Kinderarmut ist in Deutschland ein wichtiges gesellschaftspolitisches Thema, denn jedes fünfte Kind ist von einem Armutsrisiko betroffen. Das sind 2,9 Millionen Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren. Bundesfamilienministerin Lisa Paus sieht in der geplanten Kindergrundsicherung eine Maßnahme, die durch Reform von Sozialtransfers einkommensarme Familien aus der Armut holen soll. Die Grundsatzfrage, inwieweit monetäre Transferleistungen für einkommensschwache Familien Kinderarmut beseitigen könnten, ist in der Koalition umstritten. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) plädiert für langfristige Kinderarmutslösungen und hält dafür die Integration junger Eltern in Erwerbsarbeit für die wichtigste Grundlage. Der im September 2023 von der Bundesregierung verabschiedete Gesetzentwurf zur Kindergrundsicherung enthält keine Aussagen zu Maßnahmen, die dazu beitragen, erwerbsfähige junge Eltern zur Teilnahme an nachholender Bildung und an Erwerbsarbeit zu fördern.
Drei Faktoren sind von zentraler Bedeutung für die dauerhafte Beseitigung von Kinderarmut:
• Nachhaltige Lösungen müssen erstens alle erwerbsfähigen jungen Eltern zur Teilnahme an Erwerbsarbeit gewinnen. Für Jugendberufsagenturen stellen junge Eltern eine neue und wichtige Zielgruppe dar.
• Erwerbsintegration junger Eltern kann jedoch nur gelingen, wenn in einer Kraftanstrengung auf allen staatlichen Ebenen die überfälligen Investitionen in den qualitativen und quantitativen Ausbau von Institutionen der Betreuung und Bildung für Kinder erfolgen. Zu diesem Schluss kommt auch das Kinderzukunftsprogramms der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.
• Drittens müssen präventive Maßnahmen junge Eltern bei Bedarf in ihren Erziehungs- und Beziehungskompetenzen sowie in ihrer mentalen und physischen Gesundheit stärken. Für diejenigen Eltern, die die deutsche Sprache nicht ausreichend beherrschen, stellt sich die komplexe Aufgabe, Sprachkenntnisse zu verbessern und sich gleichzeitig um Kinder und Haushalt zu kümmern. Hierbei sind sie elementar auf gute Institutionen der Betreuung und Bildung angewiesen
Die Qualifikation von jungen Eltern für die Teilhabe an Erwerbsarbeit ist deshalb so wichtig, da Kinderarmut in erster Linie dann entsteht, wenn Mütter und Väter nicht oder nicht ausreichend an Erwerbsarbeit teilnehmen. Im Jahr 2022 trugen die Hälfte der finanziell abhängigen Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen unter 25 Jahre im Familienhaushalt ein Armutsrisiko, wenn beide Elternteile nicht erwerbstätig waren. Ist mindestens ein Elternteil in Vollzeit erwerbstätig, gilt das nur noch für 8,5 Prozent der finanziell abhängigen jungen Menschen im elterlichen Haushalt. Bei zwei in Vollzeit erwerbstätigen Elternteilen sinkt der Anteil von Kindern und Jugendlichen in Armutsgefährdung auf 6,2 Prozent. Weitere Armutsrisiken bestehen, wenn Elternteile oder Kinder von chronischer Krankheit betroffen sind. Auch alleinerziehende Elternteile, Familien mit drei und mehr Kindern und Familien mit Migrationshintergrund sind überdurchschnittlich häufig von Armutsrisiken betroffen. Allerdings bedeutet ein niedriges Haushaltseinkommen nicht automatisch ein Leben in Armut, sondern erhöht das Risiko für Armut. Die Bewältigungskompetenz von Eltern kann Kinder vor Armut schützen. Hierzu zählen die Fähigkeit, ein knappes Budget für das Kindeswohl optimal zu nutzen, die Pflege positiver persönlicher Beziehungen sowie Empathie für das Kind und Offenheit gegenüber Bildungs- und Beratungsangeboten.