Veranstaltungsberichte
Die Partizipation junger Menschen am politischen Übergangsprozess Tunesiens ist für die Zukunft des Landes ausschlaggebend. Standen jungen Menschen und Erwachsende nicht nur am Beginn der Revolution und der Umbrüche in der Region, so sind sie es, die den kommenden Wahlen aufgrund ihrer demographischen Größe weitreichende Repräsentativität und Legitimität verleihen können.
Dennoch wendet sich die Jugend Tunesiens zunehmend von der Politik ab. Schon während der ersten freien Wahlen im Oktober 2011 hatten sich nur 17 Prozent der zwischen 17 und 35 Jahre alten Tunesier in die Wählerlisten eingetragen. Seitdem haben Verdrossenheit und Enttäuschung aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Situation, der unstabilen Sicherheitslage und der Streitigkeiten der Parteien untereinander zugenommen. Um so wichtiger ist es daher, gerade den jungen Menschen die Bedeutung ihrer Stimme und ihrer Teilhabe vor Augen zu führen und sie zur aktiven politischen Teilhabe anzuregen.
Vor diesem Hintergrund widmeten das Auslandsbüro der KAS in Tunesien gemeinsam mit dem Forum der Politischen Akademie, unterstützt von einer breiten Allianz zivilgesellschaftlicher Organisationen, den vergangenen Samstag, 27. September 2014, der Jugend.
Erst die Arbeit, dann das Vergnügen – Der guten Tradition folgend begann der Tag mit der Jugendsommeruniversität für junge Repräsentanten politischer Parteien, an der rund 270 junge Tunesierinnen und Tunesier aus dem ganzen Land teilnahmen. Ziel dieser Sommeruniversität war es, in einen kritischen Austausch über die Erwartungen an die Politik, Möglichkeiten der Teilhabe und der Gestaltung zu treten sowie zugleich Vorschläge zur Verbesserung zu formulieren.
Die Veranstaltung eröffneten der ehemalige Übergangsminister für Berufsausbildung und Beschäftigung, Said Aidi, und der Leiter des KAS-Büros in Tunesien, Dr. Hardy Ostry. Beide unterstrichen in ihren Ansprachen die Bedeutung der Wahlen für Tunesien und besonders für Tunesiens Jugend. In den bevorstehenden Wahlen handele es sich um eine Richtungswahl zwischen zwei Gesellschaftsmodellen, die auch die Zukunft der tunesischen Jugend grundlegend prägen werde. Daher sei es noch wichtiger als bei den Wahlen zum Übergangsparlament von 2011 im Oktober und November wählen zu gehen, so Dr. Ostry.
Die Sommeruniversität bot auch die Gelegenheit, die in Zusammenarbeit mit der KAS entwickelte neue Internetplattform für den jungen Parteinachwuchs vorzustellen. Die Plattform bietet für junge politische Aktivisten ein Forum, in dem die Jugend ihre Meinung, ihre Vorschläge und ihre Ideen zur Politik in Tunesien austauschen kann. Darüber hinaus bietet sie einen Werkzeugkasten, der ihnen nützliche Links und Informationen, zum Beispiel zur Ausbildung und inhaltlichen Arbeit zur Verfügung stellt.
Gemeinsam entscheiden wir unsere Zukunft - Den Höhepunkt erreichte der Tag mit dem Jugendkonvent, an dem um die 1500 junge Menschen aus dem ganzen Land teilnahmen. Den Konvent eröffneten zwei junge Tunesierinnen und zwei junge Tunesier, indem sie ihren Mitbürgerinnen und Mitbürger darstellten, was sie dazu bewege „sich einzumischen“ und wählen zu gehen.
In einer erwartungsvollen und zugleich hoffnungsvollen Atmosphäre wandte sich auch der Vorsitzende der KAS an die Jugend Tunesiens. Neben Bedeutung der Wahlen für das Land hob Pöttering insbesondere auf die Rolle der Jugend ab. Tunesien sei als Träger der Hoffnungen des „arabischen Frühlings“ ein Leuchtturm in der arabischen Welt, vor allem im Vergleich zu der bitteren Realität, die in vielen anderen Ländern der Region vorherrsche. Wenn Konrad Adenauer einst den legendären Satz geprägt hat, „Wir stehen auf der Seite der Freiheit“, dann bedeute dies heute „Wir stehen an Eurer Seite!“, so der Vorsitzende der KAS.
Die besondere Rolle der Jugend griff auch der ehemalige Übergangspremierminister Tunesiens, Béji Caid Essebsi, auf. Trotz der Probleme der letzten drei Jahre und der Herausforderungen, vor denen Tunesien noch steht, solle die Jugend die Hoffnung bewahren und sich, wie sie es während der Revolution gemacht habe, weiter für ihr Land engagieren und die Verantwortung auch im Rahmen der Wahlen übernehmen. „Lasst nicht für euch entscheiden, sondern entscheidet für euch selbst“, so lautete Essebsis Botschaft an die Jugend. Zudem dankte Essebsi seinem Freund, dem Vorsitzenden der KAS, für seine Anwesenheit an diesem historischen Moment und für sein Engagement im demokratischen Übergang Tunesiens.
Ausgelassen, hoffnungsvoll – wie man es selten zuvor in Tunesien während der letzten Jahre hat sehen können – endete der Abend und schloss mit einem kleinem Konzert ab.