Länderberichte
Beachtenswert ist dabei der Stimmenzuwachs der Phuea Thai Partei (PT) und der sprunghafte Anstieg der Wahlbeteiligung von 51,1% im Jahr 2009 auf knapp 64% bei der diesjährigen Abstimmung. Wahlberechtigt waren rund 4,25 Mio. Bürger gegenüber 4,15 Mio. bei der vorigen Wahl; davon beteiligten sich mehr als 2,7 Mio. Einwohner Bangkoks.
Der alte und neue „regierende Bürgermeister“ der Demokratischen Partei (DP) konnte über 1,25 Mio. Stimmen auf sich vereinigen und legte damit um 170.000 Stimmen oder knapp einen Prozentpunkt zu.
Der Kandidat der PT, der ehemalige stellvertretende Chef der nationalen Polizei, Pongsapat Pongcharoen konnte das Ergebnis für seine Partei dagegen sensationell um fast 400.000 Stimmen auf über 1,07 Mio. steigern und schloss damit weit besser als jeder Zweitplazierte zuvor ab.
Verschiedene Umfrageinstitute hatten ihn schon seit mehreren Wochen vorne gesehen und einen Sieg der PT vorausgesagt.
Wahlentscheidung in letzter Minute
Trotz heftiger Regenfälle am Wahltag gab es eine Rekordbeteiligung von fast zwei Drittel aller Wahlberechtigten. Sowohl dies als auch die Tatsache, dass entgegen allen Prognosen letztendlich doch Sukhumbhand gewann, ist nach übereinstimmenden Kommentaren zahlreicher Beobachter auf die Strategie der DP in der Endphase des Wahlkampfes zurückzuführen. Diese hatte in den letzten beiden Wochen vor dem Wahltag vor einer „absoluten Kontrolle“ durch die regierende PT gewarnt. Die Vorstellung, dass auch die Hauptstadt in die Hände des Thaksin‐Lagers fallen sollte, war für die traditionell dem gelben Lager zugehörige und DP wählende Mittel-‐ und Oberschicht Bangkoks schlicht nicht akzeptabel.
Dabei hat die Bangkok Metropolitan Authority BMA, deren Leiter der Gouverneur ist, keinerlei Kompetenzen oder Vetorechte was die nationale Politik angeht. Seitens der PT wurde folglich auch argumentiert, die DP verbreite eine „Atmosphäre der Angst“. Diese Rechnung der DP ging jedoch genau auf, indem sie immer wieder an die gewaltsamen Demonstrationen der Rothemden 2010 erinnerte, bei denen einige Radikale ganze Shoppingkomplexe in Brand
gesetzt hatten.
Diese Befindlichkeit wird als Hauptmotiv für die deutlich gestiegene Wahlbeteiligung und den Sieg des DP-Kandidaten gesehen. Dabei war Suhkumbhand in seiner eigenen Partei und ihrer Klientel heftig umstritten. Nur mit Mühe setzte er sich bei der Nominierung innerparteilich durch und etliche Anhänger der DP dürften ihn nur zähneknirschend gewählt haben, um einen Sieg der PT zu verhindern2.
Die Demokratische Partei war jedenfalls auf den letzten Metern sehr erfolgreich was die Mobilisierung ihrer Wähler angeht. Dazu mögen die zuvor veröffentlichten Umfrageergebnisse beigetragen haben, die gleichzeitig die Anhänger der Phuea Thai in Sicherheit wiegten, schon so gut wie gewonnen zu haben.
Die hinterher laut gewordenen Vorwürfe an die Meinungsforscher, sie sollten ihre Methoden überprüfen und sich insgesamt mit solchen Vorhersagen zurückhalten, mögen aus der Verärgerung mancher Politiker und Medien verständlich sein, erweisen sich jedoch als wenig überzeugend. Es war tatsächlich – wie sich aus Umfragen bei Wählern nach ihrem Wahlgang ergibt – eine Entscheidung in letzter Minute, überhaupt zur Wahl zu gehen. Das gilt insbesondere für die zähneknirschenden Wähler der DP, die ein symbolisches Zeichen gegen ein suggeriertes Durchregierung der PT setzen wollten.
Die übrigen 21 Kandidaten, die völlig unabhängig antraten oder von kleinen Parteien nominiert waren, spielten – ebenfalls entgegen anfänglichen Prognosen – nur eine untergeordnete Rolle. Die auf sie insgesamt entfallenen knapp 300.000 Stimmen hätten nur dann einen Ausschlag gegeben, wenn sie mehr oder weniger geschlossen für Pongsapat abgegeben worden wären. Insofern scheint es eine Wanderung von potentiellen Wählern dieser unabhängigen Kandidaten hin zur DP geben zu haben. Der hohe Zugewinn der PT deutete sich in den Umfragen bereits an, die teilweise einen Vorsprung von weit über 100.000 Stimmen prognostizierten. Zählt man die Differenz zwischen beiden Kandidaten aus dem Endergebnis hinzu, hat die DP am Schluss gut 300.000 Stimmen aufgeholt. Daraus kann geschlossen werden, dass sich aus dem Wählerpotential der unabhängigen Kandidaten und kleineren Parteien, denen anfangs noch wesentlich mehr Stimmen vorhergesagt wurden, die meisten Wähler für Sukhumbhand entschieden und nur ein kleiner Teil im Endeffekt für Pongsapat votiert haben.
Weitere empirische Erkenntnisse über mögliche Wählerströmungen liegen nicht vor, da dergleichen nicht untersucht wird. Man kann aber annehmen, dass in der jungen Generation, die in aller Regel eine höhere und oft auch mit Auslandsaufenthalten verbundene Bildung haben, eher geneigt sind, für die Phuea Thai zu stimmen.
Die im Vergleich zur Einwohnerzahl Bangkoks von über 12 Mio. geringe Zahl an Wahlberechtigten hat damit zu tun, dass die vielen Pendler aus den Gebieten um die Hauptstadt herum ihren Wohnsitz dort in den anderen Provinzen angemeldet haben. Der Zuwachs an Wahlberechtigten von gerade einmal 100.000 Bürgern könnte damit zu tun haben, dass insbesondere die PT in ihrer Anhängerschaft darum geworben hat, man möge doch den Wohnsitz in die Stadtgrenzen verlegen. Wenn dies eine Strategie war, dann hat sie zumindest zum beachtlichen Stimmenzuwachs beigetragen, reichte am Ende aber doch nicht zum Sieg. Das zweifellos beachtliche Ergebnis ist nicht nur den Parteistrategen sondern durchaus auch dem sympathischen Kandidaten Pongsapat Pongcharoen zu verdanken, der keinerlei Anlass zu persönlichen Attacken geboten und sich als bürgernah präsentiert hat.
Bemerkenswert ist auch, dass ausgerechnet im Regierungsdistrikt Dusit die Phuea Thai diesmal gewonnen hat. Dort wohnen alteingesessene Bangkoker, aber es gibt auch eine Reihe von Militärkasernen. Unbestätigten Berichten zufolge haben die unteren Dienstgrade im krassen Gegensatz zur Militärführung mit bis zu 70% für den Kandidaten der PT gestimmt. Ein Militärsprecher kommentierte Anfragen nur damit, dass die Führung den Soldaten keinerlei Vorschriften oder gar Anweisung gebe, wie sie wählen sollten.
Ein Signal an beide Seiten
Bangkok und seine Stadtregierung stehen formal den übrigen 76 Provinzen des Landes gleich mit dem einen Unterschied, dass hier die Bürger den Gouverneur wählen dürfen; in den Provinzen werden sie vom Innenminister ernannt. Es handelt sich somit um nicht mehr, aber auch nicht weniger als die Kommunalverwaltung. Mit der nationalen Politikgestaltung hat dies allernfalls atmosphärisch zu tun.
Allerdings ging es sowohl den Anhängern der DP, der sog. alten Elite aus Aristokraten, höheren Beamten, Militärs und Geldadel, die als obere Mittelschicht und Oberschicht überwiegend in der Hauptstadt ansässig sind, als auch der auf nationaler Ebene regierenden PT unter Führung von Thaksins Schwester Yinglak Shinawatra um genau diese Symbolik.
Die rein praktische Zusammenarbeit zwischen Regierung und BMA als Hauptstadtverwaltung funktionierte schon von Anfang an nicht weil beide Seiten selbst während der Jahrhundertflut vom Herbst 2011 – unmittelbar nach Übernahme der Regierung durch die PT – alles in den parteipoli tischen Lagerkampf gezogen haben.
Die Lektion für die Phuea Thai unter ihrer charmanten Premierministerin, die die Niederlage den Tränen nah einräumte4, lautet, dass die Bäume nicht in den Himmel wachsen und sie sich gut überlegen sollten, welche Politik sie auf nationaler Ebene verfolgen wollen. Dieser Wink zielt vor allem auf die höchst umstrittenen Fragen der Verfassungsänderung und der Generalamnestie für politisch motivierte Vergehen, die für die PT zentrale Wahlversprechen 2011 waren. Dagegen wehrt sich die Opposition angeführt von der Demokratischen Partei vehement, da sie dies nur als Manöver zur Rehabilitation von Thaksin Shinawatra sehen.
Aber auch die DP muss aus dem Wahlergebnis unabhängig vom Sieg ihres unbeliebten – Kandidaten Lehren ziehen. Die Aufholjagd der PT in der bislang sicher geglaubten Hochburg der Demokraten ist beachtlich. Wenn sich der Trend fortsetzt, mehr Unterstützer der PT sich offiziell in Bangkok niederlassen und sich womöglich jüngere und Erstwähler eher bereit finden, für die Phuea Thai zu stimmen, könnte es beim nächsten Mal auch in ihrer Hochburg Bangkok eng werden für die DP.
Allerdings hängt dies sowohl von dem weiteren Verhalten und Taktieren der Phuea Thai Regierung als auch von der Performance des wiedergewählten Sukhumbhand Paribatra ab.