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☛ Familiärer Hintergrund und beruflicher Werdegang
☛ Aufstieg in der Jungen Union
☛ Werteorientierter Netzwerker
Familiärer Hintergrund und beruflicher Werdegang
Eine politische Karriere in Deutschland war dem am 6. September 1985 als Sohn eines polnischen Arztehepaares in Stettin (Polen) geborenen Pawel Ziemiak nicht in die Wiege gelegt. Einer seiner Großväter kämpfte während des Zweiten Weltkriegs als Mitglied der polnischen Untergrundarmee „Armia Krajowa“ gegen die deutsche Besatzungsherrschaft. Nach dem Krieg sah sich der überzeugte Antikommunist immer wieder Bedrohungen durch den polnischen Geheimdienst ausgesetzt. Der andere Großvater galt als patriotischer Katholik. Die tiefe Gläubigkeit und die Verankerung der Familie im Katholizismus übertrug sich auch auf den Enkel und bot ihm und seiner Familie später auch in Deutschland eine Form von Heimat. Den polnischen Papst Johannes Paul II. bezeichnete Ziemiak in einem Interview als wichtige Inspirationsquelle.
Als Ziemiak drei Jahre alt war, zogen seine Eltern mit ihm und seinem älteren Bruder nach Deutschland. Aus Unzufriedenheit mit den miserablen wirtschaftlichen und politischen Verhältnissen in der von General Wojciech Witold Jaruzelski mit eiserner Hand regierten Volksrepublik Polen hatte die Familie entschieden, von einer Reise in die Bundesrepublik nicht wieder in ihre Heimat zurückzukehren. In späteren Jahren bekundete Paul Ziemiak seinen Stolz auf den Mut seiner Eltern, diese Entscheidung getroffen zu haben. Da ein Teil der Familie deutsche Wurzeln hatte, konnten sie als Spätaussiedler in der Bundesrepublik ein neues Leben beginnen. Dabei wurde Ziemiaks Vorname von Pawel in Paul geändert.
Nach Aufenthalten in den Aufnahmelagern Friedland und Unna-Massen ließ sich die Familie im sauerländischen Iserlohn nieder. Ziemiak wuchs in bescheidenen Verhältnissen auf. Die Familie bewohnte in Iserlohn zunächst eine Notunterkunft. Seine Eltern konnten ihren Beruf als Ärzte nicht ausüben, da ihre polnische Approbation von den deutschen Behörden zunächst nicht anerkannt wurde. Halt und Unterstützung fand die Familie in dieser Zeit in der katholischen Kirchengemeinde St. Michael, die auch von vielen Aussiedlern aus Polen besucht wurde. Mit dem Besuch des Kindergartens lernte Ziemiak die deutsche Sprache.
Sein Abitur legte Ziemiak 2004 an der Internatsschule am Seilersee ab. Dort lernte er auch seine spätere Ehefrau kennen. Danach begann er ein Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Osnabrück, das er später an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster fortsetzte. In dieser Zeit trat er zwei katholischen Studentenverbindungen bei. Während seines Studiums arbeitete er als studentische Hilfskraft an einem rechtswissenschaftlichen Institut und als freier Mitarbeiter für einen internationalen Chemiekonzern. In dieser Lebensphase traf ihn mit dem frühen Krebstod der Mutter im Alter von nur 57 Jahren ein schwerer Schicksalsschlag, der ihn nachdrücklich prägte. Er hatte sie bis zuletzt gepflegt. Die erste juristische Staatsprüfung bestand er nicht. Anschließend studierte er Unternehmenskommunikation an der Business and Information Technology School in Iserlohn, auch dieses Studium blieb ohne Abschluss. Studienbegleitend arbeitete er bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers in Düsseldorf als Kommunikationsreferent.
Aufstieg in der Jungen Union
Bereits im Alter von 13 Jahren trat Ziemiak 1998 der Jungen Union bei, obwohl dies in der Jugendorganisation der CDU eigentlich erst ab dem 14. Lebensjahr möglich ist. Zuvor hatte er sich schon im Bundestagswahlkampf 1998 für die Partei und ihren damaligen Spitzenkandidaten Helmut Kohl engagiert. Im Jahr darauf erfuhr Ziemiaks politisches Engagement durch seine Wahl in den Vorstand der Iserlohner Jungen Union und der Übernahme der Leitung des neugegründeten örtlichen Kinder- und Jugendparlaments einen ersten Höhepunkt. In der Folgezeit übernahm er in der Jungen Union und nach seinem Beitritt 2001 auch in der CDU zahlreiche Funktionen. 2009 wurde er zum JU-Vorsitzenden des Bezirksverbandes Südwestfalen gewählt. 2011 übernahm er die Führung des CDU-Stadtverbandes Iserlohn. Auch wurde er Mitglied im CDU-Bezirksvorstand Südwestfalen und im Landesvorstand der CDU. Erste überregionale Aufmerksamkeit erzielte er 2012 durch seine Wahl zum Landesvorsitzenden der Jungen Union Nordrhein-Westfalen in der Nachfolge von Sven Volmering. 2014 kandidierte er bei der Kommunalwahl und zog mit einem Wahlkreisergebnis von 46 Prozent direkt in den Iserlohner Stadtrat ein. In der CDU-Ratsfraktion übernahm er die Funktion des zweiten stellvertretenden Vorsitzenden.
Der bundespolitische Durchbruch gelang Ziemiak mit seiner erfolgreichen Kandidatur für den Bundesvorsitz der Jungen Union 2014. Der bisherige Amtsinhaber Philipp Mißfelder stand aus Altersgründen nicht mehr für eine weitere Amtszeit zur Verfügung. In einer Kampfabstimmung setzte sich Ziemiak auf dem Deutschlandtag der JU am 19. September 2014 im bayerischen Inzell mit 63 Prozent gegen seinen Mitbewerber Benedict Pöttering durch, der bis dahin stellvertretender JU-Bundesvorsitzender gewesen war und der Favorit Mißfelders als sein Nachfolger. Im Vorfeld war es Ziemiak durch entsprechende Absprachen und einem intensiven Wahlkampf gelungen, die Unterstützung wichtiger Landesverbände für sich zu gewinnen, so dass er nach Einschätzung vieler Beobachter bereits als Favorit ins Rennen gegangen war. Programmatisch warb er dabei für den Ausbau der Digitalisierung, die Abschaffung der Rente mit 63, eine von russischen Gaslieferungen unabhängige Energiepolitik sowie dem Schutz der Familie vor staatlichen Eingriffen. Auf dem Deutschlandtag löste seine leidenschaftliche Bewerbungsrede große Begeisterung aus, in der er nicht nur rhetorisch geschickt zentrale Forderungen der Jungen Union, etwa zu den Themen Islamismus und Bundeswehr, in schneidige Formulierungen gießen konnte. Es gelang ihm auch, seinen persönlichen Lebensweg als Kind deutscher Spätaussiedler aus Polen mit der von ihm skizzierten Aufgabe der Jungen Union zu verknüpfen, indem er für Deutschland als ein Land der Möglichkeiten warb . Zweimal wurde Ziemiak in seinem Amt bestätigt. Im Oktober 2016 wurde er 85 Prozent der Stimmen wiedergewählt. Im Oktober 2018 erzielte er mit 91,1 Prozent sogar das beste Ergebnis eines JU-Chefs seit Bestehen der Vereinigung.
An der Spitze der Jungen Union kümmerte sich Ziemiak intensiv um den Ausbau der Kampagnenfähigkeit des Jugendverbandes und beeindruckte mit seinem Gespür für digitale Themen. Inhaltlich warb er für die Abschaffung der kalten Progression im Steuerrecht, für Generationengerechtigkeit und daher für eine Anpassung des Renteneintrittsalters an die Lebenserwartung sowie ein Starterpaket für Eltern in Höhe von 1000 Euro. Zudem forderte er eine stärkere Konzentration auf die Wirtschaftsförderung anstelle „neuer Sozialprojekte“. Angesichts des verstärkten Zuzugs von Flüchtlingen nach Deutschland 2015 sprach sich Ziemiak für eine Obergrenze aus. Beim CDU-Parteitag 2016 setzte er sich erfolgreich gegen den Widerstand der damaligen Parteivorsitzenden und Bundeskanzlerin Angela Merkel für einen Antrag ein, der die Wiedereinführung der Optionspflicht für in Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern zum Ziel hatte.
Werteorientierter Netzwerker
Ziemiak verstand es, ein Netzwerk mit jungen und aufstrebenden Politikern der CDU zu entwickeln. Verbindende Elemente waren dabei das Bekenntnis zu einer an den Prinzipien der Marktwirtschaft orientierten wirtschaftsfreundlichen Politik sowie der christliche Glaube. In der Presse wurden besonders die Beziehungen zum Vorsitzenden der Mittelstandsvereinigung, Carsten Linnemann, und dem späteren Bundesgesundheitsminister Jens Spahn aufmerksam registriert. Zusammen kritisierten sie die Migrationspolitik von Angela Merkel während der Flüchtlingskrise.
Während seiner Amtszeit wurde Ziemiak häufig als Konservativer charakterisiert. Er selbst lehnte es ab, sich in eine Schublade stecken zu lassen und bezeichnete sich in einem Interview 2019 als „weder einer vom liberalen Flügel noch ausschließlich ein Konservativer oder nur christlich-sozial“.
Im Deutschen Bundestag
Bei der Wahl zum Deutschen Bundestag am 24. September 2017 gelang Ziemiak der Einzug in das Parlament. Zwar unterlag er bei der Direktwahl im Wahlkreis Herne-Bochum II mit 24,1 Prozent seiner Mitbewerberin, der SPD-Politikerin Michelle Münterfering, die auf 41,9 Prozent gekommen war. Über die Landesliste Nordrhein-Westfalen schaffte er dennoch den Sprung in den Bundestag, wo er sich der Außen- und Europapolitik widmete.
Er erhielt einen Sitz im angesehenen Auswärtigen Ausschuss, was für einen Bundestagsneuling keine Selbstverständlichkeit ist. Außerdem wurde er stellvertretendes Mitglied im Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union.
Generalsekretär der CDU
Beim CDU-Bundestagparteitag am 8. Dezember 2018 in Hamburg schlug die neue CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer Ziemiak als ihren Nachfolger im Amt des CDU-Generalsekretärs vor. Mit der Einbindung des bisherigen JU-Bundesvorsitzenden in ihr Team wollte sie die Partei für jüngere Menschen und für modernere Kommunikationsformen öffnen. Ein weiterer Grund war, dass Ziemiak als JU-Bundesvorsitzender über Erfahrungen in der Führung einer großen Organisation verfügte. Der Vorschlag Kramp-Karrenbauers kam für viele Beobachter überraschend, da Ziemiak bis dahin als Unterstützer ihres Gegenkandidaten Friedrich Merz gegolten hatte und außerdem enge Beziehungen mit ihrem Mitbewerber Jens Spahn pflegte.
Der Start als jüngster Generalsekretär in der Geschichte der CDU vollzog sich für Ziemiak nicht einfach. Zum einen litt seine Autorität im neuen Amt zunächst aufgrund der Vorgeschichte um seinen „Seitenwechsel“. Zum anderen funktionierte die Aufgabenverteilung zwischen ihm und der Bundesvorsitzenden nicht auf Anhieb reibungslos.
Positive Resonanz erhielt Ziemiak, als er die „harte Abgrenzung“ von der AfD zu seiner Mission erklärte, um die Partei auf dem Kurs der politischen Mitte zu halten. Nach der für die CDU ungünstig verlaufenen Landtagswahl in Thüringen Ende 2019 bezeichnete er den Aufruf dortiger Parteifreunde zu Gesprächen mit der AfD als „irre“ und lehnte jegliche Form der Kooperation mit der AfD ab. Auch von der Linkspartei grenzte sich Ziemiak stets deutlich ab.
Erfolgreicher Krisenmanager
Nachdem Annegret Kramp-Karrenbauer im Februar 2020 als Reaktion auf die Ereignisse um die Ministerpräsidentenwahl in Thüringen ihren Rückzug als Parteivorsitzende angekündigt hatte, sah es zunächst so aus, als würde dies auch eine Neubesetzung auf der Position des Generalsekretärs zur Folge haben. So kündigten zwei der Bewerber um den Vorsitz, Norbert Röttgen und Friedrich Merz an, im Falle ihrer Wahl eine Frau als Generalsekretärin zu nominieren. Erst die durch den Ausbruch der Corona-Pandemie zweifach erfolgte Verschiebung des Parteitags auf den Januar 2021 führte zu einem Umdenken. So kurz vor der für den Herbst 2021 terminierten Bundestagswahl erschien allen Bewerbern der Austausch eines erfahrenen und bereits mit der Vorbereitung des Wahlkampfes befassten Generalsekretärs als zu riskant. Zu dieser Zeit war Ziemiak längst ins operative Zentrum der Partei gerückt und hatte sich den Ruf eines „unverzichtbaren Krisenmanagers“ (Der Spiegel) erarbeitet. Er entwickelte neue digitale Beteiligungsformate für die Mitglieder und setzte auf neue mediale Möglichkeiten. Ziemiak koordinierte auch den innerparteilichen Wahlkampf zwischen den Bewerbern um das Amt des Parteivorsitzenden.
Seine Arbeit beschränkte sich aber nicht nur auf das Organisatorische. Er nutzte sein Amt auch, um politische Akzente zu setzen, zum Beispiel in der Außenpolitik. So reiste er nach Litauen und traf dort als einer der ersten westlichen Politiker mit der belarussischen Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja zusammen. Er warb für Freiheit und Menschenrechte und knüpfte damit auch wieder an seinem biographischen Hintergrund an, als jemand, der in einem Land geboren wurde, in dem Freiheit keine Selbstverständlichkeit war. Die EU-Mitgliedsstaaten rief er dazu auf, gegenüber Russland gemeinsam Stärke zu zeigen. Innenpolitisch sprach er sich für die Einführung eines verpflichtenden Gesellschaftsjahres für Männer und Frauen aus. Schon 2019 bekannte er sich zudem zu einem Beschluss der Jungen Union aus dem Jahr zuvor, die Amtszeit des Bundeskanzlers auf drei Wahlperioden zu begrenzen.
Für die Organisation des ersten digitalen Bundesparteitags der CDU am 15./16. Januar 2021 erhielt Zimiak viel Lob und Anerkennung, auch über die eigene Partei hinaus. Durch die Kämpfe in der CDU sei Ziemiak zum starken Mann in der Partei geworden, urteilte Konrad Schuller in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Andere Kommentatoren charakterisierten ihn als für die CDU „unentbehrlich“ (Tagesspiegel), „im Moment kaum ersetzbar“ (FAZ) oder riefen ihn gar zum „digitalen Helden“ und „eigentlichen Gewinner“ (Südwest Presse) des Parteitages aus. Der neue Parteichef Armin Laschet verkündete nach seiner Wahl offiziell den Verbleib Ziemiaks im Amt und beauftragte ihn mit der weiteren Organisation des Bundestagswahlkampfs.
Paul Ziemiak ist seit 2016 mit seiner Jugendliebe, einer Apothekerin, verheiratet und Vater von zwei Kindern.
Lebenslauf
- Geboren 6. September 1985 in Stettin (Polen)
- 1988 Übersiedlung nach Deutschland
- 1998 Mitglied der Jungen Union
- 1999–2001 Vorsitzender des Kinder- und Jugendparlaments der Stadt Iserlohn
- 2001 Mitglied der CDU
- 2002 Mitglied im Kreisvorstand der Jungen Union im Märkischen Kreis
- 2009–2012 Bezirksvorsitzender Jungen Union Südwestfalen
- 2011–2019 Vorsitzender der CDU Iserlohn
- 2012–2014 Landesvorsitzender der Jungen Union Nordrhein-Westfalen
- 2014–2019 Mitglied im Rat der Stadt Iserlohn
- 2014–2019 Bundesvorsitzender der Jungen Union Deutschlands
- 2017 Mitglied im geschäftsführenden Landesvorstand der CDU Nordrhein-Westfalen
- 2017 Mitglied des Deutschen Bundestags
- 2017 Mitglied der Konrad-Adenauer-Stiftung
- 2018–2022 Generalsekretär der CDU Deutschlands
- seit Nov. 2022 Generalsekretär der CDU in Nordrhein Westfalen (komm.)
- seit Nov. 2022 Bezirksvorsitzender der CDU Südwestfalen