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Die bislang oppositionelle Zentrumspartei unter Anneli Jäätteenmäki, einer 48jährigen Juristin und früheren Ministerin, geht mit einem hauchdünnen Vorsprung von 0,2% vor den bislang regierenden Sozialdemokraten unter Premierminister Paavo Lipponen aus den Parlamentswahlen vom Sonntag hervor.
Nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis erzielte die Zentrumspartei 24,7% (+2,3%) und erhält 55 Mandate (+7), die Sozialdemokraten erreichen 24,5% (+1,6%) und stellen künftig 53 Abgeordnete (+2).
Das EVP-Mitglied Nationale Sammlungspartei (Kokoomus), seit 1987 an verschiedenen Regierungen beteiligt, mußte mit 18,5% (-2,5%) die stärksten Einbußen hinnehmen und stellt im neuen Parlament nur noch 40 Abgeordnete (-6). Stimmen gewonnen, aber Mandate verloren haben die Christdemokraten. Sie kamen auf 5,3% (+1,2%) und erhalten 7 Sitze (-3).
Verloren haben das Linksbündnis, das auf 9,9% (-1%) und 19 Mandate (-1) kam und die schwedische Volkspartei (4,6% und 8 Abgeordnete). Mit einem Anteil von 8% (+0,7%) leicht zulegen konnten die Grünen (14 Mandate), die aus Protest gegen den Bau eines fünften Atomkraftwerkes aus dem Kabinett Lipponen ausgeschieden waren.
Die Wahlbeteiligung lag mit 69,6% geringfügig höher als 1999.
Das neue finnische Parlament hat – wie auch bisher – eine klare Mehrheit in der Mitte, zu der man ohne Mühe auch Paavo Lipponen wird rechnen können. Ob er Premierminister bleibt – auch in Norwegen z.B. stellt nicht die stärkste Partei den Regierungschef – oder mit Anneli Jäätteenmäki erstmals eine Frau an die Spitze gewählt wird, wird das Ergebnis der Koalitionsgespräche zeigen, mit deren offiziellem Beginn nicht vor Montag nächster Woche gerechnet wird.Dabei ist gegenwärtig auch noch offen, wer überhaupt eine notwendig werdende Koalition bilden könnte. Aus Äußerungen von Lipponen vor der Wahl war abgeleitet worden, die Sozialdemokraten stünden einer gemeinsamen Regierung mit dem Zentrum ablehnend gegenüber. Gleiches war aus der Zentrumspartei gegenüber Kokoomus zu hören. Rechnerisch möglich jedenfall werden Koalitionen der linken wie auch der rechten Mitte. Eine Regierung unter Führung der Zentrumspartei dürfte keine einschneidenden Veränderungen gegenüber der jetzigen Wirtschaftspolitik und in der Aussenpolitik zur Folge haben. Allerdings wird Frau Jäätteenmäki ein deutlich kühleres Verhältnis zur EU nachgesagt, als dem jetzigen Regierungschef.
Zunächst jedoch werden die neugebildeten Fraktionen erste personelle und sachliche Festlegungen treffen, dazu zählt bei Kokoomus am Donnerstag die Wahl eines neuen Vorsitzenden, aus – bislang - zwei Bewerbern.
Der Wahlkampf war von gähnender Langeweile und ohne wirklich kontroverse Themen. Neue Antworten fanden die Parteien auch nicht zu den Themen, die die Wähler erkennbar am meisten bedrücken: Die starke Exportabhängigkeit der finnischen Wirtschaft und damit die Folgen nachlassender internationaler Nachfrage. Mit 9,1% ist die im letzten Jahr deutlich angestiegene Arbeitslosenquote im oberen Bereich innerhalb der Länder der EU.
Die „Streitgespräche“ der Spitzenkandidaten im Fernsehen wurden indes eher über den Irak-Konflikt, als zur Innenpolitik geführt. Dabei verstanden es die Parteiführer allerdings zugleich, das strittige Thema NATO-Beitritt Finnlands gemeinsam zu umschiffen, weil keiner der Beteiligten glaubte, von einer öffentlichen Debatte dazu im Moment zu profitieren.
Welches „Maß an Erregung“ der Wahlkampf zu erzeugen vermochte, zeigt die einzige kritische Auseinandersetzung, die ein angeblicher Vermerk des finnischen Aussenministeriums auslöste. Darin wird Präsident Bush mit einem Dank an die finnische Regierung für ihre Haltung im Irak-Konflikt zitiert, die ein „guter Partner“ sei, der sich „der Koalition“ angeschlossen habe. Die Oppositionsführerin Jäätteenmäki kritisierte unter Hinweis darauf die Regierung. Sie habe offenbar bei den USA den Eindruck erzeugt, Mitstreiter im Krieg gegen den Irak zu sein.
Dies wiederum lies Lipponen nicht ruhen. Er rügte die spätere Wahlsiegerin heftig und erklärte, sein Interesse und das Interesse eines kleinen Landes wie Finnland müsse auf eine rasche Beilegung des Konfliktes innerhalb der EU und im transatlantischen Verhältnis gerichtet sein. Im übrigen unterstütze er Kofi Annan und die Rolle der Vereinten Nationen bei der Lösung der Probleme um den Irak.
Statt eines inhaltlichen Wettbewerbs suchten die Parteien über bekannte Personen als Kandidaten Aufmerksamkeit und Stimmen zu erzielen. So traten u.a. für die Zentrumspartei die frühere Schönheitskönigin Tanja Karpela an und für die Partei „Wahre Finnen“ der Berufsboxer Tony Halme. Die Christdemokraten dürften – wie auch schon bei den Wahlen zum Europäischen Parlament – von dem Bekannheitsgrad der Europaabgeordneten und früheren Fernsehjournalistin Eija-Riitta Korhola profitiert haben, die wenige Wochen vor den Wahlen die Rolle der Generalsekretärin übernommen
und zum nationalen Parlament kandidiert hat.
Die starke Personalisierung ist auch Folge des finnischen Wahlsystems. Das Land ist in 15 Wahlkreise aufgeteilt, die Zahl der zu entsendenden Abgeordneten richtet sich nach der Einwohnerzahl. Parteien oder Wahlbündnisse stellen Listen mit mehreren Kandidaten auf, aus denen die Wähler ihre Auswahl treffen können. Gerechnet wird nach d’Hondt. Damit müssen auch Angehörige der selben Partei im Wettbewerb ihr Profil schärfen.
Von den Kokoosmus-Repräsentanten sind wichtige Abgeordnete wiedergewählt worden, so der Parteivorsitzende Ville Itälä in Turku, die Minister Kimmo Sasi in Tampere und der zur jungen Gruppe der KAS zählende Aussenhandelsminister Jari Vilen in Rovaniemi. Einer der wichtigsten jungen Abgeordneten, Jyrki Katainen, kam in seinem Wahlkreis Siilinjärvi ins Parlament.
Sie sind Teil eines jährlichen Treffens junger Parlamentarier aus Finnland, Dänemark, Norwegen, Schweden, den Baltischen Staaten, Polen und Deutschland, zu dem die KAS-Aussenstelle in London im April nach Finnland einlädt. Dann dürften auch die Regierungsbildung und die künftige Ausrichtung Finnland genauer feststehen.