Veranstaltungsberichte
- Handlungsempfehlungen an die europäische Politik
- Europäische Solidarität beweisen, gemeinsam handeln
- Die Europäische Union sollte ihre humanitären Hilfsleistungen erweitern und besser koordinieren. Nachbarländer, die bereits große Bürden wegen der aktuellen Konfliktsituation auf sich nehmen, müssen stärker unterstützt werden. Ein triangulärer Dialog zwischen Europa, der Levante und dem Golf ist dabei unausweichlich.
- Die Aufnahme von Flüchtlingen sollte nicht eingeschränkt, sondern vielmehr zu Gunsten eines gerechten Verteilungssystems, welches alle europäischen Länder einschließt, erweitert werden. Nur so ließe sich eine nachhaltige Destabilisierung von Ländern wie Jordanien und dem Libanon vermeiden. Die Mitgliedsstaaten der EU sollten daher über die Ablösung der Dublin-Verordnungen diskutieren und sich darauf konzentrieren, eine Einigung hinsichtlich eines gerechten Verteilungsschlüssels zu erzielen, der unter anderem im Rahmen der Kapazitäten der entsprechenden Mitgliedsstaaten liegt.
- Gefährliche Überfahrten von Flüchtlingen nach Europa und Schlepperbanden sind ein weiteres Problem, das angegangen werden muss. Es bedarf es eines generellen Umdenkens in Bezug auf Visabestimmungen, um einen sicheren Weg für Flüchtlinge nach Europa zu gewährleisten. In diesem Zusammenhang könnte über die Einrichtung eines temporären „humanitären Schengen-Visa“ verhandelt werden, für welches Flüchtlinge sich in den regionalen Nachbarstaaten der Konfliktherde, etwa bei Botschaften oder entsprechend eingeführten Einrichtungen, auf legalem wie sicherem Weg bewerben könnten. Ein sicherer Transport könnte, nachdem dem Antrag stattgegeben worden ist, für die entsprechende Person von europäischer oder staatlicher Seite aus organisiert werden.
- Während ein sogenanntes humanitäres Visum als kurzfristige Strategie zur Einschränkung illegaler Einwanderung genutzt werden könnte, sollten auch längerfristige Maßnahmen im Zuge der Entwicklungen der letzten Jahre nicht außer Acht gelassen werden. Insbesondere die europäischen Experten sprachen sich daher für die Etablierung einer supranationalen EU-Agentur aus, die spezifisch für das Feld Migration, Asyl und Sicherheit zuständig sein und weitreichende Koordinierungsbefugnisse haben soll, um europaweite Entscheidungen über Asylanträge treffen zu können. Auch die Konzeption, Implementierung und Überwachung der EU-Zusammenarbeit mit Drittstaaten sollte verbessert werden. Eine europäische Migrations- und Asylagentur könnte der Kooperation auch hier dienlich sein, da sie Projekte auf den verschiedenen Ebenen besser koordinieren und als ein direkter Ansprechpartner für Drittstaaten fungieren könnte.
- Ferner betonten die Konferenzteilnehmer, dass die europäische Staatengemeinschaft sich längerfristig in die Finanzierung von krisenrelevanten UN-Organisationen einbringt. Ein Auslöser der Flüchtlingskrise war schließlich die Kürzung der Mittel für das World Food Programme im Jahr 2015, da westliche Regierungen nur teilweise ihrem Zahlungsauftrag nachgekommen waren, die Gelder für das Programm aber bei Weitem nicht ausreichten. Dieser Umstand resultierte darin, dass im Mai 2015 mehr als die Hälfte der syrischen Flüchtlinge im Libanon nicht ausreichend Nahrungsmittel zum Überleben hatten. Damit eine solche Situation in Zukunft abgewendet werden kann, müssen unter anderem die europäischen Regierungen einen besseren Beitrag zum Notbudget des UNHCR leisten.
Der größte Fehler in der Bewältigung der Flüchtlingskrise sei jedoch damit begangen worden, dass dem Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen die Bereitstellung an Geldmitteln reduziert wurde – pro Person von 28 auf 13 Dollar im Monat. Die Situation vieler Flüchtlinge in den Auffanglagern in Jordanien, der Türkei und im Libanon war folglich unerträglich, was die Menschen gezwungen hätte, sich auf den äußert gefährlichen Weg nach Europa aufzumachen. Ausbleibende Ernährungsrationen seien schließlich der Hauptauslöser für Weiterwanderung. Hier seien die USA, die Golf-Staaten und Europa gefragt, um solche Geldkürzungen zu verhindern. Ein Schritt in die richtige Richtung sei die Einigung des EU-Flüchtlingsfonds für die Türkei gewesen, um eines der Hauptaufnahmeländer nachhaltig zu entlasten und in der medizinischen und weiteren humanitären Versorgung deutlich unter die Arme zu greifen. Jede der drei Regionen – Europa, die Levante und die Golf-Staaten – trage ihre entsprechende Verantwortung. Während Europa versuche, die Levante zu entlasten, müsse es von den Golf-Staaten zeitgleich verstärkten Einsatz einfordern.
1. Sitzung: Bestandsaufnahme der Ursachen einer Flüchtlingskrise ohne Grenzen
Doch bevor die Lastenverteilung thematisiert wurde, ging es den Konferenzteilnehmern zunächst darum, die Fluchtursachen schlechthin in den Fokus der Öffentlichkeit zu rücken: den Bürgerkrieg in Syrien. Das Ausmaß der Zerstörung wird dort immer dramatischer, über die Hälfte der Bevölkerung befindet sich auf der Flucht, insbesondere als Binnenflüchtlinge. Ein Ende des Konflikts scheine hingegen derzeit nicht absehbar, welches das Gefühl der Perspektivlosigkeit im eigenen Land verstärke und weitere Syrer dazu bewegen werde, sich in die Nachbarländer und nach Europa aufzumachen. Doch nicht nur die gefährliche Sicherheitslage und die drastisch gestiegenen Lebensmittelpreise sind Motive für die Flucht aus Syrien: Ein syrischer Konferenzteilnehmer sieht vor allem in den fehlenden Bildungsperspektiven in seinem Heimatland einen Hauptgrund hierfür. „Wenn Menschen keinen Weg finden, ihren Kindern Bildungsmöglichkeiten zu bieten, nehmen sie die Dinge selbst in die Hand und fliehen, um ihren Kindern eine bessere Zukunft bieten zu können.“
Daher wiesen die Experten im Bereich der humanitären Hilfe darauf hin, dass die syrische Bevölkerung vor Ort, auf lokaler Ebene, insbesondere im Gesundheits- und Bildungsbereich von humanitären Organisationen unterstützt werden müsse. Zusätzlich müssten einkommensgenerierende Maßnahmen vor Ort gefördert werden, um weitgehend eine Selbstversorgung und damit wirtschaftliche Unabhängigkeit von internationalen Organisationen zu erzielen. Alle Referenten waren sich allerdings einig, dass die Flüchtlingskrise nur beizulegen sei, wenn eine politische Lösung zur Beendigung des Konflikts in Syrien gefunden werde. Dieser direkte Zusammenhang zwischen dem syrischen Bürgerkrieg und der internationalen Flüchtlingskrise sei von der Politik und auch den Medien in Europa lange verkannt worden. Der Konflikt schien weit entfernt und ist erst kürzlich auf die internationalen sowie die nationalen politischen Tagesordnungen gerückt. Eine nachhaltige Friedenslösung in Syrien, die von allen Konfliktparteien unterstützt wird, müsse dabei vor allem auch längerfristige Strategien für den Aufbau des Landes umfassen, denn die Entwicklung von Zukunftsperspektiven sei entscheidend für die Rückkehr syrischer Flüchtlinge.
Die Lage in den syrischen Nachbarstaaten wird gleichzeitig immer prekärer für die Flüchtlinge, was eine weitere Ursache für die – erneute – Flucht darstellt, wobei Europa und insbesondere Deutschland als „sicherer Hafen“ wahrgenommen werden, die zumindest die Chance auf ein besseres Leben bieten. Zentrale Motive für die teure und gefährliche Flucht seien dabei laut der Referenten die fehlende Integration und Würde in den Erstaufnahmeländern: Ohne jede Möglichkeit, einer legalen Arbeit nachzugehen und sich damit ihren Lebensunterhalt zu finanzieren, seien die Flüchtlinge in den Nachbarländern zu Syrien auf die Unterstützung der internationalen Gemeinschaft angewiesen. Doch die Organisationen der Vereinten Nationen seien nur unzureichend finanziert und eine „Spendermüdigkeit“ internationaler Geldgeber gefährde die Implementierung von Programmen zur Versorgung von Grundbedürfnissen. Gleichzeitig fehlen langfristige Perspektiven in den Erstaufnahmeländern, die Folge sei eine Spirale aus Armut und Abhängigkeiten.
Die Teilnehmer plädierten in diesem Zusammenhang für die Schaffung von Arbeits- und Bildungsmöglichkeiten für syrische Flüchtlinge und unterstrichen die Notwendigkeit der Sicherung einer ausreichenden Versorgung mit Nahrungsmitteln, sowie der Bereitstellung einer adäquaten Gesundheitsversorgung. Darüber hinaus forderten Vertreter der humanitären Organisationen zu einem Umdenken bei der humanitären Hilfe auf: Organisationen müssten sich insgesamt stärker abstimmen und miteinander kooperieren. Zudem müsse die bisherige Arbeit, die sich insbesondere an der Nothilfe orientiert habe, umgedacht werden und stärker an die Lebenswirklichkeit angepasst werden: „Wir müssen den Flüchtlingen einen Weg zur Selbsthilfe aufzeigen und ihnen ihre Würde zurückgeben“, so ein Mitarbeiter bei ECHO in Jordanien.
2. Sitzung: Lasten allein nicht zu schultern – Jordanien, der Libanon, die Türkei, der Irak und Ägypten an der Grenze ihrer Belastbarkeit?
Zur Realität zählt auch, dass alleine die Türkei, der Libanon, Jordanien, der Irak sowie Ägypten mehr als vier Millionen Flüchtlinge aus Syrien aufgenommen haben. Im zweiten Konferenzpanel sollte es daher um eine Bestandsaufnahme der aktuellen Krise im Nahen Osten gehen: Mit 1,2 Millionen im Libanon ist damit jeder fünfte Einwohner in dem kleinen Zedernstaat syrischer Flüchtling. 650.000 Syrer in Jordanien stellen 10% der Bevölkerung dar, und in der Türkei beläuft sich die Zahl syrischer Flüchtlinge auf 1,9 Millionen. Auch der Irak mit rund 250.000 (zusätzlich zur Aufnahme von drei Millionen Binnenflüchtlingen) und Ägypten mit mehr als 130.000 syrischen Flüchtlingen spielen eine wichtige. Die Hauptlast der Flüchtlingskrise tragen somit zurzeit eindeutig die wirtschaftlich schwächer entwickelten Nachbarstaaten Syriens und nicht etwa Europa. So stark die Belastung auf allen Seiten ist, so unterschiedlich gehen jedoch die Nachbarstaaten mit den syrischen Flüchtlingen um: In Jordanien etwa gibt es zwei offizielle Flüchtlingscamps für syrische Flüchtlinge, während der Libanon sich aufgrund der Erfahrungen mit palästinensischen Flüchtlingen gegen die Einrichtung von offiziellen Camps verwehrt. Die Referenten, Experten aus Jordanien, dem Libanon, dem Irak und der Türkei, wiesen darauf hin, dass der spät eingesetzte Registrierungsprozess in den jeweiligen Ländern dazu geführt habe, dass viele Flüchtlinge nicht offiziell erfasst seien und dadurch ein genauer Überblick über die Flüchtlingszahlen fehle. Die Auswirkungen des Flüchtlingsstroms seien auf den Staatshaushalt, die Wirtschaft und Infrastruktur, einschließlich des Gesundheits- und Bildungssystem, die Müllentsorgung und Wasserversorgung in den zumeist ressourcenarmen Erstaufnahmeländern deutlich spürbar. Insbesondere Schulen und Krankenhäuser seien überlastet. Zudem bestehe die Gefahr der Steigerung der Kriminalitätsrate. Sie kritisierten, dass dringend erforderliche Strategien zum längerfristigen Umgang mit den Flüchtlingen fehlen würden. Insbesondere die Frage nach der Integration in den Arbeitsmarkt werde dabei in den verschiedenen Ländern sehr kontrovers diskutiert. Einig waren sich die Referenten in ihrer Forderung nach einer größeren Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft, insbesondere bei der Entwicklung von nachhaltigen Wirtschaftsprojekten und beim Ausbau der Infrastruktur. Auch seien erhöhte Investitionen in den Arbeitsmarkt durch die Privatwirtschaft nötig. Eine Beraterin im libanesischen Ministerium für Soziales sprach sich für einen langfristigen Aktionsplan zwischen der Regierung, UN-Organisationen und nationalen NGOs aus, um Hilfsmaßnahmen besser zu koordinieren.
3. Sitzung: Jemens vergessener Konflikt – wird die südliche Spitze der Arabischen Halbinsel zum neuen Syrien?
Gleiches wurde im dritten Panel auch für den „vergessenen Konflikt“ im Jemen gefordert. Denn lange Zeit versäumte es die Staatengemeinschaft, in den zusehends eskalierenden Auseinandersetzungen zwischen den Houthi-Rebellen und der unter Führung Saudi-Arabiens stehenden arabischen Koalition, welche die jemenitische Exilregierung unterstützt, zu vermitteln. Seit Ausbruch der Kampfhandlungen im März 2015 sind mehr als 6.500 Menschen getötet, circa 1 Millionen verletzt und um die 2,5 Millionen Jemeniten zu Binnenflüchtlingen geworden. Die humanitäre Situation ist durch die Luftanschläge, Blockaden und die andauernden Gefechte katastrophal: rund 80 Prozent der Bevölkerung seien mittlerweile auf Nahrungsmittelhilfen angewiesen, so ein Experte. Insbesondere die zerstörte Infrastruktur des Landes und die angespannte Sicherheitslage erschwert en die Arbeit lokaler Hilfsorganisationen zunehmend.
Um das Leid zu lindern, müsse die Koordination zwischen den Hilfsorganisationen signifikant verbessert werden und weit mehr Unterstützung an lokale humanitäre Partner fließen. Dennoch, so waren sich die Experten einig, sei anders als in Syrien noch kein Massenexodus aus dem Jemen zu erwarten. Denn die Mehrheit der jemenitischen Bevölkerung wolle trotz der fortschreitenden Auseinandersetzungen, immer noch in ihrem Heimatland bleiben. Dennoch müsse alles daran gesetzt werden, den bestehenden Konflikt beizulegen. Dies sei naturgemäß keine leichte Aufgabe, da eine Varietät aus strukturellen wie politischen Faktoren und die Einmischung von regionalen Akteuren das Gewaltpotential zusätzlich anheize. Insbesondere Saudi-Arabiens zwiespältige Rolle wurde in diesem Zusammenhang von den Panellisten aus dem Jemen, Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten ausführlich diskutiert. Von jemenitischer Seite wurde insbesondere die Forderung vorgetragen, dass Saudi-Arabien mehr Verantwortung für die humanitäre Situation im Jemen übernehmen müsse. Einer der Diskutanten aus dem Golf argumentierte hingegen, dass die saudische Regierung bereits vieles unternehme, um den Konflikt beizulegen und die Leiden der jemenitischen Zivilbevölkerung so gering wie möglich zu halten. So seien beispielsweise in einem Jahr rund zwei Millionen Jemeniten als „Gäste“ im Königreich aufgenommen worden, während das King Salman Center versuche, die Hilfe für die Menschen in den Kampfregionen des Jemen auszubauen und besser zu koordinieren. Trotz aller Streitigkeiten waren sich die Panellisten darüber einig, dass die derzeitigen Anstrengungen nicht ausreichten, um die Lage zu entschärfen und das Machtvakuum, welches zurzeit im fragilen jemenitischen Staat entstehe, bedeutend zu bekämpfen.
In diesem Kontext warnte ein Diskutant, dass jenes Machtvakuum im Moment vor allem durch islamistische Milizen gefüllt werde, die nach Abzug der Houthis, die Kontrolle übernehmen könnten. Allein schon vor dem Hintergrund der neuen, konsequenteren Bestrebungen zur Terrorbekämpfung müsse die Krise im Jemen daher stärker in den Fokus und auf die politische Agenda der Staatengemeinschaft gerückt werden. Dementsprechend müsste desgleichen der Druck auf die entsprechenden Konfliktparteien ausgeübt werden, um die derzeitigen Friedensgespräche nicht abbrechen zu lassen. Auch sollten Programme zur Unterstützung von staatlichen Akteuren aufgesetzt werden, da lokale politische Akteure vor Ort oftmals unerfahren und mit der aktuellen Situation überfordert seien. In Kooperation mit der jemenitischen Regierung könnten des Weiteren partnerschaftliche Programme in Bezug auf lokale Governance-Initiativen gestartet werden, um durch die Zusammenarbeit mit provinziellen Beamten den Einfluss islamistischer Gruppierungen einzugrenzen. Hinzu könnte, unter Führung der Vereinten Nationen, eine internationale Mandatstruppe nach Einstellung der Kampfeshandlungen die Transition des Landes und dessen Neugestaltung in einem zeitlich begrenzten Rahmen überwachen und zur Stabilisierung der Lage beitragen, so der Vorschlag einiger Experten.
Über die politische Zukunft des Landes beratend, befürworteten die Experten ein föderales politisches System mit spezifischen politischen wie religiösen autonomen Rechten für den Jemen. Eine weitere Idee, die eingebracht wurde, war die Aufsetzung eines massiven Wiederaufbauplanes für den Jemen, welche mithilfe eines durch den Golfkooperationsrat aufgesetzten Fonds finanziert werden könnte. Daneben, so waren sich alle Experten einig, müssten im Moment – als kurzfristige politische Maßnahme – die Hilfsmittel für den Jemen erheblich erhöht werden, um eine Implosion des Landes, wie in Syrien, unter allen Umständen zu unterbinden.
4. Sitzung: Europa und der Golf – unfreiwilliger Hort der Zuflucht oder letzter Retter in der Not?
Doch nicht nur in Bezug auf den Jemen, sondern auch im Fall von Syrien und Irak werden Stimmen nach mehr Verantwortungsübernahme aus dem Golf laut. Während neben europäischen Staaten insbesondere kleine und in ihren Mitteln begrenzte arabische Länder, wie Jordanien und der Libanon, unzählige Flüchtlinge bei sich aufnehmen, zeigen sich die reichen Golf-Staaten eher zurückhaltend – so der Fokus des vierten Konferenzpanels. Von verschiedenster Seite wird daher Kritik an den Ländern der arabischen Halbinsel geübt, Unverständnis über ihr zögerliches Handeln geäußert und ihnen zudem mangelnde Solidarität vorgeworfen. So wurde darauf verwiesen, dass Saudi-Arabien, die Vereinigte Arabische Emirate, Kuwait, Oman, Katar und Bahrain die optimalen Bedingungen und den Raum hätten, um viele Flüchtlinge aufzunehmen, sind die arabischen Staaten am Golf doch dünnbesiedelt und haben genügend finanzielle Ressourcen. Schließlich lägen die Durchschnittslöhne der Länder sogar über europäischem Niveau und die relativ kleinen Bevölkerungen der Golfregion leben in großem Wohlstand. Zudem stünden sie, von einem, kulturellen, religiösen wie sprachlichen Aspekt ausgehend, den syrischen Flüchtlingen letztlich auch mit am Nächsten.
Die Beweggründe dafür, dass die Länder des GKR dennoch keine Flüchtlinge aufnehmen, seien facettenreich, so die Panellisten. Im Vordergrund stünden jedoch vor allem sicherheitspolitische Bedenken. Ein prägendes Merkmal der Golf-Staaten ist nämlich ihr gewaltiger Ausländeranteil in der ansässigen Bevölkerung: In Saudi-Arabien kommen in etwa 30 Prozent der Menschen aus anderen Ländern und Kulturen, in den kleineren Golf-Staaten, wie den Vereinigten Arabischen Emiraten oder Katar, seien sogar nur 10 Prozent der Bevölkerung Einheimische. Viele Ausländer sind des Weiteren Gastarbeiter, die aus Südostasien, wie Indien, den Philippinen oder Indonesien, aber auch den USA und Europa stammen. Die Golfländer fürchten daher eine noch stärkere Überfremdung ihrer Gesellschaften, würden Flüchtlinge auf unbestimmte Zeit aufgenommen werden. Ferner befürchten sie, dass durch die Aufnahme schneller soziale Unruhen – auch vor dem Hintergrund höherer Lebenshaltungskosten als in anderen Ländern – entstehen könnten. Folglich, so argumentieren sie, sei es sinnvoller, wenn Flüchtlinge in Aufnahmeländern wie den Libanon oder Jordanien gingen, wo die Lebensverhältnisse sich im Vergleich ähnelten. Daher sind in den letzten Jahren die Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen in den einzelnen Ländern am Golf auch zusätzlich verschärft worden. Die extremistischen Anschläge der letzten Jahre hätten zudem gezeigt, dass der Terrorismus auch vor der arabischen Halbinsel nicht Halt mache. Es wurde demnach betont, dass jene Vorkommnisse die Besorgnis der Regierungen der einzelnen Golfländer verstärken würden. Der oftmals kritisierte Mangel an Solidarität sei infolgedessen vielmehr die Sorge vor einer massiven Bedrohung der nationalen Sicherheit auf der arabischen Halbinsel.
Experten aus dem Golf lenkten wiederum ein, dass die Golf-Staaten ihre Hilfe nicht gänzlich verwehren würden. Insbesondere über direkte, humanitäre Kanäle sowie Spenden würden sich die Staaten des Golfkooperationsrates schließlich immens engagieren. So würden alle Regierungen vom Golf überaus großzügig an die Vereinten Nationen spenden und durch ihre nationalen Hilfsorganisationen, wie die katarische Rote-Halbmondgesellschaft, humanitäre Hilfe leisten, mit welcher syrische Flüchtlinge in Jordanien, dem Libanon und der Türkei erfolgreich versorgt würden.
Abschließend betonten die Entscheidungsträger, politische Analysten und Vertreter humanitärer Organisationen aus Europa, der Levante und dem Golf noch einmal, dass die Migrations- und Flüchtlingsproblematik keine nationalen Grenzen kenne und nur durch gemeinsame Bemühungen gelöst werden könne. Zu lange trugen alleine Jordanien, der Libanon und die Türkei die humanitäre Verantwortung. Nicht außer Acht dürfe auch der Konflikt im Jemen gelassen werden, welcher langfristig die Gefahr neuer, dramatischer Flüchtlingswellen birgt, auch wenn die Jemeniten bisher mehrheitlich als Binnenflüchtlinge in ihrem Land geblieben sind.