Länderberichte
Yar' Adua erhielt 24,6 Mio. der abgegebenen Stimmen. An zweiter Stelle liegt Exgeneral Muhammadu Buhari (ANPP, All Nigerian Peoples Party) mit 6,2 Mio. Stimmen. Der gegenwärtige Vizepräsident, Atiku Abubakar, dessen Zulassung zur Kandidatur in letzter Minute von den Gerichten entschieden wurde, erhielt mit seinem AC (Action Congress) 2,6 Mio. Stimmen. Die restlichen über 20 Kandidaten waren praktisch irrelevant. Insgesamt 60 Mio. Wähler waren registriert. Nach diesen Zahlen hat etwa die Hälfte gewählt.
Vielfache Kritik an der Wahl
Iwu nannte die Wahlen frei und fair. Der Leiter der 150 Personen starken EU-Beobachtergruppe van den Berg stellte dagegen fest: „Die Wahlen erfüllen die Hoffnungen und Erwartungen des nigerianischen Volkes nicht und genügen grundlegenden internationalen Maßstäben nicht. Ich bin sehr enttäuscht. Der Prozess kann nicht als glaubwürdig bezeichnet werden“. Die EU hatte die Wahlen mit über 40 Mio. EURO unterstützt.
Schlechte Organisation, fehlende Transparenz, deutliche Beweise für Betrug, angeheuerte Schlägertruppen etc. werden moniert.
Die Leiter der Delegation des Europäischen Parlamentes, Attard-Montalto und Agnoletto, stimmen van den Berg zu und ergänzen: „Zwei Dinge wurden deutlich: Die Unfähigkeit von INEC, den Prozeß effizient zu gestalten, und die Entschlossenheit der Nigerianer, ihre Stimme abzugeben.“
So oder ähnlich äußern sich auch viele andere, z. B. die nigerianische Transition Monitoring Group. Einige verlangen eine Wiederholung der Wahlen. Der unterlegene Präsidentschaftskandidat hat angekündigt, seine „Leute auf die Straße zu schicken“. Unruhen sind zu befürchten.
Gewaltsame Zwischenfälle
Wie schon am Samstag zuvor bei den Gouverneurswahlen kam es zu vielen Zwischenfällen mit zahlreichen Toten, Überfällen auf Wahlstationen (z. B. wurden Wahlbeamte von als Polizisten verkleideten Schwerbewaffneten entführt), und trivialeren, typisch nigerianischen Pannen: Wahlstationen öffneten Stunden verspätet, Wahlzettel fehlten etc.
Ein Höhepunkt selbst für hiesige Verhältnisse war der glücklicherweise fehlgeschlagene Versuch, mit einem Tanklastwagen das Gebäude der Wahlkommision zu sprengen.
Kommentatoren im Fernsehen beanspruchen dennoch selbstbewußt für Nigeria die „Position Nummer 1 in Afrika“ und erklären ihr Land als „greatest country on earth“. Patriotismus ist lobenswert, Realitätsverlust behindert den Lernprozeß.
Aussichten
Die Amtsübergabe von Präsident Obasanjo an seinen von ihm selbst ausgesuchten Nachfolger ist am 29. Mai. Niemand ist der Meinung, Yar Adua sei eine schlechte Wahl. Er gilt als unbestechlich und fleißig und steht nicht in Verdacht, das Land islamisch zu radikalisieren. Anlaß zur Sorge geben könnte sein unklarer Gesundheitszustand. Wäre er ein schwacher Präsident, verlöre das Land wichtige Jahre. Sollte er vorzeitig aus dem Amt scheiden, würde sein künftiger Vize, Gouverneur Jonathan Goodluck, ein Angehöriger des Stammes der Ijaw aus dem Nigerdelta im Süden, ein Christ, sein Nachfolger. Wenn auch der Wahlprozeß mit vielen Fehlern behaftet sein mag, mit seinem Ergebnis wird Nigeria vermutlich leben können.
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