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Länderberichte

Der Winter der Impf-Unzufriedenheit: ein Jahr Corona-Krise in Kanada

Die weit überwiegende Mehrheit der Kanadier bewertet die Regierungsleistung in Zusammenhang mit der Ausbringung von Corona-Impfstoffen als ungenügend. Besonders im Vergleich mit dem Krisenmanagement anderer Länder überwiegt bei rund 60 Prozent der im Rahmen jüngster Meinungsumfragen interviewten Menschen die Haltung, die derzeitige Situation als ein Versagen der Regierung von Premierminister Justin Trudeau zu sehen und nicht als Folge von Schwierigkeiten, die nicht in ihrer Hand liegen.

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Unhaltbare Impfversprechen

Die Zahl der Kanadier, die im Februar angaben, dass die Regierung keine gute Figur bei der Sicherung der COVID-19-Dosen für die Bevölkerung gemacht hat, hat sich seit Anfang Dezember vergangenen Jahres nahezu verdreifacht. Stark geschwunden ist auch das Vertrauen in das zu Beginn der Impfstoffausbringung gegebene Versprechen des Regierungschefs, jede/r, der eine Corona-Impfung wünsche, werde bis spätestens September 2021 die Chance dazu bekommen: das halten mittlerweile drei Viertel der Befragten für ein kaum noch einlösbares Versprechen.

Dabei wünschen sich seit Längerem über 80% der Kanadier eine Impfung. In den kanadischen Medien wird derweil berechnet, dass das Impfstoffdefizit mehr als 940.000 Dosen oder 27,5 Prozent der 3,4 Millionen Dosen beträgt, die bis Ende Februar erwartet worden waren. Verantwortlich dafür sind Produktionsengpässe und anderweitige Logistikprobleme der Hersteller, die auch den Impfstoffnachschub in anderen Ländern beeinträchtigen. Zwischenzeitlich haben einzelne Provinzen ihre eigenen Konsequenzen aus den Lieferschwierigkeiten ausländischer Pharmahersteller gezogen. Manitoba schloss einen Deal zum Kauf eines in Kanada hergestellten Impfstoffs ab, der gerade erst mit klinischen Studien am Menschen erprobt wird.

Die aktuelle Corona-Situation in Kanada

In Kanada wurden bislang 821.932 COVID-19 Infektionen erfasst, bei 21.089 Corona-bedingten Todesfällen (Stand: 12.02.2021). Dies entspricht einer Infektionsrate von 2,18% sowie einer Letalitätsrate von 2,57%. Die 7-Tage-Inzidenz lag bei 62,4 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern und damit etwa ebenso hoch wie in Deutschland. Bezogen auf die Gesamtbevölkerung von rund 37,7 Millionen Menschen erreicht das Land eine Testrate von 46,3%. Die Impfrate (nur erste Dosis) lag zum o.g. Stichtag bei 1,97% der Bevölkerung (Deutschland: 3,07%).

Ein gescheitertes Gesundheitssystem?

In diesem Kontext stellt eine soeben erschienene Analyse des Think Tanks Macdonald-Laurier Institute (MLI), eines kanadischen Partners der Konrad-Adenauer-Stiftung, einige kritische Fragen. Unter dem Titel „COVID-19: Masking a failed system?” schreibt der Autor und Mediziner Shawn Whatley unter anderem, dass COVID-19 das Gesundheitssystem des Landes dem Stresstest unterzogen habe, „den wir lange zu vermeiden gehofft hatten“. Vor der Pandemie habe es in Kanada 2,5 Krankenhausbetten pro 1.000 Einwohner gegeben, verglichen mit 4,7 im Durchschnitt der Mitgliedsländer der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), mithin 53 Prozent des OECD-Durchschnitts. Wie in vielen anderen Ländern sei auch in Kanada die Zahl der Krankenhausbetten im Verhältnis zur Bevölkerungszahl in den letzten zwei Jahrzehnten gesunken.

Angesichts niedriger Bettenzahlen seien kanadische Krankenhäuser oft überfüllt. Akutkrankenhäuser seien im Durchschnitt zu über 90 Prozent ausgelastet, routinemäßig sogar noch höher. Schlagzeilen über Patienten in Badezimmern und Sonnenzimmern erschienen jeden Winter in Kanada. Im Vergleich dazu bewegte sich die durchschnittliche Krankenhausbelegung in den OECD-Ländern vor der Einführung von COVID zwischen 70 und 80 Prozent - ideal für den Patientenfluss, so Whatley. Allerdings seien die Probleme weder neu noch unbekannt: Überbelegung, „Gang-Medizin“, Engpässe in der Langzeitpflege, weltberüchtigte lange Wartezeiten für Arzttermine von z.T. mehreren Monaten, Medizintechnikmängel und Kostenexplosionen seien nur einige der Probleme, die schon lange vor COVID Anlass zur Sorge gegeben hätten.

Wirtschaftliche Kollateralschäden

Kanadas Wirtschaft verlor im Januar 213.000 Arbeitsplätze, etwa fünfmal mehr als von Ökonomen erwartet, da der Einzelhandelslockdown mehr Geschäfte im ganzen Land zur Schließung zwang. Das nationale Statistische Amt berichtete, dass die Arbeitslosenquote um 0,6 Prozentpunkte auf 9,4 Prozent angestiegen sei. Das ist der höchste Stand seit August 2020. Auch die Gesamtbeschäftigung fiel auf den niedrigsten Stand seit jenem Monat. Der Rückgang im Januar bedeutet, dass Kanada jetzt insgesamt 858.000 Arbeitsplätze weniger hat als im Februar des letzten Jahres, bevor COVID-19 begann.  

Justin Trudeau als Krisengewinner?

Doch das politische Geschick des Premierministers leidet kaum. Trudeaus persönliche Zustimmung liegt weiterhin bei 50 Prozent, was nach fünf Jahren im aufreibenden Amt und mehreren politischen Skandalen, die er mit zu verantworten hatte, bemerkenswert ist. Seine Liberale Partei führt kontinuierlich in Umfragen zur Wahlabsicht: im Schnitt liegen die Liberalen fünf Punkte vor den oppositionellen Konservativen. Kein Wunder also, dass Gerüchte über vorzeitige Parlamentswahlen seit Wochen in der Luft liegen. Gelänge es Justin Trudeau, der seit 2019 nur eine Minderheitsregierung führt, bei einem eventuellen Urnengang erneut die absolute Mandatsmehrheit im Unterhaus zu gewinnen, könnte er durch einen Zugewinn an politischer Statur zu seinem Vater, dem legendären Pierre Elliott Trudeau (Premierminister von 1968 bis 1984, mit einer kurzen Unterbrechung) aufschließen und damit sogar als politischer Profiteur aus der Corona-Krise hervorgehen.

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Kontakt

Dr. Norbert Eschborn

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Designierter Leiter KAS Auslandsbüro Kroatien-Slowenien

norbert.eschborn@kas.de

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Über diese Reihe

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