Veranstaltungsberichte
Durch die protektionistisch ausgerichtete Haltung der neuen US-Regierung haben die traditionell engen politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen dem Osten und Westen Eurasiens einen weiteren Auftrieb erfahren. Nachhaltigkeit – in ökonomischer wie ökologischer Hinsicht – ist das Schlagwort, das sich beide Regionen auf die Fahne geschrieben haben und, wie zuletzt im Weltwirtschaftsforum Davos 2016 bekräftigt, gemeinsam angehen möchten. Doch unterscheiden sich die Wirtschaftssysteme und die politischen Ordnungen nach wie vor stark. Der Workshop zielte darauf ab, den Wettbewerb um neue Ideen zwischen beiden Regionen zu befördern.
Auf der Veranstaltung sprachen auch mehrere hochrangige europäische Diplomaten. Frau Madeleine Majorenko, Leiterin des Europäischen Wirtschafts- und Handelsbüros in Taiwan, betonte in ihrem Impulsvortrag die wegweisende Pionierrolle der EU in der Energie- und Klimapolitik. Herr Martin Eberts, Leiter des deutschen Instituts Taipei stellte den gegenwärtigen Stand und das große Potenzial der wirtschaftlichen und energiepolitischen Kooperation Taiwans mit Deutschland dar.
In den thematischen Sitzungen des Workshops stellten Experten und Praktiker ihre Forschungsergebnisse, Erfahrungen und Konzepte vor. Die Teilnehmer nutzen die anschließenden Diskussionsrunden für einen lebhaften Austausch von Argumenten und Empfehlungen. Die Vorträge und Diskussionen behandelten einen breit gefächerten Themenkomplex, der sich auf folgende wesentliche Fragen der zukünftigen Kooperation zwischen Asien und Europa stützte:
- A) Nachhaltige Entwicklung: Welche Implikationen für die transeurasische Kooperation ergeben sich aus der aktuellen weltpolitischen Lage? Wie können beide Seiten trotz politischer Differenzen bestehende Hemmnisse überwinden und gemeinsame Aspekte fördern? Was sind die Möglichkeiten und Einschränkungen grüner Investitionen?
- B) Neue Seidenstraße: Was für Potenziale ergeben sich aus dem Projekt „One belt – one road“ für die Regionen an beiden Enden? Wie kann Europa sich gegenüber China artikulieren, um von der Strukturachse zu profitieren und seine Interessen einzubringen? Welche konkreten diplomatischen, regulatorischen und technischen Herausforderungen gilt es anzugehen?
- C) Energiepolitik: Lassen sich Konzepte der deutschen Energiewende auf Länder in Ostasien übertragen und in welcher Weise? Was bedeuten Chinas Ambitionen in der nuklearen Energieerzeugung für Europa? Welche Auswirkungen haben ausländische Investitionen auf den Energiebedarf der chinesischen Wirtschaft?
- D) Klimaschutz und Urbanisierung: Verlaufen die Modelle nachhaltiger Stadtplanung in China erfolgreich? Welche Erfahrungen können asiatische Städte aus Europa lernen? Wie könnte ein Weg hin zu flächendeckender Elektromobilität in der Volksrepublik aussehen?
Zu B: Die neue Seidenstraße reicht wie ihr historisches Vorbild von China bis Europa. Wie in Zentralasien investiert die chinesische Regierung nun auch in ost- und ostmitteleuropäischen Ländern in dortige Infrastrukturprojekte und erwartet dafür einen privilegierten Zugang zu lokalen Märkten. Die EU soll zum Endpunkt leistungsfähiger Schienenverbindung nach Ostasien werden. Im Rahmen von „One belt – one road“-Inititative wird der Austausch von Personen, Gütern und Kapital, aber auch von good practices intensiver denn je werden. Außerhalb der Seidenstraßen-Initiative spielt die EU in der chinesischen außenpolitischen Wahrnehmung aktuell keine große Rolle, wie eine Analyse der Medien zeigt. China betrachtet eher einzelne europäische Länder wie Deutschland oder Frankreich als ernstzunehmende Partner.
Zu C: Die Energiewende wird von Asien aus mit großem Interesse verfolgt. Die Länder der Region begrüßen die Pionierrolle Deutschlands, zweifeln jedoch an einer Umsetzbarkeit innerhalb Asiens. Taiwan hat sich offiziell das deutsche Projekt zum Vorbild genommen. Ob die Liberalisierung der Energiewirtschaft jedoch, wie von der Regierung behauptet, die erneuerbaren Energien fördert, ist fraglich. Neben der Übernahme von Konzepten hat auch der Transfer von Kapital nach Asien positive Auswirkungen auf den chinesischen Energiesektor, wie die Forschung eines Workshopteilnehmers zeigte. Fabriken im Norden Chinas, die mit ausländischen Investitionen aufgebaut werden, haben einen signifikant niedrigeren Energieverbrauch als ihre lokal finanzierten Pendants.
Zu D: Die vergangenen Fünfjahresplänen haben anspruchsvolle Klimaschutzziele auch in China vorgegeben udn verschiedene Pilotprojekte nachhaltiger bzw. emissionsarmer Siedlungen sind in der Umsetzung. Sehr ambitioniert sind Ansätze u.a. in Shenzhen und Ningbo – beides Städte mit internationalen Häfen, wo China auf eine entsprechende Außenwirkung hoffen darf. Einen ähnlichen Ansatz verfolgen Projekte kleineren Maßstabs in zahlreichen Städten Chinas, die neben staatlichen Behörden teilweise auch von Nichtregierungsorganisationen wie dem WWF initiiert werden. Es zeigte sich jedoch, dass die Koordination zwischen den ausführenden Verwaltungen und der Bevölkerung noch nicht ausgereift ist. Auch der Verkehr steht im Fokus chinesischer Initiativen. Häfen setzen sich ihre eigenen Ziele zur Minderung von Emissionen. Ein Netz öffentlicher Ladestellen für Elektroautos soll durch Public-Private Partnerships verwirklicht werden.
Zur Abrundung des Workshops luden RECAP und UACES gemeinsam mit der Europäischen Handelskammer in Taiwan zu einem Mittagsgespräch ein, in dem Vertreter der Wirtschaft anhand praktischer Beispiele ihre Sichtweisen auf Potenzial und Herausforderungen einer engeren Kooperation zwischen beiden Kontinenten darlegten. Einen ausführlichen Bericht dazu finden Sie hier.