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Volker Rühe, CDU-Politiker und stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Volker Rühe, CDU-Politiker und stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. © Hans-Günther Oed/Süddeutsche Zeitung Photo

Volker Rühe

Lehrer, CDU-Generalsekretär, Bundesminister 25. September 1942 Hamburg-Harburg
von Dorothea Oelze
Volker Rühe, Generalsekretär der CDU 1989–1992 und Bundesverteidigungsminister 1992–1998, war einer der profiliertesten (Außen-)Politiker der Ära Kohl. Am Zusammenwachsen von CDU in Ost und West, der Integration der Nationalen Volksarmee in die Bundeswehr und der Öffnung der NATO gen Osten wirkte er entscheidend mit.

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Frühe Erfahrungen im Ausland

Volker Rühes Interesse für fremde Länder wurde schon zu Schulzeiten geprägt. Als einer der ersten deutschen Austauschschüler besuchte der am 25. September 1942 geborene Sohn eines Lehrers eine Schule in Großbritannien. Später, während seines Lehramtsstudiums in Deutsch und Englisch blieb er dem angelsächsischen Raum treu und arbeitete als Tutor in den USA.

Auch jenseits seiner Ausbildung bewegte sich Rühe bald im internationalen Raum. Über seine Tätigkeit im Bundesvorstand der Jungen Union, der er seit 1963 angehörte, lernte er die Arbeitsgemeinschaft Christlich-demokratischer und konservativer Jugendverbände Europas (DEMYC), kennen, die er schließlich von 1972 bis 1974 leitete. Hier knüpfte er erste politische Kontakte auf dem internationalen Parkett.

 

Engagement in heimischen Gefilden

Obwohl sein Herz für die Außenpolitik schlug, machte sich Rühe zunächst als Bildungsexperte einen Namen. 1970 trat er in den regulären Schuldienst ein und wurde in die Hamburger Bürgerschaft gewählt. Dort avancierte der junge Gymnasiallehrer in nur drei Jahren zum stellvertretenden CDU-Fraktionsvorsitzenden und bildungspolitischen Sprecher. Weitere drei Jahre später zog er über die Hamburgische Landesliste in den Deutschen Bundestag ein, wo er ebenfalls für seine Sachkenntnis im Bildungswesen geschätzt wurde. 1977 wurde er Obmann der CDU/CSU-Fraktion im Ausschuss für Bildung und Wissenschaft sowie Vorsitzender der entsprechenden Fraktionsarbeitsgruppe, wo er eng mit dem Kohl-Vertrauten Anton Pfeifer zusammenarbeitete. Vor der Bürgerschaftswahl 1982 in Hamburg benannte ihn Walther Leisler Kiep als Schulsenator in sein Schattenkabinett. Zu diesem Zeitpunkt hatte er allerdings die Bildungspolitik bereits hinter sich gelassen.

 

Außenpolitiker im Deutschen Bundestag

1981 sollte der Obmann im Ausschuss für Bildung und Wissenschaft des Deutschen Bundestags neu gewählt werden. Rühe nutzte diese Gelegenheit, um sich wieder der Außenpolitik zuzuwenden und verzichtete auf eine weitere Amtszeit. Er wechselte in den Auswärtigen Ausschuss sowie in den CDU-Bundesfachausschuss für Außen- und Sicherheitspolitik, dem er zuerst als stellvertretender Vorsitzender, ab 1983 als Vorsitzender vorstand. Helmut Kohl kannte und schätzte den jungen Hamburger mit den guten Englischkenntnissen und der souveränen Art bereits seit gemeinsamen Auslandsreisen in den 1970er Jahren. Dank Kohl legendär gutem Gespür für junge Politik-Talente wurde Rühe nun stark gefördert. Als er 1982 für den stellvertretenden Fraktionsvorsitz mit dem Schwerpunkt Außen-, Sicherheits-, Deutschland- und Entwicklungspolitik kandidierte, konnte er sich mit der Rückendeckung des CDU-Parteivorsitzenden in einer Kampfabstimmung gegen den altgedienten und konservativen Außenpolitiker Manfred Abelein durchsetzen.

In der Fraktionsleitung unterstützte Rühe den Außenpolitischen Kurs Kohls. Am 6. Februar 1985 mahnte er im Bundestag die „Bindungswirkung“ der Warschauer Verträge als Grundlage der aktuellen Ost- und Deutschlandpolitik an. Dieser wahrscheinlich mit Kohl abgestimmte Redebeitrag führte in der Fraktion zur Konfrontation zwischen sogenannten „Stahlhelmern“ und „Genscheristen“. Vor allem die konservativen Abgeordneten Manfred Abelein, Herbert Czaja, Herbert Hupka, Hans Graf Huyn und Werner Marx lehnten den Verzicht auf ehemals deutsche Gebiete jenseits der Oder und Neiße kategorisch ab, während eine jüngere Generation von Abgeordneten die Ostverträge als reale Ausgangslage zukünftiger Ostpolitik akzeptierte und der Politik des liberalen Außenministers Hans-Dietrich Genscher folgte. Trotz des Gegenwindes, der ihm auch von Seiten der Vertriebenenverbände entgegen blies, konnte sich Rühe dank der Unterstützung von Kohl, Wolfgang Schäuble und Heiner Geißler mit seiner Haltung in der Fraktion langfristig durchsetzen.

Seine Haltung als bekennender Atlantiker gab Rühe dabei keineswegs auf. Obwohl er die Politik der Perestroika befürwortete, warnte er davor, den sowjetischen ZK-Generalsekretär Gorbatschow allzu weitgehend zu unterstützen. Den Zusammenhalt der NATO-Staaten hielt er für wichtiger als die Annäherung der Bundesrepublik Deutschland an den Ostblock.

 

Generalsekretär der CDU

Seit 1984 war Volker Rühe immer wieder für hohe Regierungsämter im Gespräch. Er verblieb indes zunächst in der Fraktion, weil er eine Schlüsselstellung für die außenpolitische Balance der Fraktion hatte. 1989 aber sorgte Kohl für eine Überraschung, als er ihn für die Nachfolge des CDU-Generalsekretärs Heiner Geißler nominierte. Parteimanagement gehörte bislang nicht zu Rühes Erfahrungsschatz, doch Kohl schätzte seine Loyalität und Direktheit. Nach anfänglichem Zögern, die Außenpolitik vorerst zurückzustellen, wurde der 47-Jährige auf dem Bremer Bundesparteitag mit 704 von 746 Stimmen gewählt.

Bereits nach wenigen Monaten stand der neue Generalsekretär vor einer Jahrhundertaufgabe: Nach dem Fall der Mauer galt es, die CDU in Ost und West zusammenzuführen. Engagiert setzte sich Rühe für die Integration von Bürgerrechtlern in die CDU und die Ausgrenzung belasteter Mitglieder der Ost-CDU ein. Weil er dabei nicht immer zimperlich vorging, war er in Teilen der ostdeutschen Landesverbände nicht besonders beliebt. 1990 schließlich organisierte Rühe den Wahlkampf für die erste gesamtdeutsche Bundestagswahl. Gerade jedoch bei der Wahlkampforganisation bewies er keine glückliche Hand. Im Bund ging der Stimmanteil der Union leicht zurück. Ein Jahr später verlor die CDU die Wahlen in Hamburg und Rheinland-Pfalz. Vor allem jüngere Parteimitglieder warfen Rühe vor, in erster Linie Zuarbeiter des Parteivorsitzenden zu sein und die programmatische Erneuerung der Partei und strukturelle Probleme zu vernachlässigen.

 

Fast ein Traumjob: Verteidigungsminister

Im März 1992 trat Gerhard Stoltenberg wegen ungenehmigter Lieferungen von Leopard-Panzern an die Türkei vom Amt des Verteidigungsministers zurück. Obwohl Rühe eher daran dachte, bis 1994 Generalsekretär der CDU zu bleiben, um dann vielleicht das Auswärtige Amt von der FDP zu übernehmen, nahm er die spontane Berufung zur Nachfolge Stoltenbergs an.

Auf der Bonner Hardthöhe stand er, der selbst nie gedient hatte, vor gewaltigen Aufgaben: Die Integration der NVA in die Bundeswehr, ihre Umstrukturierung, die mit einem massiven Personalabbau verbunden war sowie ihre Neuausrichtung zu einer attraktiven Bündnisarmee der NATO. Rühe scheute unbequeme Entscheidungen nicht. Noch im ersten Amtsjahr entschied er über die Schließung fast aller ostdeutscher Truppenübungsplätze und die Streichung von Zuwendungen zum langjährigen Jäger 90-Projekt, bewilligte den Sanitätseinsatz deutscher Soldaten in Kambodscha und eröffnete einen Brückenkopf des Verteidigungsministeriums in Berliner Bendlerblock. Dem Einsatz in Kambodscha folgten Entsendungen deutscher Soldaten nach Bosnien-Herzegowina und Somalia.

Obwohl ihm die Integration der NVA ebenso glückte wie der schmerzliche Stellenabbau in Ministerium wie Truppe und obgleich er gerade aus dem Ausland Anerkennung erhielt, erntete er im Inland mitunter starke Kritik. Er geriet in Konflikt mit der CSU, die sich für die Interessen der Rüstungsindustrie einsetzte. Weil er sich seit 1993 öffentlich für die Ost-Erweiterung der NATO einsetzte und damit auch außenpolitisch Stellung bezog, begleiteten auch Spannungen mit dem FDP-Außenminister Klaus Kinkel seine Amtszeit. 1997 schließlich geriet sein Ministerstuhl ins Wanken. Nur zögerlich reagierte er auf eine Serie von Vorfällen mit rechtsextremem Hintergrund in der Bundeswehr. Die Opposition verlangte wegen der vermeintlich schleppenden Aufklärung seinen Rücktritt. Soweit kam es allerdings nicht. Zur Bundestagswahl 1998 wurde Rühe gemeinsam mit Schäuble als möglicher Nachfolger Helmut Kohls gehandelt.

 

Von Bonn nach Kiel?

Das Ergebnis der Bundestagswahl am 27. September 1998 war allerdings ernüchternd. Infolge des Regierungswechsels musste Rühe die Hardthöhe verlassen. Er wurde erneut Stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Unions-Fraktion im Bundestag und wenig später auch zum Stellvertretenden CDU-Bundesvorsitzenden gewählt. Noch 1998 begann sich abzuzeichnen, dass der Hamburger die amtierende Ministerpräsidentin Schleswig-Holsteins Heide Simonis bei der nächsten Landtagswahl im Jahr 2000 herausfordern würde, was im folgenden Jahr auch der Landesparteitag der CDU in Schleswig-Holstein bestätigte. Nachdem er sich gegen den CDU-Landesvorsitzenden Peter-Kurt Würzbach durchgesetzt hatte, führte Rühe einen erfolgreichen Wahlkampf, der besonders auf die politische Mitte setzte. Die Hoffnung auf eine absolute Mehrheit für die CDU zerschlug sich aber, als die CDU-Parteispendenaffäre aufgedeckt wurde. Fragen zu Rühes Tätigkeit als CDU-Generalsekretär zwischen 1989 und 1992 dominierten nun die politische Berichterstattung in Schleswig-Holstein. Zur Wahl im Jahr 2000 war ist schließlich nichts mehr zu retten, die CDU unterlag der SPD mit 35 zu 43 Prozent. Volker Rühe gab in der Folge auch sein Landtagsmandat zurück, um sich aus der Landespolitik Schleswig-Holsteins zurückzuziehen.

 

Zurück zur Außenpolitik

Stattdessen kehrte Rühe wieder zu seiner großen Leidenschaft, der Außenpolitik, zurück. Im Bundestag, dem er ununterbrochen angehört hatte, wurde er 2002 Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses. Auch in dieser Position blieb er mitunter unbequem. 2002 reiste er ohne Wissen von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) in die USA, um die auf Grund der Position der Bundesregierung zum Zweiten Irakkrieg erschütterten deutsch-amerikanischen Beziehungen zu stabilisieren. Auch sprach er sich schon früh für den Beitritt der Türkei zur EU aus. Als 2005 vorgezogene Bundestagswahlen anstanden, verzichtete Rühe allerdings auf eine erneute Kandidatur, weil er sich mit seinen außenpolitischen Positionen isoliert sah. Fünf Jahre nach seiner Niederlage in Schleswig-Holstein zog sich der mittlerweile 62-Jährige auch aus der Bundespolitik zurück. Auf seine reichen Erfahrungen auf dem politischen Parkett griff er seitdem als Berater verschiedener Gesellschaften und in der Privatwirtschaft zurück.

Knapp zehn Jahre später stellte sich der langjährige Bundestagsabgeordnete noch einmal in den Dienst des Parlaments, als er 2014 zum Leiter der Kommission zur Überprüfung und Sicherung der Parlamentsrechte bei der Mandatierung von Auslandseinsätzen der Bundeswehr. Der Auftrag der Kommission lautete, zu prüfen, wie vor dem Hintergrund fortschreitender militärischer Integration in NATO und EU auch weiterhin die Rechte des Parlamentes gesichert werden können. Ihren Abschlussbericht übergab die Kommission am 16. Juni 2015 an Bundestagspräsident Norbert Lammert.

Volker Rühe ist verheiratet und hat drei Kinder.

Lebenslauf

  • 1962–1968 Studium der Anglistik und Germanistik in Hamburg
  • 1970–1976 Gymnasiallehrer
  • 1970–1976 Abgeordneter in der Hamburgischen Bürgerschaft (CDU)
  • 1976-2005 MdB
  • 1982–1989 stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion
  • 1989–1992 Generalsekretär der CDU
  • 1992–1998 Bundesverteidigungsminister
  • 1998 stellvertretender Parteivorsitzender
  • 1998-2002 stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion
  • 2002-2005 Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Deutschen Bundestages
  • 2014–2015 Leiter der Kommission zur Überprüfung und Sicherung der Parlamentsrechte bei der Mandatierung von Auslandseinsätzen der Bundeswehr

 

Veröffentlichungen

  • Rühe, Volker: Deutschlands Verantwortung. Perspektiven für das neue Europa, Frankfurt a. M. 1994.
  • Die Bundeswehr der Zukunft. In: Marion Dönhoff (Hrsg.): Was steht uns bevor? Mutmaßungen über das 21. Jahrhundert. Aus Anlaß des 80. Geburtstages von Helmut Schmidt. Siedler, Berlin 1999, S. 35–42.
  • Der 11. September 2001. Neues Selbstverständnis amerikanischer Außenpolitik. In: Internationale Politik Bd. 56 (2001), H. 12, S. 37–42.
  • Füreinander wichtig sein: Zeit für Nüchternheit. Die transatlantische Beziehung braucht ein neues Fundament. In: Internationale Politik Bd. 60 (2005), H. 3, S. 58–64.

Literatur

  • Pruys, Karl Hugo: Volker Rühe. Für eine sichere Welt. Ein Porträt, Berlin 1994.
  • Krause-Burger, Sibylle: Härtetest auf der Hardthöhe, in: Die neue Elite. Topmanager und Spitzenpolitiker aus der Nähe gesehen, Düsseldorf 2005.
  • Volker Rühe - in der Mitte Europas. Hrsg. durch das Militärgeschichtliche Forschungsamt. Potsdam 2012. 

 

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