NSDAP von innen aufbessern zu können. Das mußte mißlingen. Zum Glück gelang es mir nach einem Jahr aus der Partei wieder auszutreten, was schwieriger und gefährlicher war als einzutreten.“ Am 1. September 1940 wurde er als Rekrut zum Bodenpersonal der Luftwaffe nach Bochum eingezogen. Nach der militärischen Grundausbildung war er zunächst Hilfsausbilder bei der Nachschubkompanie. Mit Beginn des deutschen Einmarsches in die Sowjetunion kam er im Nordabschnitt der Ostfront zum Einsatz, wo er bis 1944 als Mitglied der Heeresgruppe Kurland verblieb und als Feldrichter tätig war. Im Sommer 1942 hatte er die Luftkriegsschule Fürstenfeldbruck absolviert und war zum Reserveleutnant befördert worden. 1945 wurde er als Oberstabsrichter der Luftwaffe nach Freiburg/Breisgau versetzt.
Engagement in der Politik
1946 begann Hoogen, sich politisch auf lokaler Ebene zu engagieren, zunächst in der ihm politisch nahestehenden Zentrumspartei, dies er in seiner Heimat auch mitbegründete. 1948 wurde er Bürgermeister von Kempen, ein Amt, das er bis 1956 innehatte. Zudem war er Mitglied des Kreistages und des Kreisausschusses. Von April 1948 bis September 1949 gehörte er, vom Zentrum entsandt, als Nachfolger von Karl Spiecker dem Wirtschaftsrat in der britisch-amerikanischen Bizone, der in Frankfurt tagte, an. Am 17. Februar 1949 verkündete Hoogen zusammen mit Arnold Burghartz und Joseph Jacob den Austritt aus der Zentrumsfraktion. Sie traten als Hospitanten der CDU/CSU-Fraktion im Wirtschaftsrat bei. Seinen Übertritt vom Zentrum in die CDU begründete er im Gespräch mit der Zeit mit seiner Zustimmung zur Politik Ludwig Erhards: „Nach dem Krieg ging ich dann doch für das Zentrum nach Frankfurt. Als Ludwig Erhard die soziale Marktwirtschaft durchsetzen sollte, stand meine Fraktion in Opposition zu ihm, während ich ihm zustimmte. So kam es zum Bruch zwischen Zentrum und mir.“
Am 6. April 1949 wurde Hoogen Mitglied der CDU und kandidierte für den ersten Deutschen Bundestag. Bis 1964 vertrat er dort den Wahlkreis 83 Kempen-Krefeld und wurde – so die Einschätzung von Walter Henkels – einer der „bedeutendsten Köpfe“ der CDU/CSU-Fraktion, der oft als möglicher Justizminister genannt wurde, aber „immer am Fraktions- oder Konfessions-Proporz“ scheiterte. Hoogen galt demnach als „ministrabel, aber er hatte kein Glück, freilich auch nicht die Fähigkeit, mit den Ellbogen zu arbeiten“. Von 1953 an hatte er für elf Jahre den Vorsitz des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht inne und „spielte so bei der Gesetzgebung, die den Nachkrieg in die neue Ordnung überleitete, eine wesentliche Rolle“, wie die F.A.Z. am 1. Juli 1984 anlässlich seines 80. Geburtstags anmerkte. Zuvor hatte er 1951 den Vorsitz in einem der ersten Untersuchungsausschüsse, dem sogenannten Platow-Ausschuss zur Überprüfung von Missständen in der Bundesverwaltung, übernommen. Später hatte er noch den Vorsitz des am 28. März 1962 konstituierten Ausschusses zur Untersuchung der FIBAG-Affäre inne, die die Rolle des damaligen Verteidigungsministers Franz Josef Strauß bei der Vergabe von Bauaufträgen untersuchen sollte. Für seine Amtsführung fand Walter Henkels in der F.A.Z. nur lobende Worte: „Der Abgeordnete Matthias Hoogen, Vorsitzender eines der klassischen Ausschüsse des Parlaments, nämlich jenes – wie er genau heißt – Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht, ist ein Mann, der Verständnis für die Ansichten und Empfindungen Andersdenkender besitzt. Er urteilt über die Ansichten seiner politischen Gegner gerecht und nie mit starken Worten. Er ist nicht verletzt, wie es nicht wenige unserer Volksvertreter sind, wenn er eine andere, gegenteilige Meinung anhören muß. Er läßt sich auch überzeugen, wenn hinreichend gegen seine Ansichten argumentiert wird.“
Wehrbeauftragter des Deutschen Bundestages
Am 11. Dezember 1964 legte Hoogen sein Bundestagsmandat nieder, nachdem er in geheimer Wahl mit 270 zu 174 Stimmen bei elf Enthaltungen zum Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages gewählt worden war. Er folgte – als erster Zivilist in dem nach schwedischem Vorbild etablierten Amt – Generalleutnant Helmuth von Grolman (1959 bis 1961) und Vizeadmiral Hellmuth Heye (1961 bis 1964) nach, deren Amtszeit jeweils durch Skandale verkürzt worden war. Nach seiner Berufung erklärte Hoogen im Gespräch mit der Zeit, seine Erfahrungen als Soldat im Zweiten Weltkrieg hätten ihn dazu bewogen, alles daran zu setzen, „daß unsere Wehrgesetzgebung dem Gedanken der Rechtsstaatlichkeit entspricht. Das war für viele meiner Freunde und für mich die Grundbedingung, um überhaupt der Wiedereinführung der Wehrpflicht zustimmen zu können.“ Er erklärte, der Aufgabe mit großer Freude entgegenzusehen, denn diese „erlaubt es mir, dem Bürger in Uniform und dem Recht dieser Staatsbürger zu dienen. Ohne die Tätigkeit meiner Vorgänger abwerten zu wollen, möchte ich dennoch einen Unterschied zwischen ihnen und mir feststellen: Berufsoffiziere denken in den Kategorien des Befehlens und Gehorchens, der Zivilist und Jurist aber in den Kategorien des Analysierens und Reformierens.“
Bei Vorlage seines Wehrberichts 1965 erklärte er der F.A.Z.: „Der Wehrbeauftragte ist zum Schutz der Grundrechte der Soldaten und zur Überwachung der Grundsätze der inneren Führung berufen. Aber darin erschöpft sich seine Tätigkeit nicht. Er hat auch die Aufgabe, den Bundestag bei der Kontrolle der Regierung und der ihr nachgeordneten Behörden im Bereich der militärischen Verteidigung zu unterstützen.“ 1966 mahnte er bei Vorlage des Wehrberichts, sein Amt benötige mehr Kompetenzen und berief sich dabei auf Artikel 45b des Grundgesetzes. In seinem Wehrbericht für das Jahr 1968 spielten – wie die F.A.Z. am 8. März 1969 anmerkte – „das Verhältnis zwischen Vorgesetzten und Untergebenen wie auch die äußeren Probleme, die sich in der Bundeswehr für die Soldaten ergeben […] eine große Rolle.“ Zudem machte er darauf aufmerksam, dass die Zahl der Wehrdienstverweigerungen stetig angestiegen sei und dass von Seiten der APO versucht werde, „die Wehrdienstverweigerung zu einem Instrument politischer Aktion, Agitation und Zersetzung der Bundeswehr umzudeuten“. Für ihn war es in diesem Zusammenhang wichtig, die anerkannten Wehrdienstverweigerer schnell zum zivilen Ersatzdienst einzuberufen. Die von ihm vorgelegten Wehrberichten enthielten immer wieder Beispiele, die die dargelegten Probleme anschaulich belegten, sowie praktische Vorschläge, um Gravamina zu beseitigen. Auch im Wehrbericht 1969 spielte die innere Führung – wie schon 1968 – eine bedeutende Rolle, der Bericht sei „mit rund 169 Schreibmaschinenseiten die umfangreichste Darstellung, die seit zehn Jahren von den insgesamt drei Wehrbeauftragten angefertigt wurde“, schrieb die Zeit am 13. März 1970. Die F.A.Z. urteilte am 11. März 1970 mit Blick auf die von Hoogen vorgelegten Wehrberichte: „Der Bundestag hat darum Anlaß, dem scheidenden Wehrbeauftragten zu danken für die Einsicht, die er in das Wesen der bewaffneten Macht gibt.“ Seine Amtszeit, so Rudolf Schlaffer, sei „aber nur am Beginn von einer harmonischen Beziehung zum Verteidigungsressort gekennzeichnet. Bald schon wurden auch unter seiner Ägide weiterhin Kompetenzstreitigkeiten ausgetragen. […] Hoogen ließ jedoch eine Änderung der Methodik zu, den Jahresbericht zu abzufassen. Er verstärkte das Amt personell mit Sozialwissenschaftlern, sodass die Berichte seit 1968 weniger von den Einzelfällen dominiert und mehr von sozialwissenschaftlichen Analysen geprägt wurden.“ Hoogens Amtszeit, die regulär im Dezember 1969 enden sollte, musste bis März 1970 verlängert werden, da sich zunächst kein Nachfolger fand, auf den sich der Bundestag einigen konnte. Erst am 11. März 1970 wurde der FDP-Politiker Fritz-Rudolf Schultz vom Bundestag mit 268 gegen 124 Stimmen bei 50 Enthaltungen zu Hoogens Nachfolger gewählt.
Rückzug ins Privatleben
Für seine Verdienste wurde Hoogen mit dem Großen Bundesverdienstkreuz mit Stern und Schulterband ausgezeichnet. Nach seinem Ausscheiden aus dem Amt lebte er in der nahe bei Freiburg gelegenen Gemeinde Ehringen, wo er am 13. Juli 1985 im Kreis seiner Familie verstarb. Hoogens erste Ehefrau, Tochter von Philipp Dorneich, dem Generaldirektor des Herder-Verlags, war bei der Geburt des dritten Kindes verstorben. Seine zweite Ehefrau und seine vier Kinder überlebten ihn.
Anlässlich Matthias Hoogens Tod würdigte die F.A.Z. ihn und sein Wirken mit den Worten: „Seine Arbeit als Wehrbeauftragter hat nach dem Urteil seiner politischen Freunde, aber auch politisch Andersdenkender dazu beigetragen, in den Streitkräften dem Leitbild des Soldaten als Bürger in Uniform Geltung zu verschaffen.“
Lebenslauf
- Studium der Rechtswissenschaft in Freiburg im Breisgau und Berlin
- 1928 1. juristisches Staatsexamen
- 1932 2. juristisches Staatsexamen
- seit 1932 Rechtsanwalt
- 1940–1945 Wehrmacht
- 1945 Eintritt in das Zentrum
- 1948–1949 Mitglied des Wirtschaftsrates des Vereinigten Wirtschaftsgebietes
- 1948–1956 Bürgermeister von Kempen/Niederrhein
- 1949 Übertritt zur CDU
- 1949–1964 MdB
- 1953–1964 Vorsitzender des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht bzw. des Rechtsausschusses
- 1964–1970 Wehrbeauftragter des Deutschen Bundestages
Literatur
- Henkels, Walter: 99 Bonner Köpfe. Düsseldorf/Wien 1963.
- Die CDU/CSU im Frankfurter Wirtschaftsrat. Protokolle der Unionsfraktion 1947–1949. Bearbeitet von Rainer Salzmann (Forschungen und Quellen zur Zeitgeschichte Bd. 13) Düsseldorf 1988.
- Schlaffer, Rudolf J.: Der Wehrbeauftragte 1951 bis 1985. Aus Sorge um den Soldaten (Sicherheitspolitik und Streitkräfte der Bundesrepublik Deutschland. Hg. vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt Bd. 5), München 2006.