Veranstaltungsberichte
„Auch wenn man den Krieg nicht miterlebt hat, reicht ein Blick auf diese Zahlen, um eine Vorstellung zu bekommen, welche Wirkung er bei den Überlebenden hinterlassen haben muss“, sagte Prof. Dr. Norbert Lammert in seiner Ansprache zur Gedenkveranstaltung. Dennoch sei 70 Jahre danach die Beziehung zwischen Deutschland und der Ukraine sehr gut. „Diese Veranstaltung ist eine gute Gelegenheit nicht nur die Lücken in der Versöhnungsarbeit anzusprechen, sondern auch den erfolgreichen Weg zu würdigen, den wir schon hinter uns haben“, so der Bundestagspräsident. 42 Prozent der Ukrainer würden das Verhältnis zu Deutschland als äußerst positiv bezeichnen und 57 Prozent betrachten Deutschland als ein ganz normales europäisches Land. Nur drei Prozent der Ukrainer würden in Deutschland eine Bedrohung sehen. „Das ist bemerkenswert und nicht selbstverständlich“, sagte Lammert.
Nirgendwo sonst in Deutschland sähe man Spuren der deutschen Geschichte so demonstrativ, wie im neu gestalteten Reichstagsgebäude in Berlin. Der Plan des Architekten Norman Foster habe in einem internationalen Wettbewerb unter anderem auch deshalb gewonnen, da er als Einziger vorsah, die russischen Inschriften aus der Zeit der Eroberung des Reichstags im Frühjahr 1945 freizulegen, erklärte Lammert. „Das ist ein Zeichen, das Gedenken und Erinnern als Verpflichtung zu betrachten“, so der Bundestagspräsident.
Die Beraterin des Präsidenten der Ukraine, Maryna Stavniychuk, sagte, die Ukraine habe unter zwei schlimmen Diktaturen gelitten, dem Nazismus und dem Stalinismus. „Doch auch unsere Gesellschaft hat vom Holocaust gewusst“, so Stavniychuk. Und unter Stalin dauerte der Antisemitismus an.
„Auch die stalinistischen Verbrechen müssen aufgearbeitet werden“, hatte Dr. Gerhard Wahlers in seiner Rede gefordert. Es gehe bei der Gedenkveranstaltung um eine Verurteilung jeglicher Formen von Totalitarismus. „Die Aufarbeitung der Geschichte soll helfen, eine Wiederkehr von Handlungsmuster zu verhindern“, so der stellvertretende Generalsekretär der Konrad-Adenauer-Stiftung.
Mittlerweile gäbe es mehrere Institutionen, die sich mit der Verarbeitung und Folgen des Zweiten Weltkrieges beschäftigen würden, wie beispielsweise das Ukrainische Zentrum für Holocaust Studien, sagte die Beraterin von Wiktor Janukowytsch. Es gäbe heute auch vereinzelt Fremdenfeindlichkeit in der Ukraine, doch „die Regierung geht mit Gesetzen gegen solche Vorfälle vor“, so Stavniychuk. Die ukrainische Regierung bekenne sich demonstrativ zu einer interethnischen Gesellschaft.
James Temerty, Vorsitzender der Ukrainian Jewisch Encounter, sagte: „Ich freue mich, dass heute das Grabmal von Baal Schem Tow eine heilige Stätte für orthodoxe Juden ist.“ Baal Schem Tow, ein Rabbiner, ist in der südwestlichen Ukraine begraben und war der Begründer der chassidischen Bewegung innerhalb des orthodoxen Judentums. „Die verschiedenen Völker auf dem ukrainischen Territorium habe eine lange gemeinsame Geschichte.“