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Matthias Wissmann, Portrait. (Quelle: Slomifoto/KAS-ACDP) Matthias Wissmann, Portrait. (Quelle: Slomifoto/KAS-ACDP) © (Quelle: Slomifoto/KAS-ACDP)

Matthias Wissmann

Jurist, Bundesminister 15. April 1949 Ludwigsburg
von Peter Crämer
Unter dem Vorsitz von Matthias Wissmann entwickelte sich die Junge Union in den 1970er Jahren zum größten politischen Jugendverband in der Bundesrepublik. In seiner Zeit als Bundesminister für Verkehr von 1993 bis 1998 verantwortete er milliardenschwere Investitionen in Straße und Schiene im Osten Deutschlands.

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Herkunft und Ausbildung

Matthias Wissmann wurde am 15. April 1949 als Sohn eines selbständigen Kaufmanns in Ludwigsburg geboren. Bis heute hat der Katholik in der Stadt am Neckar seinen Wohnsitz behalten.

Nach dem Besuch der Justinus-Kerner-Schule machte Wissmann 1968 am Friedrich-Schiller-Gymnasiums seiner Heimatstadt Abitur. Anschließend studierte er an den Universitäten Tübingen und Bonn Rechtswissenschaften und Volkswirtschaftslehre. Sein Rechtsreferendariat absolvierte er nach dem ersten juristischen Staatsexamen 1974 am Landgericht Stuttgart. 1978 folgte das zweite juristische Staatsexamen. Nach Abschluss des Studiums wurde Wissmann Sozius in einer Ludwigsburger Anwaltskanzlei, seit 1980 ist er als Rechtsanwalt zugelassen.

 

Junge Union und Netzwerkbildung

Bereits als Gymnasiast trat Wissmann 1965 der Jungen Union bei, 1968 folgte als Abiturient der Eintritt in die CDU. Schon im gleichen Jahr wurde er Vorsitzender der Jungen Union Ludwigsburg (bis 1972). Im Wahlkampf zur Bundestagswahl 1969 unterstützte er die Ludwigsburger Direktkandidatin Annemarie Griesinger, deren politischer Assistent er 1970/71 in Bonn war.

Seit 1971 Mitglied im Bundesvorstand der Jungen Union, wurde Wissmann auf dem Hamburger Deutschlandtag im Oktober 1973 zum Nachfolger des Bundesvorsitzenden Jürgen Echternach gewählt. Zehn Jahre lang amtierte er als JU-Bundesvorsitzender, bis er von Christoph Böhr im Amt abgelöst wurde. Damit wies Wissmann von allen bisherigen Bundesvorsitzenden der Jungen Union die zweitlängste Amtszeit (nach Philipp Mißfelder) auf.

Unter Wissmanns Führung entwickelte sich die Junge Union zum größten politischen Jugendverband in der Bundesrepublik. Neben programmatischen Anstößen wie der Initiative zum Thema „Zukunftschancen der Jungen Generation“ gelang es Wissmann durch den Ausgleich persönlicher und landsmannschaftlicher Rivalitäten, die Schlagkraft der Jungen Union zu erhöhen. Gleichzeitig bemüht er sich um den Aufbau innerparteilicher Netzwerke. So gehört er seit der Gründung 1979 zum sagenumwobenen „Andenpakt“, einer informellen Interessengruppe damals aufstrebender JU-Politiker, zu der unter anderen auch Roland Koch, Volker Bouffier, Christian Wulff oder Günter Oettinger gezählt wurden.

Als JU-Bundesvorsitzender wurde Wissmann 1975 Mitglied des CDU-Bundesvorstandes, dem er mehr als 30 Jahre bis 2007 angehören sollte. Auch auf Europäischer Ebene genoss er großes Vertrauen, so dass er 1976 zum Präsidenten der Europäischen Union Junger Christlicher Demokraten (EUCDJ) gewählt wurde.

 

Parlamentarier in Bonn und Berlin

Zur Bundestagswahl am 3. Oktober 1976 trat Wissmann mit gerade einmal 27 Jahren als Direktkandidat in seinem Heimat-Wahlkreis Ludwigsburg an. Diesen gewann er auf Anhieb mit 48,7 %. Damit war er der bis dahin jüngste Abgeordnete im Deutschen Bundestag. Bis zu seinem Rückzug aus dem Bundestag konnte Wissmann in acht aufeinanderfolgenden Bundestagswahlen sein Direktmandat verteidigen.

Im Deutschen Bundestag profilierte sich der Nachwuchspolitiker vor allem auf den Gebieten Wirtschafts- und Jugendpolitik, so u.a. 1981 bis 1983 als Vorsitzender der Enquete-Kommission „Jugendprotest im demokratischen Staat“. Während der Zeit der Bonner „Wende“ war Wissmann für den Posten eines Parlamentarischen Staatssekretärs beim Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit im Gespräch. Nach der Bundestagswahl vom 6. März 1983 wurde er Vorsitzender der CDU-Arbeitsgruppe Wirtschaft und wirtschaftspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Unter den Vorsitzenden Karl Carstens (1973-1976) und Helmut Kohl (1976-1982) bestimmte der junge Abgeordnete den wirtschaftspolitischen Kurs der Fraktion maßgeblich mit.

Nicht zuletzt durch seine Ämter als Bezirksvorsitzender der CDU Nordwürttemberg (seit 1985) und als stellvertretender Vorsitzender der CDU in Baden-Württemberg (seit 1991) konnte Wissmann seinen Einfluss in Bonn und Stuttgart ausbauen. Der Bezirksverband Nordwürttemberg ernannte ihn 2001 schließlich zu seinem Ehrenvorsitzenden.

 

Bundeverkehrsminister

Im Zuge einer Kabinettsumbildung berief Bundeskanzler Helmut Kohl Wissmann im Januar 1993 nach dem Rücktritt von Heinz Riesenhuber zum Bundesminister für Forschung und Technologie. Nur wenige Monate später, im Mai 1993, folgte Wissmann dem wegen mehrerer Skandale zurückgetretenen Günther Krause als Bundesverkehrsminister. Dieses Amt behielt Wissmann auch nach den Bundestagswahlen vom 16. Oktober 1994 bis zum Ende der Legislaturperiode 1998.

In seiner Amtszeit musste sich der neue Verkehrsminister vor allem zwei großen Herausforderungen stellen: Dem weiteren Ausbau der Verkehrsinfrastruktur in Ostdeutschland („Aufbau Ost“) sowie der Privatisierung von Bundesbahn und Deutscher Lufthansa.

Mit der Einführung der emissionsbezogenen KFZ-Steuer als erstem Schritt gelang Bundesverkehrsminister Wissmann der Einstieg in die ökologische Umsteuerung der Verkehrspolitik. Erstmals wurden im Bundeshaushalt 1995 mehr Mittel für den Ausbau des Schienennetzes als für den Straßenbau zur Verfügung gestellt. Durch die Einführung der Autobahngebühr für LKWs und die europäische Harmonisierung der steuerlichen Belastung für Fuhrunternehmen konnte Wissmann außerdem die Position der deutschen Spediteure stärken. Zur Finanzierung der milliardenschweren Investitionen in Straße und Schiene plädierte Wissmann für die Entlastung der öffentlichen Kassen durch das Heranziehen privater Investoren. Der Aus- bzw. Neubau von tausenden Kilometern neuer Straßen und Schienen – hier vor allem der Ausbau des ICE-Netzes – und sein Einsatz für die Transrapid-Technologie stärkten Wissmanns Ruf als „Macher“, der Verkehrsminister galt gar als „heimlicher Wirtschaftsminister“ der Regierung Kohl.

Nach dem Regierungswechsel 1998 wurde Wissmanns fünfeinhalbjährige Tätigkeit als Bundesverkehrsminister vielerorts als sehr erfolgreich bewertet. Sein effizienter Arbeitsstil, sein Verhandlungsgeschick auf europäischer Ebene sowie seine langjährigen Kontakte in Politik und Wirtschaft kamen ihm dabei zu Gute.

 

Zwischenspiel als CDU-Schatzmeister

Nach der Wahlniederlage der CDU/CSU bei der Bundestagswahl 1998, die zum Rücktritt von Helmut Kohl als Parteivorsitzender geführt hatte, wählte die CDU auf dem 11. Parteitag am 7. November 1998 Wolfgang Schäuble zu ihrem neuen Vorsitzenden. Wissmann wurde als Nachfolger von Walther Leisler Kiep neuer Bundesschatzmeister der CDU. Hier geriet er zunehmend in den Sog der Parteispendenaffäre um sogenannte schwarze Konten, auf die CDU-Parteispenden transferiert worden waren. Im Dezember 1999 legte Wissmann deshalb einen revidierten Rechenschaftsbericht vor. Durch die der CDU auferlegten Strafzahlungen musste er der Partei jedoch einen strikten Sparkurs verordnen. Mit der im Jahr 2000 neu gewählten Bundesvorsitzenden Angela Merkel verband Wissmann seit gemeinsamen Ministertagen zwar ein enges Vertrauensverhältnis. Das Amt des Bundesschatzmeisters gab er dann dennoch nach nur anderthalb Jahren an Ulrich Cartellieri ab.

Dass Wissmann 1999 als Sozius in eine amerikanische Rechtsanwaltskanzlei einstieg, war in der Öffentlichkeit umstritten. Verschiedene Medien sahen eine mögliche Interessenverquickung zwischen seinen politischen Ämtern und seiner Anwaltstätigkeit in den Bereichen Unternehmensrecht und Liberalisierung von Märkten.

 

Ausschussvorsitzender und Wirtschaftspolitischer Sprecher der CDU

Der Deutsche Bundestag wählte Wissmann 1998 zum Vorsitzenden des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie und für die darauf folgende Legislaturperiode ab 2002 zum Vorsitzenden des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union.

Im November 2001 wurde er als Nachfolger von Gunnar Uldall zum wirtschaftspolitischen Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion gewählt, den Vorsitz im Wirtschaftsausschuss gab er an Heinz Riesenhuber ab. Das Amt als Vorsitzender des Europa-Ausschusses behielt Wissmann jedoch auch nach der Bundestagswahl 2005, wodurch er zu einem wichtigen Ratgeber der neuen Bundeskanzlerin Angela Merkel sowohl in Wirtschafts- als auch in Europafragen avancierte.

 

Präsident des VDA

Im März 2007 wählte der Verband der Automobilindustrie (VDA) Wissmann als Nachfolger des überraschend zurück getretenen Bernd Gottschalk zum neuen Präsidenten. Sein Bundestagsmandat gab er daraufhin nach mehr als 30 Jahren zum 31. Mai 2007 ab.

Fortan vertrat Wissmann fast 600 Mitgliedsunternehmen mit insgesamt rund 800.000 Beschäftigten, bis er im Jahr 2018 aus diesem Amt ausschied.

Lebenslauf

  • 15.04.1949 Geboren in Ludwigsburg, kath.
  • 1965 Eintritt in die Junge Union
  • 1968 Abitur am Friedrich-Schiller-Gymnasium in Ludwigsburg
  • 1968 Eintritt in die CDU
  • 1968-1972 Kreisvorsitzender der Jungen Union Ludwigsburg
  • 1968-1974 Studium der Rechtswissenschaften, Volkswirtschaftslehre und Politik an den Universitäten Tübingen und Bonn
  • 1970-1971 Politischer Assistent von MdB Annemarie Griesinger im Bundestag
  • 1971 Mitglied im Bundesvorstand der Jungen Union
  • 1973-1983 Bundesvorsitzender der Jungen Union
  • 1974 Erstes juristisches Staatsexamen, danach Rechtsreferendar am Landgericht Stuttgart
  • 1975-2007 Mitglied des Bundesvorstandes der CDU
  • 1976-2007 Mitglied des Bundestags, gewählter Direktkandidat im Wahlkreis Ludwigsburg
  • 1976-1982 Präsident der Europäischen Union Junger Christlicher Demokraten (EUJCD)1978 Zweites juristisches Staatsexamen
  • 1981-1983 Vorsitzender der Enquete-Kommission "Jugendprotest im demokratischen Staat"
  • 1983-1993 Wirtschaftspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion
  • 1985-2001 Vorsitzender der CDU Nordwürttemberg, seit 15. Dezember 2001 Ehrenvorsitzender
  • 1991 Stellvertretender Landesvorsitzender der CDU Baden-Württemberg
  • 1993 Bundesminister für Forschung und Technologie
  • 1993-1998 Bundesminister für Verkehr
  • 1998-2000 Bundesschatzmeister der CDU
  • 1998-2000 Wirtschaftspolitischer Sprecher des CDU-Bundesvorstands
  • 1998 Vorsitzender des Bundestags-Ausschusses für Wirtschaft und Technologie
  • 1999 Sozius im Berliner Büro der amerikanischen Rechtsanwaltskanzlei Wilmer, Cutler & Pickering
  • 2001 Wirtschaftspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion
  • 2002 Vorsitzender des Bundestagsausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union
  • 2007 Ausscheiden aus dem Bundestag zum 31. Mai 2007
  • 2007-2018 Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA)

Veröffentlichungen

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Literatur

  • Kempf, Udo, in: Ders./Merz, Hans-Georg (Hg.): Kanzler und Minister 1949-1998. Opladen 2001

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