Seminar
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Im Fokus dieser Veranstaltung wird das Fernsehen stehen – ein Untersuchungsgegenstand, der komplex und interdisziplinär zugleich ist. Die Komplexität ergibt sich schon allein aufgrund seines dreidimensionalen Charakters. So ist Fernsehen nicht nur eine Industrie, sondern darüber hinaus ein Komplex audiovisueller Texte sowie eine soziokulturelle Erfahrung (vgl. Dahlgren, 1995, S. 25). Als „interdisziplinäres Untersuchungsobjekt“ ist Fernsehen deshalb zu bezeichnen, da hier ganz unterschiedliche Bereiche aufeinandertreffen (z. B. Informations- und Kommunikationswissenschaft, Soziologie, Wirtschaft, Politikwissenschaft, Anthropologie), für deren Analyse es unterschiedlicher Herangehensweisen sowie fachübergreifender Perspektiven bedarf.
Außerdem unterliegt dieser Forschungsgegenstand in besonderem Maße dem ständigen Wandel, der sich im Zuge sozialer, wirtschaftlicher, politischer und beruflicher Veränderungen, v. a. aber vor dem Hintergrund technologischer Innovation ergibt. Angesichts dieser vielfältigen Wandlungen muss das Fernsehen Strategien entwickeln, um den ständig neuen Herausforderungen gerecht zu werden. Daher muss sich das Fernsehen als ein Untersuchungsobjekt vorgestellt werden, das sich in permanentem Aufbau und in ständiger Neuordnung befindet.
In den arabischen Gesellschaften wird das Fernsehen von einem besonders rasanten und tiefgehenden Wandel geprägt. Dieser betrifft u. a. das Wirtschaftsmodell, Eigentumsformen (öffentlich oder privat), Finanzierungsmethoden, die inhaltliche Ausrichtung der Fernsehsender (Voll- oder Spartenprogramm) und den Regulierungsrahmen. Derartige Veränderungen stehen oftmals mit ganz spezifischen Entwicklungen in Zusammenhang, beispielsweise mit unkontrollierbaren Ereignissen (Aufkommen von Satellitensendern Anfang der 1990er, des Internets und vor wenigen Jahren dann soziale Online-Netzwerke), einem Informationsvakuum während Krisensituationen (Kriege, Revolutionen) oder mit neuen Marktbedingungen (Markteintritt von privaten Akteuren, Konzentration von Medienunternehmen).
Vor diesem Hintergrund wird dem Wandel des Fernsehens in den Ländern des sogenannten „Arabischen Frühlings“ ein ganz besonderes Forschungsinteresse zuteil. Denn er vereint nicht nur eine Vielzahl der bereits genannten Entwicklungsmöglichkeiten, sondern kann auch als aktuelle Fallstudie dienen, bei der der technologische Fortschritt von einer politischen und gesellschaftlichen Transformation begleitet wird. In diesem Zusammenhang gewinnen an das Fernsehen gekoppelte Problematiken nicht nur in der arabischen Welt, sondern weltweit wieder an Aktualität.
Mit seiner interdisziplinären Herangehensweise und aus einer empirischen und theoretischen Perspektive heraus wird das Kolloquium der KAS und des IPSI die Gelegenheit zu Debatten und Reflexionen über das Fernsehen geben. Außerdem zielt es darauf ab, Wissenschaftler aus unterschiedlichen Ländern zusammenzubringen, damit dieselben ihre Erfahrungen, Forschungsarbeiten und Kenntnisse austauschen können. Vor dem Hintergrund der politischen Transitionen in einigen arabischen Ländern soll das Kolloquium die Teilnehmer zum Nachdenken über den Zustand des Fernsehens anregen, die Gegenwart und die Zukunft des Fernsehens unter Berücksichtigung der wachsenden Bedeutung sozialer Medien untersuchen, die Veränderungen, die das Fernsehen derzeit prägen, analysieren, die verschiedenen Akteure identifizieren, die von diesen Veränderungen betroffen sind (z. B. Fernsehzuschauer, Journalisten, Wirtschaftsakteure, Politiker etc.), sowie deren Handlungsmotivationen, Herausforderungen und Handlungsstrukturen verständlich darlegen.