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Der Irak als Energiepartner?

von Lucas Lamberty

Globale Energieengpässe als Machtinstrument

Deutschland sucht seit Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine nach Möglichkeiten, seine Energieimporte zu diversifizieren. Der Irak verfügt im Bereich der fossilen Energiestoffe wie Erdöl und Erdgas über weitreichende Ressourcen. Bislang sind die Verbindungen zwischen Berlin und Bagdad im Energiebereich allerdings schwach – ein Umstand, der sich auch in naher Zukunft kaum ändern lässt. Dennoch sollte sich Deutschland für eine stärkere Partnerschaft mit dem Land in dem Bereich einsetzen.

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Im Januar 2023 besuchte der irakische Ministerpräsident Mohammed Shia al-Sudani Berlin. Im Gespräch mit Bundeskanzler Olaf Scholz standen auch mögliche Erdgaslieferungen aus dem Irak nach Deutschland auf der Agenda.[1] In Folge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine ist die Bundesrepublik darauf angewiesen, seine Energiezufuhr zu diversifizieren. Entsprechend groß ist das Interesse in Berlin, neue Bezugsquellen zu identifizieren. Aus diesem Grund hatte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck bereits im März 2022 Katar und die Vereinigten Arabischen Emirate besucht.

Der Irak ist international einer der maßgeblichen Akteure im Bereich der Gewinnung fossiler Energiestoffe. Das Land verfügt über die fünftgrößten Erdölreserven der Welt und ist Gründungsmitglied der OPEC.[2] Bei den globalen Erdgasreserven liegt der Irak auf Platz zwölf.[3] Damit ist der Irak auch für Deutschland ein potenziell interessanter Partner mit Blick auf die Diversifizierung von Energieimporten und der Reduzierung der deutschen Vulnerabilitäten im Energiebereich.

 

Iraks Kapazitäten im Energiebereich

Ein Blick auf die Struktur des irakischen Energiesektors zeigt zweierlei: Erstens gibt es aktuell kaum größere Berührungspunkte zwischen dem Irak und Deutschland im Energiebereich; zweitens ist der Irak mit Blick auf seinen Energiemarkt selbst erheblichen Vulnerabilitäten unterworfen.

Auf den ersten Plätzen der irakischen Erdölexporte liegen China und Indien mit je etwa einem Drittel der exportierten Kapazitäten.[4] Dahinter folgen Griechenland mit circa elf Prozent und Italien mit etwa sechs Prozent. Deutschland importiert kaum Erdöl aus dem Irak. Auch die USA importieren nur vier Prozent des irakischen Erdöls. Entsprechend gering ist die Verknüpfung zwischen Europa und dem Irak in diesem Bereich – und umso stärker ist das Land auf externe Akteure wie China angewiesen.

Verschärft wird dies durch die irakische Abhängigkeit vom Verkauf des Erdöls. Der Irak verfügt über keine diversifizierte Wirtschaftsstruktur. Der Verkauf von Erdöl macht knapp die Hälfte des Bruttoinlandsprodukts und etwa 85 Prozent des Staatshaushaltes aus.[5] Die große Abhängigkeit des Irak in dem Bereich macht das Land verwundbar. So ist es beispielsweise auf gute Beziehungen zu China angewiesen, um den Verkauf von Erdöl weiter zu garantieren. Auch wenn China im Irak in erster Linie als transaktionaler Partner wahrgenommen wird, sucht die Volksrepublik durch ihr wirtschaftliches Gewicht den politischen Einfluss im Land auszubauen.[6]

Ähnliche Vulnerabilitäten gelten im Erdgasbereich. Das Land verfügt zwar über große Erdgasreserven. Gleichwohl ist es seit 2017 ein Nettoimporteur. Etwa 40 Prozent der Energie im Irak werden aus Erdgas gewonnen. Um seinen eigenen Bedarf zu decken, muss Bagdad dabei etwa 40 Prozent des hierfür verwendeten Erdgases aus dem Iran importieren.[7] Die irakischen Gasfelder sind bislang kaum entwickelt. Das macht den Irak vom Iran abhängig. Teheran hat den Export von Erdgas in den letzten Jahren immer wieder aufgrund fehlender Zahlungen gestoppt und Bagdad damit unter Druck gesetzt. In der Folge kam es so bei ausbleibenden Lieferungen aus dem Iran zu Stromausfällen im Irak.

Um diese Abhängigkeit zu reduzieren, hat der Irak im April 2023 einen Vertrag mit dem französischen Energieunternehmen Total unterzeichnet.[8] Dieser sieht vor, dass das bei der Extraktion von Erdöl entstehende Gas, das bislang von irakischer Seite verbrannt wurde, in Zukunft aufgefangen und zur Energiegewinnung genutzt werden soll. Die Regierung in Bagdad geht davon aus, dass sich dadurch der eigene Erdgasbedarf decken lässt. Dies wäre ein wichtiger Schritt, um die irakische Vulnerabilität zu reduzieren und die Rolle des Landes zu stärken.

 

Kein Energiepartner für Deutschland – oder doch?

Der Blick auf den irakischen Energiesektor zeigt, dass der Irak aktuell kein maßgeblicher Partner im Bereich der Energiegewinnung für Deutschland ist. Das Land wird kurzfristig nicht in der Lage sein, die deutsche Nachfrage nach günstigem Erdgas zu bedienen und damit die Vulnerabilitäten Berlins in dem Bereich zu reduzieren. Sollten die Erdgasfelder im Irak strategisch entwickelt werden, könnte der Irak langfristig zu einem Partner werden. Auch im Bereich des Grünen Wasserstoffs gäbe es mannigfaltige Anknüpfungspunkte zwischen Deutschland und dem Irak. Aufgrund der hohen Sonneneinstrahlung wäre der Irak hier ein geeigneter Partner für die Bundesrepublik. Allerdings bedürfen sowohl die Ausweitung der Gasproduktion als auch die Entwicklung erneuerbarer Energien umfassende deutsche Investitionen und würden erst in einigen Jahren zur Verfügung stehen.

Dem Irak kommt aber noch aus einem anderen Grund eine zunehmende Signifikanz für Deutschland zu. Das Land könnte sich aufgrund seiner geostrategischen Lage zu einem wichtigen Transitland für Energie innerhalb der Region und auch nach Deutschland entwickeln. So gibt es von irakischer Seite Bestrebungen, die wirtschaftliche Integration der Region voranzutreiben. In einem Nahen und Mittleren Osten, der sich stabilisiert hat und durch umfassende wirtschaftliche Kooperation auszeichnet, käme dem Irak zwischen den Golfstaaten und Europa eine zentrale Schlüsselrolle zu. Eine Konsolidierung der Annäherung zwischen Iran und Saudi-Arabien wäre hierfür ein entscheidender Treiber.

Mit der „Development Road“-Initiative hat die irakische Regierung ein umfangreiches Infrastrukturprojekt angekündigt, das diese Vernetzung maßgeblich vorantreiben soll. Die Initiative sieht die Verknüpfung des Südirak vom Hafen in Faw mit der Türkei im Norden des Irak durch den Bau von Eisenbahnstrecken und neuen Autobahnen vor. Im Rahmen dieses Projekts ist auch eine zusätzliche Pipeline geplant. Darüber könnte Erdgas aus den Golfstaaten schneller und günstiger nach Europa gelangen. Bereits seit 2021 engagiert sich Bagdad im Rahmen der „New Levant“-Initiative mit Ägypten und Jordanien um einen Anschluss des Landes an die Arab Gas Pipeline, die von Ägypten über Jordanien nach Syrien reicht. Auch hierüber ließe sich Erdgas aus der Region kostengünstiger nach Europa leiten.[9]

Sollte sich die Region weiter stabilisieren und sich der Trend eines neuen Regionalismus fortsetzen, wäre der Irak ein wichtiger Partner für Deutschland im Energiebereich. Bereits heute sollten dafür die Grundlagen gelegt werden. Deutschland sollte die Entwicklung des Landes eng begleiten und strategische Partnerschaften im Energiebereich ausbauen. Auch mit Blick auf die Global Gateway-Initiative der Europäischen Union bestehen Anknüpfungspunkte. Diese sollten weiterverfolgt und vertieft werden. Die Idee einer gestärkten Konnektivität zwischen Berlin und Bagdad ist bereits über 100 Jahre alt – aber heute nicht minder relevant.

 


[1] Vgl. Reuters 2023: Germany in talks with Iraq over possible gas imports - Chancellor, 13.01.2023, abgerufen am 25.06.2023 unter: https://www.reuters.com/business/energy/germany-talks-with-iraq-over-possible-gas-imports-chancellor-2023-01-13/.

[2] Vgl. U.S. Energy Information Administration 2022: Iraq: Analysis – Energy Sector Highlights, abgerufen am 25.06.2023 unter: https://www.eia.gov/international/overview/country/irq.

[3] Vgl. ibid.

[4] Vgl. The Obvservatory of Economic Complexity 2022: Iraq, abgerufen am 25.05.2023 unter: https://oec.world/en/profile/country/irq.

[5] Vgl. The World Bank 2022: Iraq, abgerufen am 25.06.2023 unter: https://www.worldbank.org/en/country/iraq/overview#:~:text=Over%20the%20last%20decade%2C%20oil,gross%20domestic%20product%20(GDP).

[6] Vgl. Caliskan, Sercan 2023: Chinas Expanding Influence in Iraq, The Diplomat, abgerufen am 25.06.2023 unter: https://thediplomat.com/2023/03/chinas-expanding-influence-in-iraq/.

[7] Vgl. Middle East Eye 2023: Germany in talks with Iraq for gas imports, abgerufen am 25.06.2023 unter: https://www.middleeasteye.net/news/germany-talks-iraq-gas-imports.

[8] Vgl. Reuters 2023: Total Energies confirms deal with Iraq on $27 bln energy project, 05.04.2023, abgerufen am 25.06.2023 unter: https://www.reuters.com/markets/deals/totalenergies-confirms-previously-announced-iraq-deal-2023-04-05/.

[9] Vgl. hierzu Uhl, Johannes 2021: Energy Co-operation in the New Levant – How Egypt, Jordan, and Iraq Move to a New World of International Energy Relations, in: “The New Levant” – Rationales, implications and future trajectories of the cooperation between Jordan, Iraq and Egypt, KAS and CSS Working Papers, S.53-61, abgerufen am 25.06.2023 unter: https://www.kas.de/documents/279984/280033/The+New+Levant+-+Papers+2021.pdf/b5e77cc2-e510-fcfa-61da-4d9529207380?version=1.0&t=1641826120874.

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