Länderberichte
Vertrauen schaffen, Zuhören, Empathie entwickeln, das sind neue Elemente, die die Kanzlerin in das komplexe Nahost-Geflecht eingebracht hat, und nicht nur das: Es sind die kleinen Schritte, von denen die deutsche Regierungschefin immer wieder gerne spricht, die es ihr ermöglichen, Chancen zu nutzen, Rahmenbedingungen selber zu gestalten und Vorgegebenes auch zu nutzen.
Deutsche Nahostpolitik schafft Vertrauen
In Aqaba am Roten Meer kam es zum mittlerweile dritten Zusammentreffen zwischen Bundeskanzlerin und dem jordanischen König Abdullah II. innerhalb eines Jahres. Gegenstand der politischen Gespräche waren die Chancen der Ergebnisse des zuvor stattfindenden Gipfels der Arabischen Liga in Riad, die Gewalt im Irak, das Nuklearprogramm des Irans und bilaterale Themen. Wie bereits auf ihrer Nahostreise im Februar unterstrich sie ihre positive Einstellung gegenüber der arabischen Friedensinitiative, die 2002 auf dem arabischen Gipfel in Beirut verabschiedet und in Riad erneut bekräftigt wurde. Der jordanische König Abdullah wandte sich darüber hinaus an die iranische Regierung, die die Initiative der arabischen Länder als Chance zum Frieden für die Region begreifen müsste.
Diesen positiven Beitrag nahm sie in den Gesprächen mit dem israelischen Premierminister Ehud Olmert auf, den sie am. April 2007 in Israel traf und der bei dieser Gelegenheit grundsätzlich seine Gesprächsbereitschaft gegenüber gemäßigten arabischen Staaten erklärte. Mehr noch: Olmert lud die moderaten arabischen Staaten zu einer Friedenskonferenz ein, die federführend die Erklärung des Gipfels von Riad forciert hatten. Soeben gesagt, umgehend von arabischen Kritikern wie politischen Gegnern in Israel als Rhetorik verunglimpft, ist eine Strategieänderung in der Region offensichtlich.
Die Politik der kleinen Schritte bewährte sich auch beim Besuch von Mahmoud Abbas, dem Präsidenten der palästinensischen Autonomiebehörde. Dieser verbreitete Optimismus, die Freilassung des von Hamas-Kämpfern gefangen genommenen israelischen Soldaten Gilad Shalit verstärkt voranzutreiben. Auf die Frage des Umgangs mit der neuen Regierung der nationalen Einheit verwies die Bundeskanzlerin erneut auf die Position des Nahost-Quartetts: Erfüllung der internationalen Bedingungen, Anerkennung Israels, Absage an Gewalt und Achtung der geschlossenen Verträge.
Deutsches Engagement willkommen im Libanon
Die letzte Station der Nahostreise der Bundeskanzlerin war Beirut, wo sie die Gelegenheit nutzte, erstmals seit ihrem Amtsantritt deutsche Truppen im Auslandseinsatz zu besuchen sowie hochrangige Regierungsgespräche zu führen. Im Bemühen die Anstrengungen der Regierung Sinioras zu stärken, sprach sie sich dafür aus, das internationale UN-Tribunal zur Aufklärung der Ermordung des ehemaligen libanesischen Premierministers Rafik Hariri schnell einzurichten. Sie unterstrich dabei, die Unabhängigkeit des Landes zu bewahren. Im gleichen Atemzug forderte sie Syrien auf, einen entsprechenden Beitrag dafür zu leisten, diplomatische Beziehungen mit dem Land aufzunehmen, den Grenzverlauf festzuschreiben und grenzüberschreitenden Waffenschmuggel zu unterbinden. Mit Hinblick auf die offene Frage der Shebaa Farmen sprach sich der libanesische Regierungschef dafür aus, schnell eine Einigung auf Grundlage eines VN-Planes zu finden.
Insgesamt waren sowohl der amtierende Premierminister Fouad Siniora als auch der oppositionelle Parlamentssprecher Nabih Berri über den Beitrag Deutschlands zur Erfüllung des Auftrages der UNIFIL Streitkräfte erfreut. Merkel stellte darüber hinaus in Aussicht, nach einer möglichen Anfrage der libanesischen Regierung und der Vereinten Nationen, den im August auslaufenden Einsatz deutscher Marinestreitkräfte zu verlängern.
Politik der kleinen Schritte trägt Früchte in neuer politischer Konstellation
Die Reise der deutschen Regierungschefin und EU-Ratspräsidentin fand im Kontext neuer, für eine Wiederbelebung des Friedensprozesses nicht unbedeutender Entwicklungen statt. Insbesondere der Gipfel der Arabischen Liga in Riad hat zunächst einmal eine neue Dynamik frei gesetzt, so daß Israels Premier Olmert wie auch Kanzlerin Merkel feststellen konnten, es „bewege sich etwas“. Die Frage ist, wohin? Mit der Wiederbelebung des bereits 2002 in Beirut präsentierten Friedensplanes zielen die arabischen Staaten im Kern auf die Gründung eines palästinensischen Staates, den Abzug Israels aus den 1967 besetzten Gebieten einschließlich der Golan-Höhen sowie eine Lösung der Flüchtlingsfrage und bieten dafür Israel Frieden mit der arabischen Welt. König Abdullah von Saudi-Arabien ist sich klar darüber, damit einen Rahmen gesetzt zu haben, dessen exakte Ausgestaltung noch zu definieren ist. Die Wertigkeit des Gipfels von Riad ergibt sich aber nicht allein aus der Wiederholung gut gemeinter Friedenspläne, sondern der Tatsache, daß es gelungen war, Syrien wieder erfolgreich einzubinden. Und genau hier scheint eine für die nächste Zukunft strategische Chance zu liegen: Israel, die USA sowie Europa können versuchen, über die starken und moderaten Kräften innerhalb der arabischen Liga, insbesondere Saudi Arabien, Ägypten und Jordanien, Fortschritte zu erzielen, die bilaterale Gespräche zwischen Israel und der Palästinensischen Autonomie derzeit nicht erzielen können. Dabei geht es auch darum, Präsident Abbas politisch für den Fall zu stärken, daß die Regierungskoalition aus Fatah und Hamas nicht lange hält. Sollte die Regierung scheitern und es zu Neuwahlen kommen, benötigt Abbas politische Erfolge.
Das Zeitfenster zur Umsetzung möglicher erster Schritte auf dem Weg zur Wiederbelebung des Friedensprozesses wird von Experten derzeit auf bis zu acht Monate geschätzt, bis zum Beginn des Präsidentschaftswahlkampfes in den USA. Daß der bereits begonnen hat und aus diesem noch Überraschungen erwachsen können, zeigte zuletzt die Reise von Nancy Pelosi, Sprecherin des US-Repräsentantenhauses nach Syrien. „Der Weg zur Lösung des Libanon Problems führt über Damaskus“, erklärte sie in der syrischen Hauptstadt, also dürfe man keine Umwege machen. Vom Weißen Haus als unverantwortlich und kontraproduktiv bezeichnet, erklärte Pelosi unbeeindruckt, daß sie mit dieser Reise neues „Vertrauen schaffen“ wolle.